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Musiktheater
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I due Foscari

Tragedia lirica in drei Akten
Text von Francesco Maria Piave nach der historischen Tragödie The two Foscari von Lord Byron
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 27. Oktober 2013
(rezensierte Aufführung: B-Premiere am 30.10.2013)

 

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Hamburgische Staatsoper
(Homepage)

Betörende Musik in aussichtsloser Geschichte

Von Thomas Molke / Fotos von Bernd Uhlig

Nachdem vor einer Woche an der Staatsoper Hamburg Verdis einzige wirkliche Risorgimento-Oper La Battaglia di Legnano im Rahmen einer Trilogie des "frühen" Verdi Premiere gefeiert hat (siehe auch unsere Rezension), ist nun vom gleichen Regie-Team Verdis fünf Jahre zuvor komponiertes Werk zu erleben, das im Gegensatz zur ersten und dritten Produktion dieser Trias, die sich mit La Battaglia di Legnano und I Lombardi alla prima Cruciata durch gewaltige Chor-Tableaus auszeichnen, eher ein düsteres Kammerspiel darstellt. Nach Verdis durchschlagendem Erfolg mit Nabucco 1942 und den in diesem Stil gehaltenen Lombardi ein Jahr später, wollte er bei seinem ersten Kompositionsauftrag für das renommierte Teatro La Fenice in Venedig neue Wege gehen und hatte mit der Geschichte um den berühmten Dogen Francesco Foscari, der über 30 Jahre die Macht in der Lagunenstadt ausgeübt hatte und dessen Bild auch heute noch zusammen mit dem berühmten Löwen die Porta della carta zwischen Dogenpalast und Markusdom ziert, ein speziell für Venedig passendes Sujet ausgewählt. Doch die Zensur in Venedig verhinderte mit Blick auf die Nachkommen der in der Oper angeblich verunglimpften Gegner des Dogen eine Aufführung, so dass Verdi in Venedig mit Ernani debütierte und I due Foscari erst ein Jahr später in Rom zur Uraufführung gelangte. Bis in die 1870er Jahre hielt sich das Werk mit relativem Erfolg auf den Spielplänen in Europa, bis es, das Schicksal der meisten Frühwerke Verdis teilend, in Vergessenheit geriet und heute sehr selten zur Aufführung gelangt.

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Lucrezia (Amarilli Nizza) bangt um ihren Ehemann Jacopo.

Das Stück basiert auf der 1821 von Lord Byron verfassten gleichnamigen historischen Tragödie und spielt im Jahr 1457 in Venedig während der letzten Tage der Amtszeit des Dogen Francesco Foscari. Der Doge muss hilflos mit ansehen, wie die Mitglieder des mächtigen Rates der Zehn und des Senats über das Schicksal seines Sohnes Jacopo beraten, der beschuldigt wird, einen politischen Gegner der Foscari ermordet zu haben, nachdem er unerlaubt aus der Verbannung, in die er durch eine von Loredano angezettelte Intrige geschickt worden war, nach Venedig zurückgekehrt war. Loredano hat mit den Foscari noch eine Rechnung zu begleichen, da er der festen Überzeugung ist, dass der Doge vor etlichen Jahren seinen Vater und Onkel vergiften ließ. Daher macht er seinen Einfluss geltend, um an Francesco und seinem Sohn Rache zu nehmen. Während Jacopos Ehefrau Lucrezia wie eine Löwin darum kämpft, die Unschuld ihres Mannes zu beweisen, beruft sich Francesco auf die Einhaltung der Gesetze, gegen die er selbst als Doge machtlos ist. So muss er erleben, dass sein Sohn erneut in die Verbannung nach Kreta geschickt wird. Als Francesco die Nachricht erreicht, dass der wahre Mörder seines politischen Gegners gefasst worden sei, ist es für Jacopo bereits zu spät, da er kurz nach dem Verlassen Venedigs an gebrochenem Herzen gestorben ist. Loredano hat mittlerweile beim Rat der Zehn durchgesetzt, dass Francesco als Doge aus Altersgründen sein Amt niederlegen muss. Als die große Glocke von San Marco die Ernennung des neuen Dogen verkündet, bricht Francesco tot zusammen.

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Francesco (Andrzej Dobber) sinniert über seine Machtlosigkeit als Doge.

Wie bereits in La Battaglia di Legnano hat David Alden den Chor in seiner Inszenierung von I due Foscari ebenfalls nicht in das Spiel mit einbezogen, sondern lässt ihn in allen drei Akten von einer Empore singen, die jeweils aus dem Schnürboden herabgelassen wird und das historisierende Mauerwerk, das im Bühnenbild von Charles Edwards auf der linken Seite angedeutet wird, fortsetzt. Anders als in La Battaglia geht der Ansatz allerdings auf, da der Senat und die Mitglieder des mächtigen Rates somit unerreichbar über der Szene thronen und die Handlungsunfähigkeit des Dogen plausibel machen. Besonders makaber wird die Szene, wenn Francesco sich in seinem aufwendigen Dogen-Kostüm im zweiten Akt auf die Empore inmitten des Chors setzen und den Urteilsspruch über seinen Sohn vernehmen muss, Dann kann er auch seinen väterlichen Gefühlen keinen freien Lauf mehr lassen, die in der Kerkerszene im ersten Bild des zweiten Aktes durchaus zum Vorschein kamen. Warum der Chor aber wie in La Battaglia die Partie nahezu konzertant vom Blatt absingen muss, bleibt nicht nachvollziehbar. Da nützt es auch nichts, einen Vergleich mit der Funktion des Chors in der griechischen Antike zu bemühen. Schließlich zeigt der Ansatz im dritten Akt, wenn der Chor mit Luftballons, bunten Bändern und Hüten die anstehende Regatta vorbereitet, dass es auch anders geht. An dieser Stelle wird nämlich auf die Textbücher verzichtet.

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Jacopo (Giuseppe Filianoti) erwartet im Kerker das Urteil.

Unterhalb der Empore lässt Alden die drei Protagonisten isoliert agieren, was ihre Hilflosigkeit in den Mühlen der Justiz unterstreicht. Im ersten Akt hat Edwards hier leicht verschiebbare Bühnenwände konzipiert, in denen Jacopo, Lucrezia und Francesco in den einzelnen Bildern des ersten Aktes recht verloren wirken, wobei Loredano wie ein düsterer Schatten immer wieder in der Szene auftaucht. Ziyan Atfeh begeistert hier als Loredano mit eindringlichem Spiel, wenn er scheinbar ungeduldig darauf wartet, dass seine Rache endlich zum Ziel kommt. Für die Kerkerszene im zweiten Akt ist der Bühnenboden herabgelassen, so dass Jacopo sich hierbei noch tiefer im Abgrund zu befinden scheint. Eine hohe Treppe im Hintergrund führt vor einer kahlen Wand in die Tiefe und macht deutlich, dass sich auch Lucrezia und Francesco in diesen Abgrund bewegen. Wenn Jacopo im dritten Akt das Schiff in die Verbannung besteigt, öffnet sich die Rückwand und gibt einen Blick auf eine unruhige See frei. So geht Jacopo nach seiner großen Arie im dritten Akt gewissermaßen direkt ins Wasser. Welche Funktion im Verlauf des Stückes die Komparsen erfüllen, die bedrohlich über die Bühne schreiten, erschließt sich nicht durchgängig. Unklar bleibt beispielsweise, wieso sie über Lucrezias Vertraute Pisana herfallen müssen. Wenn sie hingegen am Ende Francescos Mantel und Mütze rauben, wird die Brutalität, mit der der Doge aus dem Amt gedrängt wird, eindringlich dargestellt.

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Loredano (Ziyan Atfeh, links) triumphiert, weil Jacopo (Giuseppe Filianoti, rechts) erneut in die Verbannung muss.

Mag auch Verdi persönlich, wie er in späteren Briefen bekennt, mit der Dramaturgie des Stückes nicht ganz glücklich gewesen sein, eilt das Werk musikalisch von einer Glanznummer zur nächsten. Zu nennen sind hier zunächst die Motive, mit denen die drei Hauptcharaktere gewissermaßen leitmotivisch gezeichnet werden. Mit absoluter Präzision arbeitet Simone Young mit den Hamburger Philharmonikern sowohl das melancholische Klarinetten-Solo, das Jacopos Trauer einfängt, als auch das Flötenthema, das die bedingungslose Liebe Lucrezias und ihren Kampf um ihren Mann zum Ausdruck bringt, differenziert heraus. In den Cello-Klängen mit den Bratschen, die die Gefühlswelt Francescos beschreiben, lassen sich bereits Anklänge an Philipp II. aus Don Carlo heraushören. Begleitet werden diese Motive von einer Fülle an anspruchsvollen Arien, für die die Staatsoper herausragende Solisten verpflichtet hat. Da ist zunächst Amarilli Nizza zu nennen, die die Lucrezia mit einer samtigen Mittellage ausstattet, aus der heraus sie sauber angesetzte, hochdramatische Spitzentöne entwickelt, was beim Publikum Begeisterungsstürme hervorruft. Gleiches gilt für Giuseppe Filianoti, der sich bereits in seiner Auftrittsarie mit scheinbarer Leichtigkeit in schwindelerregende Höhen emporschraubt, ohne dabei zu forcieren. Auch Andrzej Dobber lässt in der Partie des Francesco keine Wünsche offen und glänzt mit grandiosem Bariton, der sowohl über markante Tiefen verfügt, als auch in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Mit diesen Leistungen punkten die drei Solisten nicht nur in ihren Arien, sondern lösen auch in den eindringlich gestalteten Duetten und Terzetten frenetischen Applaus im Publikum aus, so dass man über etwaige dramaturgische Schwächen des Stückes gerne hinwegsieht.

FAZIT

I due Foscari mag inhaltlich nicht zu Verdis besten Werken zählen, musikalisch verdient es allerdings wesentlich mehr Aufmerksamkeit, als der Oper bis jetzt im Repertoire geschenkt wird. Von daher ist der Versuch der Hamburger Staatsoper, dieses Stück von seinem Schattendasein zu befreien, absolut lobenswert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simone Young

Inszenierung
David Alden

Bühnenbild
Charles Edwards

Kostüme
Brigitte Reiffenstuel

Licht

Adam Silverman

Choreographie
Maxine Braham

Chor

Eberhard Friedrich

 

Philharmoniker Hamburg

Chor und Komparserie
der Staatsoper Hamburg

 

Solisten

Francesco Foscari
Andrzej Dobber

Jacopo Foscari
Giuseppe Filianoti

Lucrezia Contarini
Amarilli Nizza

Jacopo Loredano
Ziyan Atfeh

Barbarigo
Dovlet Nurgeldiyev

Pisana
Maria Markina

Fante del Consiglio
Sergiu Saplacan

Servo del Doge
Michael Kunze


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Hamburgischen Staatsoper
(Homepage)





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