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Aschenputtel (La Cenerentola)

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon ou La petite pantoufle de vair
aus der Märchensammlung von Charles Perrault
Musik von Gioacchino Rossini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 22. März 2014




Theater Dortmund
(Homepage)
Auf der Straße ins Glück

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (Stage Pictures)

Dass Rossinis Cenerentola zu den wenigen Opern des Schwans von Pesaro gehört, die den Sprung ins Repertoire der Opernhäuser geschafft haben, und mittlerweile eine so große Popularität erlangt hat, dass dieses Werk - wenn man dem Rossini-Spezialisten Alberto Zedda Glauben schenken darf - dem Barbiere di Siviglia vielleicht noch den Rang ablaufen kann, hat wohl bei der Uraufführung am 25. Januar 1817 außer dem Komponisten niemand für möglich gehalten. Wie Barbiere und Otello fiel die Oper beim Publikum zunächst durch, was vielleicht einem gewissen Missmut beim Publikum geschuldet war, dass auch diese Uraufführung erst mit einmonatiger Verspätung auf die Bühne kam. Dennoch konnte sich das Publikum auf Dauer dem Sog dieser perlenden Musik nicht entziehen, und auch die Dortmunder Neuinszenierung brachte musikalisch und szenisch den Saal am Ende regelrecht zum Toben.

Die Handlung folgt mit wenigen Ausnahmen der bekannten Märchenvorlage von Charles Perrault. Allerdings gibt es bei Rossini keine böse Stiefmutter, sondern mit Don Magnifico einen Stiefvater, was für die Oper wohl dramaturgische Gründe haben dürfte, da man so über eine weitere Buffo-Rolle verfügt. Der auf dem Ball verlorene Schuh wird durch einen Armreif ersetzt, was einerseits der Zensur bei der Uraufführung geschuldet war, da man das Wagnis der Entblößung eines Fußknöchels auf der Bühne vermeiden wollte, andererseits ein Armband als "vergöttertes und teures Pfand", das Don Ramiro besingt ("Pegno adorato e caro"), sicherlich passender ist als ein Schuh. Statt einer guten Fee tritt der  Philosoph Alidoro auf, der als Lehrer des Prinzen dessen Weg zu Angelina-Cenerentola lenkt. Damit werden der Oper die übernatürlichen Aspekte der Märchenvorlage genommen, und die Geschichte wird in einem realen Ambiente angesiedelt, was für ein Melodramma giocoso der damaligen Zeit sicherlich passender war.

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"Una volta c'era un re": Angelina-Cenerentola (Ileana Mateescu) träumt von einer besseren Zukunft.

Erik Petersen verzichtet in seiner Inszenierung auf eine Übertragung in die heutige Zeit und lässt Ort und Zeit des Geschehens bewusst im Vagen. So sieht man bereits vor Beginn der Oper auf der Bühne eine Straße mit alten Häusern auf beiden Seiten, die mit dem über Tonband eingespielten Vogelgezwitscher an eine alte italienische Stadt am Meer erinnern. Im Hintergrund führt eine moosbedeckte Treppe ins Nichts. In diesem Einheitsbühnenbild von Tatjana Ivschina lässt Petersen die ganze Geschichte spielen und verzichtet auf Umbauten zwischen dem Palast des Prinzen und dem Herd, an dem Angelina ihr trostloses Dasein fristet. Für Angelina gibt es auf der rechten Seite vorne eine kleine Tür, die an einen Hintereingang erinnert, vor der sie häufig sitzt, wenn sie bei "Una volta c'era un re" ihren Träumen von einem König nachhängt, der sich bei der Wahl zwischen drei Bräuten für "L'Innocenza" (die Unschuld, über die Übersetzung in der Übertitelung mit "Güte" lässt sich sicherlich diskutieren) entscheidet. Prinz Ramiro zieht während der Ouvertüre mit seiner ganzen Entourage auf der linken Seite ein und feiert den Ball zwischen den Häusern auf der Straße mit Lichterketten, die aus dem Schnürboden herabhängen. Einzelne Häuserteile lassen sich in die Bühnenmitte ziehen und geben so zum Beispiel den Blick auf einen riesigen mit zahlreichen Weinflaschen dekorierten Raum frei, der Don Magnificos Schlafzimmer darstellt und deutlich macht, wieso der Baron von der Ernennung zum "königlichen Kellermeister" äußerst angetan ist.

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Schicksalhafte Begegnung: Angelina-Cenerentola (Ileana Mateescu) und Alidoro (Christian Sist)

Die Kostüme, für die ebenfalls Ivschina verantwortlich zeichnet, sind für die einzelnen Charaktere passend gestaltet. Clorinda und Tisbe werden in ihren skurrilen Kleidern mit den unmöglich auftoupierten Haaren ihrer Beschreibung im Libretto mehr als gerecht. Gleiches gilt für ihren Vater Don Magnifico, der mit seinem übertriebenen Backenbart und der Schlafmütze ganz dem Prototyp des komischen Alten aus der Commedia dell'arte entspricht. Dass Alidoro als Drahtzieher in der Geschichte fungiert, wird in den Kostümen auch am Ende ausgedrückt, wenn die Diener des Prinzen nun nicht mehr ein rein schwarzes Sakko mit dünnen weißen Streifen tragen, sondern die rechte Hälfte weiß mit schwarzen Streifen ist und damit den Farbton von Alidoros Mantel aufnimmt. Alidoros Mantel lässt sich beidseitig tragen, wobei die Innenseite die graubraune Farbe der Häuserzeile aufnimmt und ihn so zwischen Bettler und Lehrer changieren lässt. Dass John Zuckerman als Ramiro nicht nur kleiner als sein Kammerdiener Dandini (Gerardo Garciacano) sondern auch als Angelina (Ileana Mateescu) ist, wird gleich in doppelter komödiantischer Hinsicht aufgenommen. So platzt bei Garciacano, wenn er als Diener in die Rolle seines Herrn schlüpft, der blaue Anzug aus allen Nähten und kneift im Schritt, und bei der Vermählung mit Mateescu als Angelina stellt sich Zuckerman einfach auf ein Fußbänkchen, um seiner Geliebten in die Augen schauen zu können.

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Don Magnifico (Eugenio Leggiadri Gallani) mit seinen beiden Töchtern Clorinda (Julia Amos, rechts) und Tisbe (Inga Schäfer, links)

Auch Petersens Regie kostet die komischen Momente der Geschichte wunderbar aus. In dem berühmten Buffo-Duett "Un segreto d'importanza", in dem Dandini Don Magnifico darüber aufklärt, dass er gar nicht der Prinz sei, sondern mit diesem nur die Kleider getauscht habe, lässt er die beiden Frühsport mit Hanteln treiben. Eugenio Leggiadri Gallani versucht als Don Magnifico auf herrlich amüsante Art, beim Training mit Garciacano als Dandini mitzuhalten, solange er diesen noch für den Prinzen hält. Sobald das Geheimnis gelüftet ist, fällt ihm vor Schreck die Hantel auf den Fuß. Auch das berühmte Sextett "Questo è un nodo avviluppato" aus dem zweiten Akt, in dem die Verwirrungen allmählich aufgelöst werden, wird von Petersen wunderbar in Szene gesetzt. Während Dandini, Ramiro, Angelina und Don Magnifico jeweils in einem isolierten Lichtkegel stehen und sich holzschnittartig wie Marionetten bewegen, warten Clorinda und Tisbe zunächst vergeblich darauf, dass auch über ihnen "das Licht angeht", werden dann etwas ungehalten und fangen an, sich bei der Technik zu beschweren, bis dann endlich mit ihrem ersten (recht späten) Einsatz in dem Sextett auch über ihnen ein Lichtkegel erstrahlt. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die enorme Bühnenpräsenz von Julia Amos und Inga Schäfer, die die beiden Schwestern Clorinda und Tisbe so gewissermaßen zum Mittelpunkt dieses Sextetts machen.

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Happy End mit Konfetti und Lampions (von links: Dandini (Gerardo Garciacano), Ramiro (John Zuckerman), Alidoro (Christian Sist), Angelina-Cenerentola (Ileana Mateescu), Tisbe (Inga Schäfer), Don Magnifico (Eugenio Leggiadri Gallani) und Clorinda (Julia Amos), im Hintergrund: Herrenchor)

Musikalisch stellt man in Dortmund unter Beweis, dass man es mit der scheinbar so leichtfüßigen Musik von Rossini durchaus aufnehmen kann. So lässt sich den Solisten, dem von Granville Walker einstudierten Herrenchor und den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Motonori Kobayashi allesamt bescheinigen, dass sie den schnellen Tempi gewachsen sind und es in den zahlreichen Läufen nur zu minimalen Ungenauigkeiten kommt. Christian Sist stattet den Alidoro mit einem kräftigen und klaren Bass aus, der etwas heller klingt, als man die Partie üblicherweise gewohnt ist, was den Genuss aber keineswegs schmälert. Gerardo Garciacano darf nach dem Marquis Posa und Wolfram von Eschenbach als Dandini nun endlich beweisen, dass er stimmlich und darstellerisch auch ein überzeugender Buffo-Bariton ist. Wie er es während der Liegestütze im berühmten Duett "Un segreto d'importanza" noch vermag, die Läufe zu singen, verdient größten Respekt. John Zuckerman setzt als Ramiro seinen Tenor sehr diszipliniert ein und verzichtet bewusst darauf zu forcieren. Ileana Mateescu überzeugt nach der rassigen Carmen auch als zurückhaltende und eher schüchterne Angelina-Cenerentola mit samtweichem Mezzo und vermag auch in den halsbrecherischen Koloraturen zu punkten.

Julia Amos und Inga Schäfer begeistern als Clorinda und Tisbe mit enormer Bühnenpräsenz, die oftmals auch das Augenmerk auf die beiden lenkt, wenn sie nichts zu singen haben, sei es, wenn sie gierig die Geschenke, die aus dem Schnürboden herabfallen, einsammeln oder beim berühmten Sextett darum kämpfen, endlich auch im Rampenlicht zu stehen. Amos verfügt dabei über einen jugendlichen Sopran und Schäfer über einen vollen Mezzo. Die dankbarste Partie der Oper kommt Eugenio Leggiadri Gallani als Don Magnifico zu, der mit enormer Spielfreude und absolut beweglichem Bass-Bariton diese Paraderolle für jeden Buffo ausstattet. So begeistert er nicht nur in seiner Auftrittskavatine "Miei rampolli femminini", in der er erzählt, wie er im Traum als Esel auf einem Kirchturm gelandet sei, und dabei ein Bad in einem Waschkübel nimmt, und seiner große Arie zu Beginn des zweiten Aktes "Sia qualunque delle figlie", in der er sich eine Zukunft im Reichtum ausmalt, wenn sich der Prinz für eine seiner Töchter entscheiden sollte, mit hervorragender Komik.

FAZIT

Als Rossini-Anhänger sollte man sich diese Inszenierung in Dortmund nicht entgehen lassen. Wenn man Rossinis Werken eher kritisch gegenübersteht, könnte diese Produktion vielleicht die Einstellung zum Komponisten ändern.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi

Inszenierung
Erik Petersen

Bühne und Kostüme
Tatjana Ivschina

Choreographische Mitarbeit
Adriana Naldoni

Choreinstudierung
Granville Walker

Licht
Florian Franzen

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek

 

Herrenchor des
Theaters Dortmund

Statisterie des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Don Ramiro, Prinz
John Zuckerman

Dandini, sein Diener
Gerardo Garciacano

Don Magnifico, Baron
Eugenio Leggiadri Gallani

Clorinda, seine Tochter
Julia Amos

Tisbe, seine Tochter
Inga Schäfer

Angelina, genannt das Aschenputtel,
seine Stieftochter

Ileana Mateescu

Alidoro, Lehrer des Prinzen
Christian Sist


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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