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Musiktheater
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Ezio

Dramma per musica in drei Akten (Prager Fassung)
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Christoph Willibald Gluck


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 10. November 2013



Oper Frankfurt
(Homepage)
Spannendes Musiktheater mit vielen Rezitativen

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller


Bei Christoph Willibald Gluck denkt man meistens an den großen Opernreformer, der im 18. Jahrhundert die Gattung vom steifen Korsett der Opera seria befreit hat. Dass er allerdings, bevor er mit Orfeo ed Euridice seine erste Reformoper präsentierte, bereits 20 Jahre im Geschäft war und in dieser Zeit große Erfolge mit seinen der Opera seria verhafteten Werken feierte, wird heutzutage gern vergessen, da auch ein Teil seines Opernschaffens dieser Zeit leider verloren gegangen ist und noch nicht in irgendwelchen Archiven wieder aufgetaucht ist. Doch auch seine erhaltenen frühen Werke fristen auf den Opernbühnen ein Schattendasein. Die Oper Frankfurt hat sich nun sein Dramma per musica Ezio vorgenommen, das insofern eine besondere Stellung einnimmt, da Gluck dieses für die Karnevalssaison in Prag 1750 komponierte Werk 13 Jahre später in der Wiener Fassung zu einem Zeitpunkt gravierend umarbeitete, als er mit Orfeo ed Euridice bereits neue Wege eingeschlagen hatte. In Frankfurt hat man sich allerdings für die Prager Fassung entschieden, die so sehr von den Rezitativen beherrscht wird, dass sie stellenweise eher einem musikalischen Schauspiel gleichkommt. Dies mag der Grund dafür gewesen sein, dass man bei den Gluck-Opern-Festspielen in Nürnberg 2012 eine adaptierte Fassung für Schauspieler und Sänger präsentiert hat (siehe auch unsere Rezension).

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Fulvia (Paula Murrihy) gesteht Valentiniano (Max Emanuel Cencic), dass sie Ezio, und nicht ihn liebt.

Die Geschichte basiert wie bei den meisten Frühwerken von Gluck auf einem Libretto von Pietro Metastasio, welches dieser 1728 verfasste, als er noch nicht als Hofdichter im Dienste der kaiserlichen Familie  stand und somit in seiner Charakterisierung des Herrschers frei von etwaiger Huldigung war, wie sie beispielsweise in La Clemenza di Tito zu beobachten ist. Der römische Feldherr Ezio (Aëtius) hat für den Kaiser Valentiniano (Valentinian III.) den Hunnenkönig Attila besiegt und soll als Belohnung Onoria, die Schwester des Kaisers, zur Frau bekommen. Allerdings liebt Ezio Fulvia, die Tochter des Patriziers Massimo (Maximus), womit er sich den Neid des Kaisers zuzieht, da dieser sie als Gemahlin für sich auserkoren hat. Massimo, der selbst noch eine Rechnung mit dem Kaiser offen hat, plant, den Kaiser mit Fulvias Hilfe zu ermorden, und lässt Ezio beim Kaiser in Ungnade fallen. Valentiniano, der durch Massimos Intrige glaubt, dass Ezio ihm nach dem Leben trachte, will seinen treu ergebenen Feldherrn durch Varo heimlich hinrichten lassen. Doch dieser führt den Befehl nur zum Schein aus, und so kann Ezio noch rechtzeitig verhindern, dass Massimo einen Anschlag auf den Kaiser verübt. Aus Dankbarkeit verzichtet Valentiniano nun auf Fulvia und gewährt allen, sogar Massimo, Vergebung.

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Ezio (Sonia Prina) weist Valentinianos Schwester Onoria (Sofia Fomina) als Braut zurück.

Vincent Boussard misstraut in seiner Inszenierung dem lieto fine, zumal es nicht der Historie entspricht, wonach Ezio 454 bei einer Beratung im Palast des Kaisers von Valentiniano eigenhändig ermordet worden ist, um etwaige potenzielle Gegner des Kaisers einzuschüchtern. Zwar hält er sich in der Personenregie an den gesungenen Text, lässt allerdings den Schluss in einer Art Museum spielen, wo Statisten gewissermaßen als Museumsbesucher die Figuren des Stückes genauso betrachten wie die zahlreichen ausgestellten Augustus-Statuen, die nicht nur in unterschiedlicher Größe überall auf der Bühne stehen, sondern auch kopfüber an den Wänden hängen. Wenn sich Ezio und die anderen zum Schlusschor in friedlicher Harmonie auf einem Podest zum Gruppenbild positionieren, wirken sie selbst wie Relikte einer längst vergangenen Zeit und fangen nur einen Moment ein, der vielleicht vor einem anschließend folgenden Blutvergießen gestanden haben mag. Auch die von Kaspar Glaner entworfenen hohen weißen Bühnenwände wirken wie zwei leere Seiten eines Buches, das erst noch geschrieben werden muss.

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Valentiniano (Max Emanuel Cencic) will Fulvia (Paula Murrihy) zwingen, ihn zu heiraten (rechts: Massimo (Beau Gibson)).

Beeindruckend gelingt die Lichtregie von Joachim Klein, der aus den Schatten der Figuren beeindruckende Bilder auf die weißen Rückwände wirft. Vor der Pause werden diese Schatten so geschickt in die Projektion eines grauen Steinbodens auf der Rückwand eingearbeitet, dass die Figuren über die senkrechten Wände zu laufen scheinen. Nach der Pause sind es die zahlreichen Augustus-Statuen, die überall auf den Wänden reflektieren und somit die grenzenlose Macht und Willkür des Kaisers manifestieren. Einige der Video-Projektionen von Bibi Abel bleiben allerdings unklar. Während der Steinboden wunderbar mit den Figuren korrespondiert, werden die schwarzen Schatten zu Beginn der Aufführung, die in der Form an Flugzeuge erinnern, nicht klar. Soll das ein Zeichen der Gegenwart sein, die in Form der Technologie über die Antike hinweg fliegt, oder sind es Vögel, die über den Kaiserpalast fliegen und an deren Flug in der Antike die Zukunft gedeutet wurde? Immerhin lässt Kaspar Glaner auch angedeutete große schwarze Vögel im Flug aus dem Schnürboden herabsinken. Aufwendig gestaltet sind die Kostüme von Christian Lacroix, der Fulvia und Onoria mit ausladenden Rokoko-Kleidern ausstattet, die farblich auf Massimos dunklen Mantel und Valentinianos glänzende Gewänder abgestimmt sind.

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Ezio (Sonia Prina) ist verzweifelt.

Für die Produktion sind mit Sonia Prina und Max Emanuel Cencic zwei hochkarätige Gäste engagiert worden. Prina stattet die Titelpartie mit einer satten Mittellage aus und taucht mit großem Volumen in unglaubliche Tiefen ab. Einen Höhepunkt stellt ihre große Arie "Se fedele mi brama il regnante" dar, in der Ezio zwischen seinen Gefühlen für Fulvia und der Treue zum Kaiser hin- und hergerissen wird. Hier begeistert Prina mit beweglichen Koloraturen und Ausbrüchen in dramatische Höhen, die den inneren Kampf der Titelfigur regelrecht spürbar machen. Auch die tragische Arie "Ecco alle mie catene", wenn sich Ezio von der Geliebten verabschiedet, um in den Kerker zu gehen, wird von Prina mit großer Wärme und Innigkeit gestaltet. Darstellerisch wirkt Prina in der Hosenrolle mit virilem Spiel absolut überzeugend. Cencic spielt den paranoiden Charakter des Kaisers mit einem wandlungsfähigen Countertenor aus, der einerseits in weichen Passagen belegt, dass er schwach und kein Held wie Ezio ist, andererseits zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist, was die Unberechenbarkeit dieses Kaisers deutlich macht.

Neben diesen beiden Gästen sind die anderen Partien mit Ensemble-Mitgliedern ebenfalls hochkarätig besetzt. Paula Murrihy begeistert als Fulvia mit dramatischem Mezzo, der die innere Zerrissenheit zwischen ihrer Liebe zu Ezio, der Furcht vor dem Kaiser und dem Gehorsam ihrem Vater gegenüber glaubhaft zum Ausdruck bringt. Auch darstellerisch weiß Murrihy als leidende junge Frau zu überzeugen. Großartig gelingt ihre Szene "Misera, dove son?", die in die Wahnsinns-Arie "Ah! Non son io che parla" übergeht, in der sie ihrem Schmerz nach dem scheinbaren Verlust des Geliebten freien Lauf lässt. Sofia Fomina stattet Valentinianos Schwester Onoria mit leuchtendem Sopran aus und präsentiert sich als glaubhafte Rivalin zu Fulvia, die aber im Gegensatz zu den männlichen Charakteren wie Fulvia ebenfalls humanistische Züge trägt und daher bereit ist, auf den geliebten Ezio zu verzichten. Beau Gibson stattet den intriganten Massimo mit einem kräftigen Tenor aus und wirkt auch optisch durch seine große Statur gefährlich. Simon Bode gefällt als Varo mit lyrischem Tenor. Christian Curnyn lotet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester Glucks Partitur differenziert aus und lässt aus dem Orchestergraben einen gelungenen Barock-Sound erklingen. So gibt es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Glucks Frühwerk ist trotz (oder wegen?) der zahlreichen Rezitative ein spannendes Stück Musiktheater, das auf den Bühnen einen festen Platz neben anderen Barockopern verdient.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Curnyn

Inszenierung
Vincent Boussard

Bühnenbild
Kaspar Glaner

Kostüme
Christian Lacroix

Licht
Joachim Klein

Video
Bibi Abel

Dramaturgie
Zsolt Horpácsy

 

Statisterie der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

Valentiniano
Max Emanuel Cen
cic

Fulvia
Paula Murrihy

Ezio
Sonia Prina

Onoria
Sofia Fomina

Massimo
Beau Gibson

Varo
Simon Bode



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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