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Oedipe

Lyrische Tragödie
Text von Edmond Fleg,
Deutsche Übersetzung: Henry Arnold
Musik von George Enescu


In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 8. Dezember 2013

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Oper Frankfurt
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Blind im Labyrinth der Erkenntnis

Von Joachim Lange / Fotos von Monika Rittershaus

Zum Glück für das neugierige Opernvolk gehen der Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein des Frankfurter Opern-Intendanten Bernd Loebe weiter als bis zum demonstrativ ausgestellten Verweis auf einen neuen, britischen Opera Award für sein Haus, während der heimische Titel "Opernhaus des Jahres" die Komische Oper in Berlin ziert. Tatsächlich riskiert er in seinem Programm auch immer mal wieder Ungewohntes. So wie jetzt George Enescus Oedipe mit Hans Neuenfels (72) als Regisseur. Der Regie-Veteranen hatte hier 1981 mit seiner Putzfrauen-Aida nicht nur seinen Ruf als Polarisierer und Lieblingsfeind aller Regietheatergegner begründet. Quasi als inhaltliche Vorbereitung war in Frankfurt vor zwei Jahren auch seine Basler Penthesilea von Othmar Schoeck zu sehen, die mit der Dresdner Inszenierung von Günter Krämer eine hochinteressante Doppel-Ausgrabung für dieses Werk bildete.

Vergrößerung in neuem Fenster Oedipe und der blinde Seher

In der einzigen, 1936 in Paris uraufgeführten Oper des vor allem als Geigenvirtuose und Musikpädagoge berühmten Rumänen George Enescu (1881-1955) geht es um den Königssohn, dessen Geburt von dem Orakelspruch verdüstert wird, dass er seinen Vater umbringen und seine Mutter heiraten werde. Es kommt, wie es in der griechischen Tragödie und in dem darauf basierenden, von Henry Arnold ins Deutsche übersetzten Libretto kommen muss: Alles, was gegen die vorhergesagte Katastrophe unternommen wird, führt sie herbei. Man will den Knaben aus dem Weg räumen, doch er überlebt und wächst bei Pflegeeltern auf. Der Mann, den er am Kreuzweg erschlägt, ist natürlich sein Vater Laios (Hans-Jürgen Lazar). Und die Königin Jokaste, deren Hand der Preis für die Befreiung Thebens von der Sphinx ist, stellt sich als seine Mutter heraus.

Selbstbestimmtes Handel des Menschen auf der Basis von Wissen? Eine Utopie. Dass in dem Schuldlosen unwissentlich der Abgrund Mensch lauert, machte den antiken Helden nicht zufällig zum Namensgeber in der Psychoanalyse. In Frankfurt findet der sich zunächst wie ein beobachtender Wissenschaftler des Weltzusammenhangs in einem Labyrinth aus altmodischen Wand-Tafeln, die über und über mit mathematischen und chemischen Formeln bedeckt sind. In typisch Neuenfelsscher Manier wird er alsbald zum reflektierenden Mitspieler in einer szenischen Suche nach sich selbst. Seine Geburt aus einem einschwebenden Ei erlebt er noch als Beobachter, dann ist er Akteur.

Die Bühnen-Ästhetik von Rifail Ajdarpasics Tafelwänden (die genauso gut Palastwände sein könnten), gelegentlich leuchtende Pfeile am Portal und die Opulenz der Kostüme von Elina Schnizler zwischen gruftigem Punk fürs Volk, einem Glitzerfummel für Kreon und Revueeleganz für die Sphinx ermöglichen dem Gedankenexperiment über schuldloses Schuldigwerden viele Richtungen.

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Oedipe und die Sphinx

Erzählt wird chronologisch. Von der Geburt aus dem Ei und der düsteren Prophezeiung, dem Vatermord, der erotisch knisternden Begegnung mit der Theben bedrohenden Sphinx (virtuos: Katharina Magiera) über die Verbindung mit Mutter und Gattin Jokaste (mit fulminanter Eloquenz: Tanja Ariana Baumgartner) bis hin zum Schock der Selbsterkenntnis, die der blinde Seher Tiresias (Magnús Baldvinsson) erzwingt und der Selbstblendung. Der bislang zurückhaltende Kreon (Dietrich Volle) übernimmt die Macht und Oedipe wird, getreu seinem eigenen Richterspruch über den Königsmörder, den er in Unkenntnis der eigenen Schuld fällte, am Arm seiner Tochter Antigone in die Verbannung geschickt.

Bei Neuenfels ist da nach 100 Minuten Schluss. Der vierte Akt, bei dem Oedipe in Kolonos einer Art Erlösung findet, ist hier gestrichen. Mit der Einblendung "Es gibt keine Erkenntnis außer der Hoffnung" zieht Neuenfels sein zuspitzend pessimistisches Fazit. Als Denkanstoß. Szenisch entfaltet diese intelligente, leicht distanzierte Eigenwilligkeit ihre Wirkung, weil das Ensemble mit einem überragenden Simon Neal in der Titelrolle und der Chor ebenso überzeugend mitziehen. Das Fundament liefert das Frankfurter Opernorchester mit Alexander Liebreich am Pult. Der lässt die massiven Klangwolken des Rumänen, der sich von der Musikgeschichte inspirieren lässt, aber in seiner eigenwillig dunklen Schönheit keiner Mode verhaftet ist, dunkel erblühen und trägt seinen Teil zu der beabsichtigten Klarheit des Gesungenen bei. Es gab viel Beifall und ein paar matte Buhs für Hans Neuenfels.


FAZIT

Mit gewohnter Souveränität auch bei Eingriffen in die Vorlage hat sich Hans Neuenfels in Frankfurt bei einem erneuten Versuch präsentiert, Enescus Meisterwerk Oedipe dem Vergessen zu entreißen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Liebreich

Regie
Hans Neuenfels

Bühnenbild
Rifail Ajdarpasic

Kostüme
Elina Schnizler

Licht
Olaf Winter

Chor und Extrachor
Matthias Köhler

Dramaturgie
Henry Arnold



Frankfurter Opern-
und Museumsorchester

Chor und Extrachor der Oper Frankfurt



Solisten

Ödipus
Simon Neal

Tiresias
Magnús Baldvinsson

Kreon
Dietrich Volle

Der Hirte
Michael McCown

Der Hohepriester
Vuyani Mlinde

Phorbas
Kihwan Sim

Der Wächter
Andreas Bauer

Laios
Hans-Jürgen Lazar

Jokaste
Tanja Ariane Baumgartner

Die Sphinx
Katharina Magiera

Antigone
Britta Stallmeister

Merope
Jenny Carlstedt



Weitere Informationen


Oper Frankfurt
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