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Otello

Oper in vier Akten
Libretto von Arrigo Boito nach der Tragödie Othello von William Shakespeare
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (zwei Pausen)

Eine Produktion der Königlichen Oper Stockholm
Premiere der Übernahme in der Oper am Dom am 18. Mai 2014


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Oper Köln
(Homepage)

Zweifelhafte Resteverwertung

Von Thomas Tillmann / Fotos von Paul Leclaire


Es ist nichts falsch daran, erfolgreiche Produktionen anderer Häuser zu übernehmen, wenn das Geld für eigene fehlt oder wenn es lohnt, eine herausragende Sichtweise einem größeren Publikum als demjenigen vor Ort zu präsentieren. Ob Johannes Schaafs Inszenierung von Verdis Otello eine solche war, als sie 1998 in Stockholm herauskam, bleibt Spekulation. Was freilich in der Kölner "Neueinstudierung" von Eike Ecker "basierend auf einer Inszenierung" von Johannes Schaaf übrig gebleiben ist, ist nicht sehenswert, sondern ein Beispiel dafür, wie Oper 2014 nicht mehr gegeben werden sollte. Auch das Bühnenbild von Lennart Mörk musste für die Oper am Dom von Christof Cremer adaptiert werden, der auch die optisch durchaus gelungenen, aufwändigen, aus nicht plausiblen Gründen auf die Entstehungszeit der Oper hindeutenden Kostüme kreiiert hatte (ohne dass die Frage beantwortet worden wäre, warum), da gab es eine riesige Kanone, ein bisschen Bühnennebel, dramatisches Rot hinten, ein paar Säulen- und Mauernfragmente, die mal hier, mal dort platziert waren, im zweiten Akt dann im Hintergrund ein Lazarett, einen schlecht gelegten Teppich mit einem antiken Mosaik drauf, eine überdimensionale Ikone für Desdemonas Schlafzimmer - und viele schwarze Vorhänge zum Abhängen, wenig Resonanzflächen gleichzeitig, die es den Sängerinnen und Sängern etwas leichter gemacht hätten. Da wäre es vermutlich besser gewesen, auch noch auf diese lieblosen Versatzstücke zu verzichten und stattdessen die sehr suggestiven Bühnenprojektionen von Julie Monaco zu verwenden, die man ganz am Anfang des Abends und im Programmheft zu sehen bekam, diese vielleicht auch um weitere zu ergänzen und die in der Mehrheit ja darstellerisch sehr begabten Protagonisten vor ihnen agieren zu lassen.


Szenenfoto

Desdemona (Anne Schwanewilms) freut sich über die Rückkehr Otellos (José Cura).

Zwei Pausen (nach den ersten beiden Akten) plus eine auch nicht kurze Umbaupause vor dem letzten Akt trugen zudem nicht dazu bei, den Abend als kurzweilig zu empfinden. Es ist der Regie leider auch nicht gelungen, den Nebenfiguren ein eigenes Profil zu geben, und so blieben Lucas Vanzelli (Rodrigo, mit altmodischer Kamera bewaffnet, was für ein genialer Einfall), Mischa Schelomanski (als kurzfristig eingesprungener Lodovico), Lucas Singer (Montano) und Luke Stoker (Herold) noch blasser als in anderen Produktionen. Dagegen hatte man bei den drei Hauptdarstellern den Eindruck, dass sie das taten, was ihnen selber angezeigt schien, was ja nicht das Schlechteste sein muss.

José Cura ist ein packender, leidenschaftlicher Sängerdarsteller mit großer Rollenerfahrung und eben solcher Präsenz, und auch in dieser Premiere stürzte er sich ohne Schonung in die schwierige Partie, der er gesanglich wie szenisch wenig schuldig blieb, da gab es jede Menge beeindruckende, bronzene Töne von enormer Durchschlagskraft, aber auch im nächsten Moment zarte Piani, mit denen man weniger gerechnet hatte.


Szenenfoto

Iago (Samuel Youn) versucht seiner Gattin Emilia (Adriana Bastidas Gamboa) das berühmte Taschentuch zu entwenden (im Hintergrund sieht man Anne Schwanewilms als Desdemona).

Samuel Youn ist ein gefragter Sänger mit einer bemerkenswerten Vita - ein großer Sängerdarsteller ist er für mein Empfinden nicht, da wirkt alles brav einstudiert und ist letztlich tadellos, aber sein Spiel wie sein durchaus das Bemühen um Differenzierung und Gestaltung erkennen lassendes Singen, das sich wohltuend von dem manchmal zu beklagenden Geblöke von Heldenbaritonen absetzte, berühren nicht, wobei auch anzumerken ist, dass nach dem mit allzuviel Kraft gestemmten Credo bereits hörbare Gebrauchsspuren den Klang der Stimme erheblich beeinträchtigten.


Szenenfoto

Iago (Samuel Youn) steuert Otello (José Cura).

Anne Schwanewilms' Desdemona ist kein junges Mädchen mehr, sondern eine liebende Frau in den besten Jahren. Ihr zwar engagiertes, aber doch auch sehr manieriertes, operettenhaftes Agieren und der übermäßige Einsatz der Hände mag für den einen oder die andere enervierend oder altmodisch gewesen sein, aber in den entscheidenden Momenten wusste sie durchaus zu berühren. Dies gilt noch mehr für ihre musikalische Leistung, auch wenn ihr sehr "gerader", vibratoarmer, instrumental geführter, schlanker, in der Höhe leuchtender Sopran sicherlich Geschmackssache ist. Es ist jedenfalls kaum zu bezweifeln, dass sie die Partie des Desdemona trotz all der Wagner- und Strausspartien immer noch sehr gut bewältigt (wie auch in dem Mitschnitt unter Sir Colin Davis aus London, der auf CD erschienen ist) und vor allem eine Lehrstunde in vollendetem Pianogesang lieferte, auch wenn einige wenige Töne durchaus die harte Arbeit erahnen ließen und ihr im Ave Maria ein merkwürdiger Patzer passierte.


Szenenfoto

Otello (José Cura) hat Desdemona (Anne Schwanewilms) ermordet.

Xavier Moreno war bei seinem Rollendebüt ein elegant phrasierender Cassio, Adriana Bastidas Gamboa eine resolute, sympathische Emilia, die im vierten Akt vokal freilich bereits an Grenzen kam und wohl noch mehr Erfahrung braucht. Zurecht gefeiert wurden auch die kraftvoll auftrumpfenden, brav aufgestellten und damit szenisch nicht sehr geforderten Damen und Herren von Chor und Extrachor, die Andrew Ollivant glänzend vorbereitet hatte.

Will Humburg, der ab der nächsten Spielzeit das Amt des Generalmusikdirektors am Staatstheater Darmstadt übernehmen wird, gehört für mich zu den besten Verdiinterpreten unserer Zeit. Wie sorgfältig und konzentriert er musikalische Details herausarbeitete, wie aufmerksam er die Sänger führte und begleitete, wie er mit nie nachlassender Energie die größte Spannung aus dem Graben entfachte, ohne je reißerisch zu werden, und alle Mitwirkenden zu Höchstleistungen antrieb, das rechtfertigte die "Bravo, Maestro"-Rufe bereits vor dem zweiten Akt allemal.


FAZIT

Trotz der beschriebenen bemerkenswerten Einzelleistungen und des herausragenden Dirigats von Will Humburg bleibt dieser Otello wegen der mehr als schwachen szenischen Seite nicht als großer Abend in Erinnerung, nicht zuletzt auch wegen der nach wie vor nicht optimalen Akustik im Interimsquartier der Oper. Bleibt festzuhalten, dass im Anschluss an den als "Festival der schönen Stimmen" deklarierten Abend der Offenbachpreis 2014 an die nordirische Sopranistin Aoife Miskelly verliehen wurde, die ab der nächsten Spielzeit vom Opernstudio ins feste Ensemble wechselt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Will Humburg

Neueinstudierung
Eike Ecker

basierend auf einer
Inszenierung von
Johannes Schaaf

Bühne
Lennart Mörk

adaptiert für die Oper am Dom von
Christof Cremer

Kostüme
Christof Cremer

Licht
Nicol Hungsberg

Chor
Andrew Ollivant


Chor und Extrachor der Oper Köln
Mädchenchor am Köner Dom
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Otello
José Cura

Iago
Samuel Youn

Cassio
Xavier Moreno

Rodrigo
Lucas Vanzelli

Lodovico
Mischa Schelomanski

Montano
Lucas Singer

Ein Herold
Luke Stoker

Desdemona
Anne Schwanewilms

Emilia
Adriana Bastidas Gamboa



Weitere
Informationen

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Oper Köln
(Homepage)



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