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Peppiges Barockspektakel mit großen Stimmen
Von Thomas Molke / Fotos von Wolfgang Runkel
Alcina (Daniela Pini) will sich neuen Eroberungen
zuwenden. Da ist Astolfo (Björn Bürger) nur noch für die Hausarbeit zu
gebrauchen.
Alcina (Daniela Pini) verführt Ruggiero (Lawrence Zazzo).
Orlando (Delphine Galou) rast,
und Alcinas (Daniela Pini) Zauberreich geht unter. Die Raserei wird von Bösch
mit großem Spektakel auf der Bühne in Szene gesetzt, wobei sich der Wahn nicht
nur auf die Titelfigur beschränkt. So dürfen
auch andere Figuren jede Menge Crash-Glas auf der Bühne zerschlagen, und Astolfo,
der zu Beginn noch damit beschäftigt ist, die Scherben zu beseitigen,
überschüttet
am Ende sogar die ganze Bühne mit Benzin, um das Zauberreich der von
ihm einst geliebten Zauberin zu zerstören. Bradamante schießt mit einer Waffe
wild um sich, wenn sie ihren Mann Ruggiero aus den Fängen Alcinas befreien will,
und Orlando selbst darf vor der Pause schon einmal alle anderen Figuren mit
einem Laser-Schwert abstechen, bevor sich dann, wenn der Vorhang fällt, alle
wieder erheben. Bösch betont, dass es sich hierbei größtenteils um Wahnvorstellungen
Orlandos handelt, der dann im zweiten Teil ab einem bestimmten Zeitpunkt die
Bühne auch nicht mehr verlässt, sondern das Geschehen beobachtet. Ob der
Vollmond, der im Hintergrund bei Orlandos Raserei erscheint, eine Anspielung auf Ariosto sein soll, in dessen Roman Orlandos Verstand auf den Mond geflogen ist,
von wo ihn Astolfo zurückholen muss, kann nur gemutmaßt werden.
Musikalisch bewegt sich die Vorstellung auf hohem Niveau, wobei drei Sängerinnen
aus der Premierenbesetzung von 2010 zu erleben sind. Daniela Pini stattet die
Partie der Zauberin Alcina mit verführerischem Mezzo aus, der in der Mittellage
samtweich klingt und nachvollziehbar macht, wie diese Zauberin mit ihrer Stimme
die Männer betört. In den Spitzentönen macht sie allerdings auch deutlich, dass
mit dieser Zauberin nicht zu spaßen ist. Großartig gelingt ihre Arie "Così
potessi anch'io", in der sie bei der Hochzeit von Angelica und Medoro um den
verlorenen Ruggiero trauert und ihn in ihren Gedanken hinter einem leicht
durchschimmernden dunklen Vorhang sieht. Bewegend setzt Pini dabei auch die
Verwandlung der Zauberin in eine alte Frau um, deren Zauberkraft immer mehr
schwindet. Paula Murrihy verleiht Medoro mit ihrem
weichen Mezzo recht leidende Züge, so dass Angelica sich eventuell die Frage
stellen könnte, ob dieser Mann wirklich ihre Liebe verdient. Katharina Magiera
gefällt als Bradamante mit einem satten Alt, der die Entschlossenheit dieser
jungen Frau glaubhaft zum Ausdruck bringt. Dass sie in der Beziehung "die Hosen
anhat", wird deutlich, bevor sie die mittlerweile
schon kraftlose Alcina als vermeintlicher Aldarico verführen will. Nachdem sie
zunächst mit einer Kittelschürze ihrem Mann Ruggiero, der die ganze Zeit einen
Kinderwagen schiebt, ein Baby nach dem nächsten zugeworfen hat, bindet sie ihm
schließlich die Schürze um und vertauscht damit auch das Rollenverhalten in
dieser Beziehung.
Für die Titelpartie ist Delphine Galou verpflichtet worden, die zwar an diesem
Abend als leicht indisponiert angesagt wird, sich stimmlich und darstellerisch
allerdings keine Schwäche anmerken lässt. Mit spielerischer Leichtigkeit
gelingen ihr die schnellen Koloraturen, und in ihrem Spiel präsentiert sie sich
nicht nur in der Mimik und Gestik absolut viril, sondern kostet auch die
komischen Momente ihrer Raserei mit großer Spielfreude aus, wenn sie im ersten
Teil die einzelnen Figuren nahezu versehentlich absticht und im zweiten Teil dem
Orchester in ihren Wahnsinnsszenen sehr deutlich macht, wann sie welchen Einsatz
beziehungsweise welche Melodie erwartet. Lawrence Zazzo überzeugt als Ruggiero
mit beweglichem Countertenor und lässt vor allem seine große Arie "Sol da te,
mio dolce amore", wenn er zur virtuosen Begleitung der Querflöte seine Gefühle
für Alcina besingt, zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends werden. Björn
Bürger begeistert als Astolfo mit kräftigem Bariton und trumpft szenisch richtig auf,
wenn er Alcinas Demütigungen nicht länger ertragen kann und selbst die Insel
zerstören will, auch wenn er sich dabei selbst mehr Leid zufügt und zum
Schlussgesang bandagiert im Rollstuhl auf die Bühne fährt. Kateryna Kasper stattet Angelica mit einem mädchenhaften Sopran aus, und das
Frankfurter Opern- und Museumsorchester rundet unter der Leitung von Felice
Venanzoni diesen Barockabend differenziert ausgelotet ab, so dass es am Ende
lang anhaltenden und begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt. FAZIT
Für Barock-Fans und solche, die es werden wollen, hat diese bunte Inszenierung
auch nach vier Jahren nichts an Frische eingebüßt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Regie Szenische Leitung der Wiederaufnahme Bühnenbild Kostüme
Licht
Dramaturgie
Frankfurter Opern- und Solisten*rezensierte Aufführung Orlando
Alcina
Angelica
Ruggiero
Medoro
Bradamante Astolfo
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E-Mail: oper@omm.de