Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Liebesintrigen der Antike im heimischen Wohnzimmer
Auch wenn Leverkusen über kein eigenes Musiktheater-Ensemble verfügt, wird in
der Bayer-Metropole in jeder Spielzeit ein umfangreiches Kulturangebot
geschnürt, was vom Konzert über die Oper bis hin zum Schauspiel für jeden
Geschmack etwas zu bieten hat. Als neuer Kooperationspartner konnte dafür neben
der Deutschen Oper Berlin auch noch die Lautten Compagney Berlin gewonnen
werden, die als erste Opernproduktion eine Inszenierung wieder aufnimmt, die im
Rahmen der Händel-Festspiele vor vier Jahren im Goethe-Theater Bad
Lauchstädt eine umjubelte Premiere feierte. Die Rede ist von Händels
drittletzter Oper Serse, die zu Händels Zeit zwar einer der größten
Misserfolge des Hallenser Komponisten war, mittlerweile aber neben Giulio
Cesare in Egitto zu seinen beliebtesten und meistgespielten Werken gehört,
was nicht zuletzt
der berühmten Auftrittsarie der Titelfigur "Ombra mai fù" zu verdanken sein dürfte,
in der Serse seine Liebe zu einer Platane besingt und die als "Largo" bereits
kurz nach der Uraufführung einen Siegeszug durch Europa antrat. Auch die oft
einteiligen Arien, bei denen Händel auf langatmige Da-capo-Formen verzichtet, um
als Reaktion auf den Siegeszug der Beggar's Opera von Gay und Pepusch
eine Erneuerung der Opera seria einzuleiten und den sinkenden Erfolg der Gattung
zu stoppen, mögen zum großen Erfolg dieses unkonventionellen Werkes mit den
zahlreichen parodistischen Zügen in der heutigen Zeit beitragen und zu stimmigen
Aktualisierungen einladen.
Romilda (Paula Turcas, rechts) und ihre Schwester
Atalanta (Heidi Maria Taubert, links)
Die Handlung spielt im Jahr 480 v. Chr., als der persische König Xerxes
(Serse) mit
seinem Heer am Hellespont eine Brücke aus miteinander verbundenen Kriegsschiffen
baute, um nach Griechenland überzusetzen. Das Libretto übernimmt aus der bei Herodot
überlieferten Historie eigentlich nur die Episode, in der der König eine Platane
wegen ihrer Schönheit mit goldenem Schmuck behängt. Ansonsten konzentriert sich
die Oper auf die in der Opera seria typischen Liebesverwicklungen. Serse verliebt
sich in Romilda, die Geliebte seines Bruders Arsamene. Atalanta, Romildas
Schwester, hofft dadurch, Arsamene für sich zu gewinnen. Da Arsamene allerdings nicht
von Romilda lassen will, schickt Serse ihn ins Exil. Amastre, Serses Braut,
ist ihrem untreuen Geliebten heimlich gefolgt und hat sich als Soldat
verkleidet, um unerkannt zu bleiben. Da Atalanta Serse überzeugen kann, dass
Arsamene eigentlich sie und nicht Romilda liebt, beschließt Serse seinen
Bruder zu begnadigen. Romildas Vater Ariodate missversteht den König, als
dieser um die Hand seiner Tochter für einen Mann königlichen Geblüts anhält, und
glaubt, dass Serse damit seinen Bruder meint. Folglich verheiratet er Arsamene
mit Romilda. Als Serse daraufhin Romilda töten lassen will, stellt sich
Amastre
dazwischen, führt Serse seine Treulosigkeit vor Augen und will Rache nehmen.
Doch Serse bereut sein Verhalten und bittet alle um
Verzeihung.
Da die historischen Begebenheiten für das Stück eigentlich kaum eine Rolle
spielen, verlegt André Bücker die Liebesverwirrungen kurzerhand in die Gegenwart
und lässt das Ensemble in einem modernen Bühnenraum spielen, der mit acht großen
quadratischen gepolsterten Hockern und einer Palme im Hintergrund eher an ein
heimisches Wohnzimmer erinnert. Zunächst sind diese Hocker getrennt in Reih und
Glied aufgestellt und werden erst zum Happy End zu einer großen Liegefläche
zusammengeschoben. Erst nachdem sich die Paare - Arsamene und Romilda, Serse und
Amastre und in Bückers Inszenierung auch noch Atalante und der Diener Elviro -
gefunden haben, arbeitet man nicht mehr gegeneinander, sondern bildet eine große
Gemeinschaft. Mitten im Raum hängt ein kreisrunder Bilderrahmen, in dem
Videoprojektionen von Frank Vetter die Handlung begleiten und größtenteils recht
trefflich kommentieren. Direkt zu Beginn sieht man dort Händels Konterfei, das
gedreht wird, so dass der Komponist buchstäblich Kopf steht. Auch die
Auseinandersetzung zwischen Serse und Arsamene mit zwei kämpfenden Hähnen im
Video zu begleiten, trägt zur Belustigung bei. Wenn Serse kurz vor Ende der Oper
vor Wut rast und blutige Rache fordert, hat Vetter so ziemlich alles an
trashigen Horrorfilmen zusammengeschnitten, was die Raserei des Königs zum
Ausdruck bringen kann. Umso friedlicher wirken dann die Bilder des
Woodstock-Festival, die die Botschaft des Finales gewissermaßen mit "Make love,
not war!" untermalen.
Happy End: Romilda (Paula Turcas) darf Arsamene
(im Hintergrund: Julia Böhme) heiraten (hinter Arsamene auf dem Sofa von links:
Ariodate (Matthias Vieweg), Elviro (Florian Götz), Atalanta (Heidi Maria
Taubert) und Serse (Susanne Kreusch)).
Bisweilen wirken diese Projektionen allerdings auch störend, da sie sich nicht
immer direkt auf die jeweilige Szene übertragen lassen und von dem durch und
durch spielfreudigen Ensemble ablenken. Die Solisten zeigen nämlich bei der
Umsetzung der ausgeklügelten Personenregie eine so überzeugende darstellerische
Präsenz, dass in dieser Inszenierung auch ohne die Projektionen keine Langeweile
aufgekommen wäre. Susanne Kreusch und Julia Böhme schlüpfen absolut glaubhaft in
die Hosenrollen der Titelfigur und seines Bruders. Kreusch stattet den Serse
dabei mit kräftigem Mezzo und machohaftem Gehabe aus. Ein Höhepunkt ihrer
Präsentation stellt neben der berühmten Auftrittsarie die Rachearie "Crude Furie
degl' orridi abissi" im dritten Akt dar, wenn Serse sich von allen betrogen
fühlt und die Furien herbeiruft, um sich für den Verrat zu rächen. Böhme
begeistert als Arsamene mit einem weichen, wohl-timbrierten Mezzo, der die
schmachtende Liebe zu Romilda mehr als deutlich macht. Im dritten Akt beweist
sie allerdings in der großen Arie "Amor, tiranno Amor", wenn Arsamene die Liebe
verflucht, dass sie auch härtere Töne anschlagen kann.
Luciana Mancini verfügt als Amastre über eine recht dunkle Stimme, die noch
tiefer klingt als die beiden Hosenrollen, was insofern passt, da sich Amastre ja
als Mann getarnt hat. Erst wenn sie sich am Ende als Serses Verlobte zu erkennen
gibt, setzt sie auch ihre weiblichen Reize ein. Paula Turcas hingegen
präsentiert die von allen begehrte Romilda von Anfang an als eine Art It-Girl,
die ständig kokettiert. Von daher kann man zwar verstehen, dass sowohl Serse als
auch Arsamene für sie entflammen, dass sie aber unter Arsamenes Verbannung
derart leiden soll und sich nicht dem Herrscher zuwendet, wirkt bei diesem
Regieansatz etwas unglaubwürdig. Stimmlich lässt Turcas jedoch keine Wünsche
offen und stattet die allseits begehrte junge Frau mit einem leuchtenden Sopran
aus. Gleiches gilt für Heidi Maria Taubert als intrigante Schwester Atalanta.
Taubert überzeugt vor allem durch komödiantisches Talent, wenn sie versucht,
ihre Verzweiflung im Alkohol zu ertränken. Auch lässt Bücker sie schnell einen
Ersatz für Arsamene finden. Nach anfänglichem Zögern wendet sie sich einfach dem
Diener Elviro zu, der von Florian Götz mit beweglichem Buffo-Bariton
ausgestattet wird. Matthias Vieweg rundet das Ensemble als Ariodate mit solidem
Bariton ab. Die Lautten Compagney Berlin wird unter der Leitung ihres
Mitbegründers Wolfgang Katschner ihrem Ruf als renommiertes Barockensemble mehr
als gerecht, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten im leider
nicht ganz so gefüllten Kulturhaus gibt.
FAZIT
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung Regie
Ausstattung
Video
Lautten Compagney Berlin Solisten
Serse, König von Persien
Arsamene, Serses Bruder
Amastre, Serses Braut
Ariodate, Fürst und General des Serse
Romilda, Tochter Ariodates
Atalanta, Romildas Schwester
Elviro,
Arsamenes Diener
|
- Fine -