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Musiktheater
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Serse

Dramma per musica in drei Akten, HWV 40
Libretto nach Niccolò Minato und Silvio Stampiglia
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Produktion des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt, der Händel-Festspiele Halle, der Festwochen Hannover Herrenhausen und des Festivals Bayreuther Barock

Aufführung im Bayer Kulturhaus am 21. September 2013
(Premiere der Produktion im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 6. Juni 2009)

 

 

(Homepage)

Liebesintrigen der Antike im heimischen Wohnzimmer


Von Thomas Molke / Fotos
von Ida Zenna

Auch wenn Leverkusen über kein eigenes Musiktheater-Ensemble verfügt, wird in der Bayer-Metropole in jeder Spielzeit ein umfangreiches Kulturangebot geschnürt, was vom Konzert über die Oper bis hin zum Schauspiel für jeden Geschmack etwas zu bieten hat. Als neuer Kooperationspartner konnte dafür neben der Deutschen Oper Berlin auch noch die Lautten Compagney Berlin gewonnen werden, die als erste Opernproduktion eine Inszenierung wieder aufnimmt, die im Rahmen der Händel-Festspiele vor vier Jahren im Goethe-Theater Bad Lauchstädt eine umjubelte Premiere feierte. Die Rede ist von Händels drittletzter Oper Serse, die zu Händels Zeit zwar einer der größten Misserfolge des Hallenser Komponisten war, mittlerweile aber neben Giulio Cesare in Egitto zu seinen beliebtesten und meistgespielten Werken gehört, was nicht zuletzt der berühmten Auftrittsarie der Titelfigur "Ombra mai fù" zu verdanken sein dürfte, in der Serse seine Liebe zu einer Platane besingt und die als "Largo" bereits kurz nach der Uraufführung einen Siegeszug durch Europa antrat. Auch die oft einteiligen Arien, bei denen Händel auf langatmige Da-capo-Formen verzichtet, um als Reaktion auf den Siegeszug der Beggar's Opera von Gay und Pepusch eine Erneuerung der Opera seria einzuleiten und den sinkenden Erfolg der Gattung zu stoppen, mögen zum großen Erfolg dieses unkonventionellen Werkes mit den zahlreichen parodistischen Zügen in der heutigen Zeit beitragen und zu stimmigen Aktualisierungen einladen.

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Romilda (Paula Turcas, rechts) und ihre Schwester Atalanta (Heidi Maria Taubert, links)

Die Handlung spielt im Jahr 480 v. Chr., als der persische König Xerxes (Serse) mit seinem Heer am Hellespont eine Brücke aus miteinander verbundenen Kriegsschiffen baute, um nach Griechenland überzusetzen. Das Libretto übernimmt aus der bei Herodot überlieferten Historie eigentlich nur die Episode, in der der König eine Platane wegen ihrer Schönheit mit goldenem Schmuck behängt. Ansonsten konzentriert sich die Oper auf die in der Opera seria typischen Liebesverwicklungen. Serse verliebt sich in Romilda, die Geliebte seines Bruders Arsamene. Atalanta, Romildas Schwester, hofft dadurch, Arsamene für sich zu gewinnen. Da Arsamene allerdings nicht von Romilda lassen will, schickt Serse ihn ins Exil. Amastre, Serses Braut, ist ihrem untreuen Geliebten heimlich gefolgt und hat sich als Soldat verkleidet, um unerkannt zu bleiben. Da Atalanta Serse überzeugen kann, dass Arsamene eigentlich sie und nicht Romilda liebt, beschließt Serse seinen Bruder zu begnadigen. Romildas Vater Ariodate missversteht den König, als dieser um die Hand seiner Tochter für einen Mann königlichen Geblüts anhält, und glaubt, dass Serse damit seinen Bruder meint. Folglich verheiratet er Arsamene mit Romilda. Als Serse daraufhin Romilda töten lassen will, stellt sich Amastre dazwischen, führt Serse seine Treulosigkeit vor Augen und will Rache nehmen. Doch Serse bereut sein Verhalten und bittet alle um Verzeihung.

Da die historischen Begebenheiten für das Stück eigentlich kaum eine Rolle spielen, verlegt André Bücker die Liebesverwirrungen kurzerhand in die Gegenwart und lässt das Ensemble in einem modernen Bühnenraum spielen, der mit acht großen quadratischen gepolsterten Hockern und einer Palme im Hintergrund eher an ein heimisches Wohnzimmer erinnert. Zunächst sind diese Hocker getrennt in Reih und Glied aufgestellt und werden erst zum Happy End zu einer großen Liegefläche zusammengeschoben. Erst nachdem sich die Paare - Arsamene und Romilda, Serse und Amastre und in Bückers Inszenierung auch noch Atalante und der Diener Elviro - gefunden haben, arbeitet man nicht mehr gegeneinander, sondern bildet eine große Gemeinschaft. Mitten im Raum hängt ein kreisrunder Bilderrahmen, in dem Videoprojektionen von Frank Vetter die Handlung begleiten und größtenteils recht trefflich kommentieren. Direkt zu Beginn sieht man dort Händels Konterfei, das gedreht wird, so dass der Komponist buchstäblich Kopf steht. Auch die Auseinandersetzung zwischen Serse und Arsamene mit zwei kämpfenden Hähnen im Video zu begleiten, trägt zur Belustigung bei. Wenn Serse kurz vor Ende der Oper vor Wut rast und blutige Rache fordert, hat Vetter so ziemlich alles an trashigen Horrorfilmen zusammengeschnitten, was die Raserei des Königs zum Ausdruck bringen kann. Umso friedlicher wirken dann die Bilder des Woodstock-Festival, die die Botschaft des Finales gewissermaßen mit "Make love, not war!" untermalen.

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Happy End: Romilda (Paula Turcas) darf Arsamene (im Hintergrund: Julia Böhme) heiraten (hinter Arsamene auf dem Sofa von links: Ariodate (Matthias Vieweg), Elviro (Florian Götz), Atalanta (Heidi Maria Taubert) und Serse (Susanne Kreusch)).

Bisweilen wirken diese Projektionen allerdings auch störend, da sie sich nicht immer direkt auf die jeweilige Szene übertragen lassen und von dem durch und durch spielfreudigen Ensemble ablenken. Die Solisten zeigen nämlich bei der Umsetzung der ausgeklügelten Personenregie eine so überzeugende darstellerische Präsenz, dass in dieser Inszenierung auch ohne die Projektionen keine Langeweile aufgekommen wäre. Susanne Kreusch und Julia Böhme schlüpfen absolut glaubhaft in die Hosenrollen der Titelfigur und seines Bruders. Kreusch stattet den Serse dabei mit kräftigem Mezzo und machohaftem Gehabe aus. Ein Höhepunkt ihrer Präsentation stellt neben der berühmten Auftrittsarie die Rachearie "Crude Furie degl' orridi abissi" im dritten Akt dar, wenn Serse sich von allen betrogen fühlt und die Furien herbeiruft, um sich für den Verrat zu rächen. Böhme begeistert als Arsamene mit einem weichen, wohl-timbrierten Mezzo, der die schmachtende Liebe zu Romilda mehr als deutlich macht. Im dritten Akt beweist sie allerdings in der großen Arie "Amor, tiranno Amor", wenn Arsamene die Liebe verflucht, dass sie auch härtere Töne anschlagen kann.

Luciana Mancini verfügt als Amastre über eine recht dunkle Stimme, die noch tiefer klingt als die beiden Hosenrollen, was insofern passt, da sich Amastre ja als Mann getarnt hat. Erst wenn sie sich am Ende als Serses Verlobte zu erkennen gibt, setzt sie auch ihre weiblichen Reize ein. Paula Turcas hingegen präsentiert die von allen begehrte Romilda von Anfang an als eine Art It-Girl, die ständig kokettiert. Von daher kann man zwar verstehen, dass sowohl Serse als auch Arsamene für sie entflammen, dass sie aber unter Arsamenes Verbannung derart leiden soll und sich nicht dem Herrscher zuwendet, wirkt bei diesem Regieansatz etwas unglaubwürdig. Stimmlich lässt Turcas jedoch keine Wünsche offen und stattet die allseits begehrte junge Frau mit einem leuchtenden Sopran aus. Gleiches gilt für Heidi Maria Taubert als intrigante Schwester Atalanta. Taubert überzeugt vor allem durch komödiantisches Talent, wenn sie versucht, ihre Verzweiflung im Alkohol zu ertränken. Auch lässt Bücker sie schnell einen Ersatz für Arsamene finden. Nach anfänglichem Zögern wendet sie sich einfach dem Diener Elviro zu, der von Florian Götz mit beweglichem Buffo-Bariton ausgestattet wird. Matthias Vieweg rundet das Ensemble als Ariodate mit solidem Bariton ab. Die Lautten Compagney Berlin wird unter der Leitung ihres Mitbegründers Wolfgang Katschner ihrem Ruf als renommiertes Barockensemble mehr als gerecht, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten im leider nicht ganz so gefüllten Kulturhaus gibt.

FAZIT

André Bückers Ansatz beweist, dass moderne Inszenierungen auch Spaß machen können, vor allem wenn man über ein so spielfreudiges Ensemble verfügt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfgang Katschner

Regie
André Bücker

Ausstattung
Imme Kachel

Video
Frank Vetter

 

Lautten Compagney Berlin


Solisten

Serse, König von Persien
Susanne Kreusch 

Arsamene, Serses Bruder
Julia Böhme

Amastre, Serses Braut
Luciana Mancini

Ariodate, Fürst und General des Serse
Matthias Vieweg

Romilda, Tochter Ariodates
Paula Turcas

Atalanta, Romildas Schwester
Heidi Maria Taubert

Elviro, Arsamenes Diener
Florian Götz


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