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La vie en rose

Soirée française, Ballett von Ben Van Cauwenbergh
Musik von John Adams und französische Chansons von
Gilbert Bécaud, Jacques Brel, Maurice Chevalier und Edith Piaf

Aufführungsdauer: ca. 2h 5' (eine Pause)

Wiederaufnahme im Aalto-Theater Essen am 18. Dezember 2013
(Premiere der Produktion: 11.10.2008)


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Theater Essen
(Homepage)
Ein Hoch auf das französische Chanson

Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Als Ben Van Cauwenbergh im Herbst 2008 sein Amt als neuer Ballettdirektor in Essen antrat, eröffnete er seine erste Spielzeit mit einem Abend, mit dem er die Herzen des Essener Publikums im Sturm eroberte. Mit der "Soirée française" La vie en rose traf er mit den choreographierten Chansons von Edith Piaf, Gilbert Bécaud und Jacques Brel genau den Nerv der Zuschauer und sorgte für zahlreiche ausverkaufte Vorstellungen. Fünf Jahre später ist nun am Aalto eine Wiederaufnahme dieses bewegenden Ballettabends zu erleben, mit dem Van Cauwenberghs Erfolgsgeschichte am Haus begonnen hat, und erneut sind auch wieder drei Darsteller am Start, die diesem Abend eine ganz persönliche Note gegeben haben und ohne die er wahrscheinlich gar nicht funktionieren würde: Adeline Pastor in der Rolle der Edith Piaf, Denis Untila als Gilbert Bécaud und Zygmunt Apostol als Clochard Jef.

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Jef (Zygmunt Apostol, links) mit dem Corps de Ballet

Bemerkenswert ist vor allem Apostol, der mit mittlerweile über 80 Jahren immer noch singend, tanzend und auf einem Akkordeon spielend durch den Abend führt und das Publikum zum Mitsummen animiert. Wie er gewissermaßen als Überbleibsel einer längst vergangenen Epoche auf dem Akkordeon "Sous le ciel de Paris" anstimmt und dabei durch die mittlerweile hektische Metropole irrt, in der zu John Adams' 1988 entstandenen Fearful Symmetries die Tänzerinnen und Tänzer in rastlosen Bewegungen mit in Lichtkegeln angedeuteten U-Bahnen von einem Ort zum nächsten hetzen, wird von Apostol mit scheuen, fast ängstlichen Blicken und nahezu schüchternen Bewegungen absolut einfühlsam umgesetzt. Erst wenn er einen Strohhut findet, der ihn an den großen Chansonnier Maurice Chevalier erinnert, gewinnt er an Selbstbewusstsein und lässt mit "Paris, je t'aime" eine Epoche des französischen Chansons wieder aufleben, die besonders für das ältere Publikum einen gewissen Nostalgie-Faktor besitzen dürfte. Die von Dmitrij Simkin mit zahlreichen Regenschirmen ausgestattete Bühne, auf denen unterschiedliche Projektionen den jeweiligen Emotionen der Chansons angepasst sind, fängt ebenfalls die Leichtigkeit dieser träumerischen Musik ein.

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"Mon dieu": Edith Piaf (Adeline Pastor) und Marcel Cerdan (Davit Jeyranyan)

Im Folgenden widmet sich der Abend drei Größen des französischen Chansons, die diese Szene nachhaltig geprägt haben. Den Anfang macht Edith Piaf, der "Spatz von Paris". In mehreren Liedern, die teils mit der unvergleichlichen Stimme dieses Ausnahmetalents vom Band eingespielt werden, teils von Adeline Pastor live zur Klavierbegleitung von Boris Gurevich vorgetragen werden, erlebt man das Auf und Ab ihrer Erfolge und die tragischen Schicksalsschläge, die zu ihrem viel zu frühen Tod geführt haben. Pastor stattet die Piaf mit einer recht dunklen, gefühlvollen Stimme aus und ist auch optisch eine Idealbesetzung für diese Partie. Mit temperamentvollen Pirouetten und kraftvollem Ausdruck lässt sie in ihrem Tanz den starken Willen einer Frau spürbar werden, die sich trotz ungünstiger Lebensbedingungen immer wieder nach oben gekämpft hat. Natürlich wird auch ihre schicksalhafte Begegnung mit dem französischen Boxchampion Marcel Cerdan aufgegriffen. Zum Chanson "Mon dieu" gestaltet Pastor mit Davit Jeyranyan als Cerdan ein bewegendes Pas de deux, an dessen Ende er verschwindet, was seinen Tod bei einem Flugzeugabsturz andeutet. Mit regelrecht gebrochener Stimme präsentiert Pastor anschließend eine emotional aufgeladene "Hymne à l'amour", bevor sie tänzerisch zu "Non, je ne regrette rien" mit kraftvollem Ausdruckstanz und atemberaubenden Drehungen auf Spitze den Saal regelrecht zum Kochen bringt.

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"Je reviens te chercher": Gilbert Bécaud (Denis Untila, mit Yulia Tsoi)

Ebenso energiegeladen geht der Abend zur nächsten Figur über: "Monsieur 100.000 Volt" Gilbert Bécaud. Bereits in seinem ersten Auftritt zu "Et maintenant" wird Denis Untila mit kraftvollen Sprüngen und Drehungen diesem Beinamen mehr als gerecht, zumal er auch optisch dem jungen Bécaud nicht nur durch den legendären dunkelblauen Anzug nahekommt. Nach dem ersten Chanson bricht er quasi leblos auf der Bühne zusammen, was Apostol dazu veranlasst, mit dem Publikum "Quand il est mort, le poète" anzustimmen. Danach folgt der wohl humoristischste Teil des Abends: "Nathalie". In einem feuerroten Anzug betritt Alena Gorelcikova als russische Nathalie die Bühne und lässt in Untila alias Bécaud Erinnerungen an die geheimnisvolle Traumfrau wach werden, die ihm in Moskau begegnet war. Die männlichen Tänzer gesellen sich nach einem kurzen Pas de deux der beiden bei der musikalischen Anspielung auf das russische "Kalinka"-Lied dazu und führen mit Gorelcikova athletische Höchstleistungen vor. Erst danach wird es wieder ruhiger, wenn Apostol gemeinsam mit dem Publikum "L'important c'est la rose" anstimmt und sich in die Pause verabschiedet.

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"Quand on n'a que l'amour": Jacques Brel (Breno Bittencourt, mit Yanelis Rodriguez)

Im Gegensatz zum ersten Teil stehen die Chansons von Jacques Brel nach der Pause relativ zusammenhanglos nebeneinander. Zwar sind auch die folgenden Choreographien wunderbar anzusehen, weil sie von den Tänzerinnen und Tänzern recht synchron (beispielsweise bei dem temporeichen "La valse à mille temps") umgesetzt werden und Van Cauwenbergh auch bewegende Bilder in den Projektionen zu den einzelnen Chansons findet. Trotzdem kann Brel als Figur nicht ebenso bewegen wie Piaf und Bécaud im ersten Teil, was allerdings keineswegs Breno Bittencourt angelastet werden kann, da er ebenfalls mit kraftvollen Sprüngen und eleganten Bewegungen überzeugt. Ein Höhepunkt in diesem Teil gehört erneut Untila als Bécaud, wenn er zu dem ironischen "Les bourgeois", das sich über die spießige Gesellschaft lustig macht, in schlaksigen Bewegungen die Gesellschaft karikiert. Der bewegendste Moment nach der Pause gelingt, wenn die Compagnie in dem Chanson "Jef" Apostol in ihren Tanz mit einbeziehen. Beinahe ängstlich folgt Apostol als Jef der Aufforderung, in den Tanz einzustimmen. Er fühlt sich doch der Kraft dieser Jugend nicht mehr gewachsen. Aber die Tänzer lassen ihn schweben, heben ihn über die Bühne und vermitteln ihm ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Das ist der Moment,  bei dem es den meisten Zuschauern Tränen der Rührung in die Augen treiben dürfte, weil Apostols Mimik unter die Haut geht.

Wenn als letztes Lied von Brel "Ne me quitte pas" erklingt, kommen auch die Piaf und Bécaud erneut auf die Bühne und bilden eine Art Knäuel, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Erinnerungen an diese wunderschönen Chansons werden bleiben, und alle Figuren werden ein Teil davon sein. Apostol stimmt erneut auf dem Akkordeon "Sous le ciel de Paris" an, und der Vorhang fällt. Frenetischer Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Diesen Ballettabend sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen, zumal die Frage ist, wie lange er in dieser Besetzung noch auf dem Spielplan stehen kann.


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Produktionsteam

Choreographie
Ben Van Cauwenbergh

Bühne
Dmitrij Simkin

Kostüme
Danielle Laurent

Licht
Jürgen Nase

Dramaturgie
Nils Szczepanski

Musikalische Begleitung
Boris Gurevich

 

Solisten

Jef, ein Clochard
Zygmunt Apostol

Edith Piaf
Adeline Pastor

Gilbert Bécaud
Denis Untila

Jacques Brel
Breno Bittencourt

"Voir un ami pleurer"
Elisa Fraschetti

"Nathalie"
Alena Gorelcikova

"Quand on n'a que l'amour"
Yanelis Rodriguez

"La chanson des vieux amants"
Maria Lucia Segalin
Nour Eldesouki

"Je reviens te chercher"
Yulia Tsoi

"Amsterdam"
Liam Blair
Viacheslav Tyutyukin

"Il y a"
Armen Hakobyan
Wataru Shimizu

"Mon dieu"
Davit Jeyranyan

Weitere Tänzerinnen und Tänzer
Paula Archangelo Cakir
Xiyuan Bai
Carolina Boscán
Yuki Kishimoto
Ana Carolina Reis
Julia Schalitz
Nwarin Gad
Dmitry Khamzin
Qingbin Meng
Simon Schilgen
Igor Volkovskyy





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