Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Aida

Oper in vier Akten     
Libretto von Antonio Ghislanzoni nach Auguste Mariette und Camille Du Locle
Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra de Bordeaux

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 25. März 2014

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Bombastisches Bühnenbild mit spärlicher Personenregie

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Giuseppe Verdis Aida gehört zu den Bühnenwerken, die sich musikalisch und inhaltlich durch große Massentauglichkeit auszeichnen. So ist diese Oper nicht nur nahezu jedes Jahr in mal mehr, mal weniger klassischen Inszenierungen fester Bestandteil der Freiluftsaison in der Arena di Verona, sondern vermochte auch in Deutschland schon als Opernspektakel ein ganzes Fußballstadion zu füllen, nicht zuletzt weil sich wohl auch der berühmte Triumphmarsch zu einem regelrechten Fangesang etabliert hat. Wenn man dieses Werk also in der heutigen Zeit nicht auf einer riesigen Freiluftbühne, sondern in einem Opernhaus zur Aufführung bringen will, stellt sich für jeden Regisseur zwangsläufig die Frage, ob man den monumentalen Charakter der Oper beibehalten will beziehungsweise kann oder ob man bewusst dagegen inszeniert und andere Schichten des Stückes aufdeckt. Ivo Guerra hat sich in seiner Inszenierung, die er 2006 für die Opéra National de Bordeaux entwickelt hat und die nun in einer Einstudierung von Johannes Haider in Liège zur Premiere gelangt, dazu entschieden mit den allgemeinen Publikumserwartungen nicht zu brechen.

Bild zum Vergrößern

Der König (hier: Pierre Gathier), Amneris (Nino Surguladze) und Ramfis (Luciano Montanaro) (hintere Reihe von links), Radames (Massimiliano Pisapia) (mittlere Reihe), Amonasro (Mark Rucker) und Aida (Kristin Lewis) (vordere Reihe) mit dem Chor und der Statisterie in einem überwältigenden Bühnenbild

Mit Blick auf das von Giulio Achilli entworfene bombastische Bühnenbild dürfte dies auch in vollem Maße gelungen sein. Achilli errichtet auf der Bühne eine gewaltige Steinkulisse, die den Zuschauer in eine längst vergangene Zeit eintauchen lässt. Gegner von konventionellen Inszenierungen mögen dies als museal oder mit Blick auf die zahlreichen ägyptischen Skulpturen, die sich an dem Prospekt befinden, der zu Beginn des Stückes in den Schnürboden emporgezogen wird, als kitschig bezeichnen. Der Großteil des Publikums schwelgt allerdings in den Bildern, die die Monumentalität der Vorlage durchaus einfangen. Sei es nun die große Freitreppe auf der linken Bühnenseite, über die die Priester scheinbar aus einem dahinterliegenden Tempel herabsteigen, das riesige, leicht abschüssige Steinplateau, auf dem die Protagonisten agieren, der gewaltige kreisrunde Mond hinter der sich öffnenden Steinkulisse, wenn Amneris um Radames' Leben bangt, oder das Grab, in dem Radames am Ende eingeschlossen wird und in dem er gemeinsam mit seiner geliebten Aida im bittersüßen Duett sein Leben aushaucht, während eine verzweifelte Amneris über dem Grab um ihren Seelenfrieden bittet. Das Gleiche gilt für die historisierenden Kostüme von Bruno Fatalot, die bei jeder Figur auch ohne eine einzige Note der Musik verdeutlichen, in welchem Stück man sich befindet und um welchen Charakter es sich handelt.

Bild zum Vergrößern

Amneris (Nino Surguladze) mit Ramfis (Luciano Montanaro, Mitte hinten) und dem Chor

Leider versagt allerdings die Personenregie an einzelnen Stellen, vielleicht, weil das gewaltige Bühnenbild speziell dem Chor und der Statisterie kaum Bewegungsspielraum ermöglicht. So sitzt der Chor beispielsweise im ersten Teil nahezu wie bei einer konzertanten Aufführung auf der Bühne, ob er nun singt oder nicht, und weiß aber dann, wenn er sich endlich erheben darf, nichts mit sich anzufangen. Der Triumphmarsch wird szenisch regelrecht verschenkt. Die Statisterie und der Chor ballen bei den berühmten Klängen, zu denen man jetzt den Einmarsch des Königs und seines Gefolges erwartet, eine Hand zu einer Faust und schütteln sie etwas unbeholfen. Der Sinn dieser Bewegungen erschließt sich nicht. Ob man im weiteren Verlauf der Instrumentalmusik die Statisterie in Einzelkämpfen zur Belustigung des Publikums antreten lassen muss, ist ebenfalls diskutabel. Unklar bleibt auch, wieso ständig irgendwelche unterwürfigen Sklaven über die Bühne kriechen. Bei Amneris erstem Auftritt befinden sich diese Sklaven zunächst sogar unter ihrem weiten Gewand. Die Solisten wirken sich relativ selbst überlassen und agieren teilweise mit riesigem Abstand voneinander. Dies stört vor allem im Schlussduett, weil Aida und Radames szenisch erst relativ spät zueinander finden.

Bild zum Vergrößern

Amonasro (Mark Rucker) beschwört seine Tochter Aida (Kristin Lewis), Radames zum Verrat zu überreden.

Zum Glück kann der Abend musikalisch umso mehr überzeugen. Paolo Arrivabeni macht mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie bei seinem Aida-Debüt eine sehr gute Figur. Äußerst filigran lotet er mit dem Orchester die zarten Seiten der Partitur aus und macht so vor allem die Ouvertüre, die bei einer Freilichtaufführung ohne technische Verstärkung ihren Glanz häufig nicht voll entfalten kann, zu einem Höhepunkt des Abends. Beim Schlussduett bekommt der Zuhörer durch das zarte Sirren der Geigen eine regelrechte Gänsehaut. Doch auch durch die bombastischen Stellen führt Arrivabeni das Orchester ohne Abstriche, was ihm das Publikum vor allem bei den berühmten Trompeten des Triumphmarsches dankt. Teilweise lässt er die Trompeten aus dem Zuschauersaal erschallen, um den Klang noch raumfüllender zu gestalten. Des Weiteren achtet er bei aller Emphase in der Musik aber auch darauf, die Solisten nicht zu überdecken. Wuchtig und homogen erklingt auch der von Marcel Seminara einstudierte Chor der Opéra Royal de Wallonie, selbst wenn er darstellerisch nicht überzeugen kann.

Bild zum Vergrößern

Gemeinsames Ende im Grab: Aida (Kristin Lewis) und Radames (Massimiliano Pisapia)

Auch die Besetzung der Hauptpartien macht den Abend zu einem Klangerlebnis. Massimiliano Pisapia lässt als Radames direkt in der von Tenören oft gefürchteten Auftrittsarie "Celeste Aida" mit strahlenden Höhen aufhorchen. Im Schlussduett verströmt er tenoralen Glanz und hat es nicht einmal ansatzweise nötig, einzelne Töne zu forcieren. Da sieht man ihm auch gerne das häufige Rampensingen nach. Mark Rucker begeistert als Amonasro mit kräftigem Bariton, der vor allem im großen Duett mit Aida im dritten Akt zur Geltung kommt, wenn er seine Tochter beschwört, Radames zum Verrat am eigenen Volk zu bewegen. Nino Surguladze stattet die Königstochter Amneris mit sattem Mezzo aus und bringt vor allem in den Tiefen ihre verzweifelte Eifersucht auf ihre Nebenbuhlerin Aida stimmgewaltig zum Ausdruck. Musikalisch und szenisch bewegend gelingt ihre große Szene im letzten Akt, wenn sie inständig hofft, dass Radames vom Gericht verschont werde. Ihre sanften "Pace"-Rufe am Ende der Oper gehen ebenfalls unter die Haut. Kristin Lewis glänzt in der Titelpartie mit einem variablen Sopran, der die Höhen wunderbar piano anlegt und in der Mittellage über ein gewaltiges Volumen verfügt. Höhepunkte ihrer Interpretation dürften zum einen ihre große Arie "O patria mia" im dritten Akt sein, wenn sie noch einmal von ihrer Heimat Äthiopien träumt, die sie nun nie mehr wiedersehen wird, zum anderen das Schlussduett mit Pisapia, in dem sie in nahezu sphärischen Höhen ihr Leben aushaucht. Das Publikum goutiert diese Leistungen mit riesigem Applaus und sieht über die mangelnde Personenregie großzügig hinweg.

FAZIT

Wer Verdis Oper einmal im Stil eines Freiluftspektakels in einem Opernhaus sehen möchte, sollte sich diese Produktion in Liège nicht entgehen lassen. Die Gegner konventioneller Inszenierungen dürften durch die hervorragende musikalische Umsetzung besänftigt werden.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung
Ivo Guerra

Einstudierung
Johannes Haider

Bühne
Giulio Achilli

Kostüme
Bruno Fatalot

Licht
Michel Theuil

Chorleitung
Marcel Seminara

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

Statisterie


Solisten

*Premierenbesetzung

Aida
*Kristin Lewis /
Isabelle Kabatu

Radames
*Massimiliano Pisapia /
Rudy Park

Amneris
*Nino Surguladze /
Anna-Maria Chiuri

Amonasro
*Mark Rucker /
Carlos Almaguer

Ramfis
Luciano Montanaro

Le Roi
Pierre Gathier /
*Roger Joakim

La Grande-Prêtresse
*Chantal Glaude /
Laura Balidemaj

Un Messager
*Giovanni Iovino /
Marcel Arpots


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -