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Musiktheater
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On the Town

Musical Comedy in zwei Akten
Libretto von Betty Comden, Adolph Green und Leonard Bernstein
Songs in englischer Sprache, deutsche Dialoge
Musik von Leonard Bernstein

in deutscher und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 1. Februar 2014

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

New York als Stadt aus Kisten

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu


13 Jahre bevor Leonard Bernstein mit der West Side Story einen Welterfolg komponierte, der auch heute noch zum Standardrepertoire der Bühnen zählt, gelang dem damals 26-jährigen mit seinem ersten Musical On the Town, einer musikalischen Liebeserklärung an die Metropole New York, ein großer Erfolg am Broadway, der die Theaterszene durch zahlreiche musikalische Neuerungen - erwähnt seien an dieser Stelle die groß angelegten Tanzsequenzen, die weit über eine in sich abgeschlossene Show-Einlage hinausgehen und vielmehr das Gefühlsleben der Protagonisten reflektieren - bereicherte. Bernsteins Idee, die im Musical aus potentiellen Hits zusammengestellte Ouvertüre durch eine Introduktion in Form eines szenischen Songs zu ersetzen, konnte bei der Uraufführung noch nicht umgesetzt werden. So wurde die Uraufführung der eigentlichen Intention Bernsteins nur bedingt gerecht. In Gelsenkirchen präsentiert man nun dieses relativ selten aufgeführte Musical in der ursprünglichen vom Komponisten intendierten Fassung und knüpft damit an eine Tradition an, die das MiR unter der Intendanz von Peter Theiler zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit großartig inszenierten Werken von Gershwin, Porter und Bernstein zu einer "Musical-Hochburg im Revier" gemacht hat.

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24 Stunden Landausgang: Gabey (Piotr Prochera, links), Chip (Michael Dahmen, Mitte) und Ozzie (E. Mark Murphy, rechts) freuen sich auf New York (im Hintergrund: Nikolai Miassojedov als Vorarbeiter).

Die Handlung berichtet von den Abenteuern der drei Matrosen Chip, Ozzie und Gabey während ihres Landgangs in New York im Jahr 1944, bevor sie mit der Marine in den Krieg ziehen müssen. Gabey verliebt sich in der U-Bahn in die auf einem Plakat abgebildete "Miss U-Bahn des Monats", Ivy Smith, und will seinen Landurlaub nutzen, dieses Mädchen zu finden. Die Freunde wollen ihn dabei unterstützen und teilen sich auf, um Ivy Smith zu finden. Dabei gerät Chip an die resolute Taxifahrerin Hildy, die ihn direkt mit nach Hause nimmt, und Chip lernt im Naturkundemuseum die Anthropologin Claire kennen, die zwar vorgibt, an ihm nur aus wissenschaftlichen Gründen interessiert zu sein, in Wirklichkeit sich zu ihm jedoch wesentlich stärker hingezogen fühlt als zu ihrem verständnisvollen um Jahre älteren Verlobten Pitkin. Gabey gelingt es wirklich, Ivy Smith zu finden und verabredet sich mit ihr am Times Square, wo er erneut auf seine Freunde treffen will. Doch Ivy kann nicht zum Treffpunkt kommen, da sie als Bauchtänzerin im Vergnügungsviertel Coney Island arbeiten muss. Die drei Freunde ziehen nun mit Hildy und Claire durch diverse Nachtclubs, wobei ihnen bereits wegen diverser Delikte die Polizei dicht auf den Fersen ist. Als sie Ivy endlich finden, währt die Wiedersehensfreude nur kurz. Die drei Matrosen werden der Navy-Aufsicht übergeben. Doch Pitkin, der die drei Frauen selbst in Gewahrsam genommen hat, hat erneut ein Einsehen und ermöglicht den Frauen, von ihren Freunden am nächsten Morgen Abschied zu nehmen, während drei neue Matrosen an Land kommen.

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"Lonely Town": Gabey (Piotr Prochera, rechts oben) träumt von "Miss U-Bahn des Monats" (Pas de deux (Francesca Berruto und Valentin Juteau)).

Das Bühnenbild von Jürgen Kirner besteht aus zahlreichen unterschiedlich hohen Kisten, die unter Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenwechsel ermöglichen. So glaubt man zu Beginn, darin die Skyline von New York zu erkennen, wenn ein großer Vollmond im Bühnenhintergrund sie durch einen weißen Vorhang hindurchschimmern lässt. Durch Öffnung dieser Kisten wechselt man schnell von einer Straße New Yorks in Hildys kleines Apartment, das sie sich mit ihrer Freundin Lucy teilt, in die Carnegie Hall, wo Ivy Smith ihren Gesangsunterricht bei Miss Dilly nimmt, oder auch ins Naturkundemuseum, wenn aus der größten Kiste das Skelett eines Tyrannosaurus Rex erscheint. Durch die Nummern, die auf diesen Kisten angebracht sind, wirken sie auch wie Container, die im Hafen von New York auf ihre Verladung auf ein Frachtschiff warten. Einer Kiste entsteigen auch zu Beginn die drei Matrosen Gabey, Chip und Ozzie, um in New York für 24 Stunden ihr Glück zu suchen. Während am Ende des Stückes allerdings auch die drei neuen Matrosen dieser Kiste entsteigen, bleiben Gabey, Chip und Ozzie mit ihren drei Mädchen auf der Bühne stehen. Soll hier vielleicht angedeutet werden, dass sie nicht wirklich voneinander Abschied nehmen?

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Hildy (Judith Jakob) hat Gefallen an dem Matrosen Chip (Michael Dahmen) gefunden und bringt in mit ihrem Taxi direkt in ihre Wohnung,

Die Tanzeinlagen dienen nicht als bloße Show-Einlagen, so dass auch das Ballett im Revier nicht nur als Dekorations-Element in dieses Stück integriert wird. Ballettchefin Bridget Breiner entwirft mit ihren Tänzerinnen und Tänzern stimmige Tableaus, die sowohl das quirlige Treiben auf Coney Island als auch Gabeys Gefühle auf der Suche nach seiner Traumfrau einfangen. Während sich Gabey im ersten Akt in "Lonely Town" über den Dächern (Kisten) der Stadt nach einem Treffen mit seiner Traumfrau sehnt, präsentieren Francesca Berruto und Valentin Juteau ein inniges Pas de deux, das Gabeys Sehnsucht wunderbar einfängt. Berührend gelingt auch Gabeys Traum im zweiten Akt, wenn Junior Demitre als Gabeys Alter Ego auf Aidan Gibson als Ivy trifft, die ihm immer wieder von einer Masse von Tänzerinnen und Tänzern in langen weißen Kostümen geraubt wird. Die weißen Pelze an den Kostümen mögen dabei für Gabeys Vermutung stehen, dass er aus finanzieller Sicht nicht gut genug für Ivy sei. Zu diesem Zeitpunkt weiß er ja noch nicht, dass sie Bauchtänzerin im Vergnügungsviertel Coney Island ist. Aidan Gibson setzt die bewunderte Frau, die dem Matrosen immer wieder entschwindet, mit schwebenden Bewegungen um. Junior Demitre macht den Kampf um die geliebte Frau mit großartigem Ausdruckstanz regelrecht spürbar. Im Kontrast zu diesen melancholischen Nummern stehen artistische Einlagen von Joseph Bunn, der als Clown im Vergnügungsviertel auftritt und der "Zickenkrieg der Ballerinen", den Maiko Arai und Ayako Kikuchi mit herrlichem, wenn auch unverständlichem, Geschrei umsetzen.

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Gerührt signiert Ivy Smith (Julia Schukowski) für Gabey (Piotr Prochera) das Plakat mit ihrem Bild.

Die Gesangspartien sind größtenteils mit Ensemble-Mitgliedern besetzt, die nicht nur stimmlich und darstellerisch, sondern auch tänzerisch überzeugen. E. Mark Murphy, der seine tänzerischen Qualitäten in Gelsenkirchen zur Zeit auch als Conférencier in Cabaret unter Beweis stellen kann, glänzt als Womanizer Ozzie, der keinerlei Probleme hat, dem Richter Pitkin seine Verlobte Claire auszuspannen. Mit herrlicher Ironie präsentiert er mit Dorin Rahardja als Claire, die nur allzu gerne mit dem feschen Matrosen ihren viel zu alten Verlobten Pitkin vergisst, den Song "Carried Away", in dem beide bekräftigen, dass sie sich nicht ihrer Gefühle füreinander erwehren können. Man könnte mit Pitkin schon fast Mitleid haben, wenn Joachim Gabriel Maaß ihn nicht so wunderbar schräg interpretieren würde, dass man schon fast für Claires Verhalten Verständnis entwickeln muss. Maaß ist auch der einzige, der seinen Song "I Understand" in deutscher Übersetzung präsentiert. Damit wird noch deutlicher, dass er mit der jungen Generation nichts gemein hat. Zum Glück bleibt ihm ja Lucy (hervorragend gespielt von Birgit Brusselmans), die ihm sicherlich mehr Verständnis entgegenbringen wird als seine Verlobte.

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"Ya Got Me": Im Nachtlokal trösten Chip (Michael Dahmen, Mitte vorne), Ozzie (E. Mark Murphy, rechts), Hildy (Judith Jakob, links) und Claire (Dorin Rahardja, rechts) ihren Freund Gabey (Piotr Prochera, Mitte oben) darüber hinweg, dass Ivy Smith ihn versetzt hat (rechts und links: Damen und Herren des Chors).

Auch Michael Dahmen und Judith Jakob geben als Chip und Hildy ein wunderbares Paar ab. Dahmen mimt den an Kultur interessierten Matrosen, der zunächst mehr an den Sehenswürdigkeiten als am weiblichen Geschlecht interessiert ist, mit herrlicher Naivität, lässt sich aber anschließend doch sehr gerne von der resoluten Taxifahrerin Hildy verführen. Jakob ist ein regelrechtes Energiebündel und begeistert im Zusammenspiel mit Dahmen mit herrlichen Slapstickeinlagen bei ihrer gemeinsamen Taxifahrt zu dem Song "Come Up to My Place", die in Hildys Apartment endet, und in ihrem wunderbaren Duett "I Can Cook Too", das dann das Rendezvous auf Hildys Sofa perfekt macht. Auch das Quartett "Ya Got Me", mit dem Chip, Ozzie, Hildy und Claire ihren Freund Gabey im zweiten Akt aufheitern wollen, wird von Jakob, Dahmen, Murphy und Rahardja schwungvoll umgesetzt. Dass Piotr Prochera als Gabey und Julia Schukowski als Ivy Smith dagegen ein bisschen blass bleiben, ist wohl eher ihren Rollen geschuldet, die szenisch nicht so viel bieten wie die beiden anderen Paare. Bei "Gabey's Coming" im ersten Akt macht Prochera als Gabey nämlich deutlich, dass er mehr Feuer besitzt, als er im weiteren Verlauf des Stückes zeigen darf.

Die kleineren Rollen sind ebenfalls gut besetzt. Noriko Ogawa-Yatake mimt als Miss Dilly eine in die Jahre gekommene alte Diva, die ihren Trost nur noch im Alkohol findet. Da rührt es schon an, wenn sie ganz am Ende wohl ihre Liebe doch noch in dem Vorarbeiter (Nikolai Miassojedov) findet, dessen Chef nur eine passende Gelegenheit sucht, um ihn endlich durch einen jüngeren Mitarbeiter ersetzen zu können. Auch einzelne Chormitglieder haben die Möglichkeit, sich solistisch zu präsentieren. Zu nennen ist hier Patricia Pallmer, die im ersten Akt ihrer Freundin in mehreren kurzen Sequenzen von den unsittlichen Anträgen ihres Chefs erzählt, denen sie dann schlussendlich doch erliegt. Auch Sabina Detmer, die als alte Dame von Beginn des Stückes an mit einem Polizisten hinter den Matrosen herjagt, beweist komödiantisches Talent. Die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Rasmus Baumann arbeitet den jazzigen Ton der Partitur sorgfältig heraus und rundet den Abend hervorragend ab, so dass es am Ende großen Applaus und Jubel für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Musicalfreunde und diejenigen, die es werden wollen, sollten sich dieses spritzig inszenierte Musical in Gelsenkirchen nicht entgehen lassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Carsten Kirchmeier

Choreographie
Bridget Breiner

Bühne
Jürgen Kirner

Kostüme
Renée Listerdal

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Ulla Theißen

 

Ballett im Revier

Opernchor und Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Gabey
Piotr Prochera

Chip
Michael Dahmen

Ozzie
E. Mark Murphy

Ivy Smith
Julia Schukowki

Hildy
J
udith Jakob

Claire
Dorin Rahardja

Madame Dilly
*Noriko Ogawa-Yatake /
Christa Platzer

Pitkin
Joachim G. Maaß

Conférencier
Vasilios Manis

Der Star von Morgen
Betty Garcés

Vorarbeiter
Nikolai Miassojedov

Chef
Rüdiger Klimm

Arbeiterquartett
Jan Ciesielski
Bernd Frings
Beyong Il Yun
Jerzy Kwika

3 neue Matrosen
Fabio Boccalatte
Apostolos Kanaris
Matthias Koziorowski

Flossie
Patricia Palmer

Flossies Freundin
Halina Kempa

Lucy
Birgit Brusselmans

Alte Dame
Sabina Detmer

Polizist
Sergey Fomenko

Mr. Uperman
Georg Hansen

Figment
Oliver Aigner

Lonely Town Pas de deux
Francesca Berruto
Valentin Juteau

Traum Pas de deux
Aidan Gibson
Junior Demitre

Tänzerinnen
Maiko Arai
Francesca Berruto
Nora Brown
Rita Duclos
Aidan Gibson
Ayako Kikuchi

Tänzer
Fabio Boccalatte
Joseph Bunn
Ordep Rodriquez Chacon
Petar Djorcevski
Valentin Juteau
Hugo Mercier

Arbeiter
Clemens Becker
Gregor Perlik
Alexander Poetsch

Matrosen, Kellner, Verkäufer,
Passanten
Monika Hüttche
Baycan Sarcan
Matthias Günzel
Dennis Köster

Passanten, Clubgäste
Damen und Herren des
Opernchores


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