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Maria Stuarda

Oper in zwei Akten     
Libretto von Giuseppe Bardari basierend auf der Tragödie Maria Stuart von Friedrich Schiller
in der Übersetzung von Andrea Maffei
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Übernahme des Teatro Donizetti di Bergamo (2002) und der Opera di Roma (2006)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 16. Mai 2014

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Gefängnis für zwei Königinnen

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Maria Stuarda lässt sich in Donizettis umfangreichem Opernschaffen gleich in doppelter Hinsicht in eine Trilogie einordnen. Zum einen wird dieses Werk zusammen mit Anna Bolena und Roberto Devereux häufig als Tudor-Trilogie bezeichnet, da Donizetti in diesen Opern mit Anne Boleyn, Mary Stuart und Elisabeth I.  das Leben von drei außergewöhnlichen Königinnen des 16. Jahrhunderts vertont hat. Zum anderen bilden auch Maria Stuarda und Roberto Devereux gemeinsam mit der bereits 1829 komponierten Elisabetta al castello di Kenilworth eine Elisabeth-Trilogie, da Elisabeth I. in allen drei Opern eine entscheidende Rolle spielt. In keiner der anderen genannten Werke sind sich allerdings die beiden weiblichen Hauptfiguren musikalisch und dramaturgisch so ebenbürtig wie in Maria Stuarda , so dass das Stück eigentlich den Namen beider Königinnen im Titel tragen müsste.

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Elisabetta (Elisa Barbero, zweite von links) trifft im Park von Fotheringhay auf Maria (Martine Reyners, Mitte) (auf der linken Seite: Cecil (Yvan Thirion), rechte Seite von links: Anna (Laura Balidemaj), Talbot (Roger Joakim) und Roberto (Pietro Picone), im Hintergrund Chor und Statisterie).

Dass sich Donizetti dennoch für den Titel Maria Stuarda entschieden hat, mag wohl auch in der literarischen Vorlage, Schillers gleichnamiger Tragödie, begründet liegen. Donizettis Librettist Giuseppe Bardari kürzte Schillers fünf Akte auf drei - in der Produktion in Liège werden der erste und zweite Akt zu einem Akt zusammengefasst. So tritt Maria in der Oper zum ersten Mal in der Mitte des ersten Aktes (eigentlich zu Beginn des 2. Aktes) auf, und die Figur des jugendlichen Mortimer ist völlig gestrichen. Wie im Drama bildet auch in der Oper das Zusammentreffen zwischen Elisabetta und Maria, das in der Realität bekanntlich nie stattgefunden hat, das Kernstück des Werkes. Während aber im Schauspiel ein missglücktes Attentat auf Elisabeth erfolgt, wofür Maria verantwortlich gemacht werden soll, reichen in der Oper Marias Beleidigungen beim Zusammentreffen dafür aus, dass Elisabetta ihre Rivalin zum Tode verurteilt. Der Schluss gehört dann in der Oper allein Maria auf ihrem Weg zum Schafott, während bei Schiller das Ende Elisabeth gewidmet ist.

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Maria (Martine Reyners) zwischen Roberto (Pietro Picone, links) und Talbot (Roger Joakim, rechts)

Francesco Esposito sieht in seiner Inszenierung, die ursprünglich für das Teatro Donizetti di Bergamo entwickelt wurde und nach einer Zwischenstation an der Opera di Roma nun 12 Jahre später in Liège zur Premiere gelangt, beide Königinnen als "Gefangene". Während es bei Maria die Inhaftierung in Fotheringhay ist, sind es bei Elisabetta die gesellschaftlichen Konventionen, die sie mit Marias Verurteilung zu einer Entscheidung zwingen, die sie eigentlich gar nicht treffen will. So zeigt er bereits bei der Ouvertüre beide Königinnen auf der Bühne unter einem schräg aus dem Bühnenboden herabhängenden Gitter. Auch die hochragende Steinwand auf der rechten Seite der Bühne und die Gitterstäbe auf der linken Seite der Bühne suggerieren ein Gefängnis, in dem die ganze Handlung der Oper spielt. Für den königlichen Palast im ersten Akt wird lediglich ein Thron aus dem Bühnenboden emporgefahren, während Marias Zelle sich durch ein Bett aus Stein auszeichnet, das aus der Wand auf der rechten Seite herausgefahren wird. Ein schwarzer Vorhang im Hintergrund gibt zudem Ausblick auf einzelne Licht- oder Videoprojektionen. Wenn Maria sich zum Beispiel im Park von Fotheringhay bewegt, werden auf der weißen Leinwand hohe Baumstämme angedeutet. Auch das von Elisabetta unterzeichnete Todesurteil wird in blutroter Farbe auf die Leinwand projiziert.

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Elisabetta (Elisa Barbero) unterzeichnet in Anwesenheit von Cecil (Yvan Thirion, Mitte) und Roberto (Pietro Picone, rechts) Marias Todesurteil (auf der linken Seite: Statisterie).

Die Kostüme, für die ebenfalls Esposito verantwortlich zeichnet, sind der Zeit der Handlung nachempfunden, ohne dabei den Versuch zu unternehmen, Maria oder Elisabetta von den zahlreichen historischen Darstellungen zu kopieren. Die Bewegungen der Protagonisten wirken dabei recht statisch und lassen eine detaillierte Personenregie vermissen. Alles scheint nur auf die musikalische Gestaltung ausgerichtet zu sein. Die Funktion der Statisterie wird dabei nicht immer verständlich. Als Hofstaat in eleganten Roben und als Wächter vor Marias Kerker machen sie durchaus noch Sinn und erzeugen optisch eindrucksvolle Bilder, wohingegen ihr verschleierter Auftritt zu Beginn des zweiten Aktes unverständlich bleibt. Während Elisabetta zögert, Marias Todesurteil zu unterzeichnen, wandeln sie wie Geister durch den Raum und versammeln sich hinter dem Gitter auf der linken Bühnenseite. Dass der von Marcel Seminara einstudierte Chor zu Beginn der Oper ebenfalls hinter diesem Gitter aufgestellt ist, um der Königin von England zu huldigen, ist akustisch keine optimale Lösung, da er somit vom fulminant aufspielenden Orchester etwas zugedeckt wird und zumindest zu Beginn nicht ganz synchron wirkt.

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Maria (Martine Reyners, Mitte) auf dem Weg zum Schafott (rechts und links: Chor und Statisterie, im Hintergrund: Anna (Laura Balidemaj) und Talbot (Roger Joakim))

Musikalisch steht und fällt eine Aufführung dieser Oper natürlich mit den beiden weiblichen Protagonistinnen. In Liège hat man für die beiden Partien zwei Sängerinnen engagieren können, die den Anforderungen mehr als gerecht werden. Elisa Barbero wirkt als Elisabetta in ihrer Auftrittskavatine "Ah! quando all'ara scorgemi", in der sie sich an ihre unerfüllte Liebe zu Roberto erinnert, stimmlich zwar noch etwas belegt, singt sich allerdings im weiteren Verlauf des Abends frei und lässt ihrem dramatischen Mezzo in beweglichen Koloraturen freien Lauf, wenn es zur schicksalhaften Begegnung mit ihrer Rivalin kommt oder sie im Duett mit Cecil im letzten Akt mit einem emotionsgeladenen "Quella vita, quella vita a me funesta" sich selbst Mut zuspricht, Marias Todesurteil zu unterzeichnen. Yvan Thirion überzeugt als Lord Cecil mit dunklem Bass. Roger Joakim stattet Talbot, Marias Vertrauten, mit kräftigem Bariton aus und bewegt besonders im Duett mit Roberto, in dem er diesem Marias Brief und ihr Porträt übergibt, und in der Szene mit Maria im letzten Akt, wenn er ihr die Beichte abnimmt. Pietro Picone verfügt als Roberto über eine solide Mittellage, bekommt aber in den Höhen bisweilen leichte Probleme, so dass der tenorale Glanz dieser Partie nicht durchgängig zur Geltung kommt.

Uneingeschränkter musikalischer Höhepunkt des Abends ist Martine Reyners in der Titelpartie. Mit atemberaubenden Koloraturen präsentiert sie Belcanto vom Feinsten, begeistert in ihrer Auftrittskavatine "O nube, che lieve", wenn sie ihren Kerker verlässt, um im Park spazieren zu gehen, und die Schönheit der Natur preist, mit regelrecht mädchenhaftem Gesang, während sie sich in der Auseinandersetzung mit Elisabetta zu einer regelrechten Furie entwickelt. Absolut bewegend gelingt ihr großes Beichtduett mit Joakim im letzten Akt und ihre furiose Abschiedsarie "Ah! se un giorno da queste ritorto", mit der sie sich vor ihrem Tod noch einmal an Roberto wendet. Das Orchester der Opéra Royal de Wallonie setzt unter der Leitung von Aldo Sisillo Donizettis emotionsgeladene Musik ausdrucksvoll um, so dass es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus gibt. Überraschend ist, dass sich das Regie-Team bei dieser Premiere nicht auf der Bühne blicken lässt, was vielleicht noch nicht einmal aufgefallen wäre, wenn nicht Reyners den Versuch unternommen hätte, das Team für den Applaus auf die Bühne zu holen. Vielleicht hätte man das vorher absprechen sollen. So wirkt es auf das Publikum verstörend. Angst vor Missfallensbekundungen hätte man auch trotz leicht statischer Personenführung sicherlich nicht befürchten müssen.

FAZIT

Anhänger des Belcanto sollten sich diese recht konventionelle Inszenierung in Liège schon allein aufgrund der musikalischen Umsetzung nicht entgehen lassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Aldo Sisillo

Inszenierung und Kostüme
Francesco Esposito

Bühne
Italo Grassi

Licht
Daniele Naldi

Chorleitung
Marcel Seminara

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

Statisterie


Solisten

Maria Stuarda
Martine Reyners

Elisabetta
Elisa Barbero

Roberto, Conte di Leicester
Pietro Picone

Giorgio Talbot
Roger Joakim

Lord Guglielmo Cecil
Yvan Thirion

Anna Kennedy
Laura Balidemaj


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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