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Simon Boccanegra

Oper in  drei Akten und einem Prolog (Zweitfassung von 1881)
Text von Francesco Maria Piave mit Ergänzungen von Giuseppe Montanelli in der Neufassung von Arrigo Boito
nach dem Drama Simón Bocanegra von Antonio García Gutiérrez
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Teatro alla Scala di Milano

Wiederaufnahme an der Staatsoper im Schiller Theater am 13. April 2014
im Rahmen der Festtage 2014 (Premiere: 24.10.2009)
(rezensierte Aufführung: 17.04.2014)

 

 

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Staatsoper Berlin
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Sternstunde der Stars

Von Thomas Molke /  Fotos: Monika Rittershaus

Giuseppe Verdi hat bei der Auswahl seiner Opernstoffe nicht nur eine große Vorliebe für William Shakespeare und Friedrich Schiller gehabt, sondern auch die Werke  des spanischen Dramatikers Antonio García Gutiérrez haben ihn so sehr fasziniert, dass er gleich zwei Dramen von ihm vertont hat. Dabei stand Gutiérrez Verdi zumindest zeitlich näher als Shakespeare oder Schiller, da er im gleichen Jahr wie Verdi geboren wurde und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als der berühmteste Dramatiker Spaniens galt, so dass man ihn nach seinem Tod im Jahr 1884 im Madrider Teatro Español als "Vorboten der Unsterblichkeit" feierte. Anders als bei Verdi gerieten seine Werke allerdings in Vergessenheit und wurden erst anlässlich seines 200. Geburtstags zumindest in Spanien wieder ein wenig ins Bewusstsein des Publikums gebracht. Neben Il trovatore, das auf El trovador aus dem Jahre 1837 zurückgeht und lange Zeit als Spitzenwerk der spanischen Romantik galt, stammt auch das Historiendrama Simón Bocanegra aus der Feder des spanischen Dramatikers. Verdi hat sich dieses Werk zweimal vorgenommen. Die erste Fassung aus dem Jahr 1857 atmet noch ganz den Stil des "mittleren" Verdi, während die zweite Version, die 1881 in der Scala zur Uraufführung gelangte, in der Instrumentation den Spätwerken angepasst worden ist und somit wesentlich vergeistigter klingt. In Berlin ist nun erneut die zweite Fassung zu erleben.

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Simon Boccanegra (Plácido Domingo) wird Doge von Genua.

Erzählt wird die Geschichte des historisch belegten ersten Dogen von Genua, Simone Boccanegra, der in der Oper allerdings ein Korsar ist, der der Wahl zum Dogen nur zustimmt, um endlich die von ihm geliebte Patriziertochter Maria Fiesco heiraten zu können. Als er aber das Amt angetreten hat, muss er von Jacopo Fiesco, Marias Vater, erfahren, dass Maria mittlerweile gestorben ist. Auch die gemeinsame Tochter, die er in Obhut einer alten Amme gegeben hat, ist verschwunden. Was er nicht weiß, ist dass die vermögende Familie Grimaldi das Mädchen an Kindes statt angenommen hat und sie unter dem Namen Amelia aufzieht. Als Boccanegra 25 Jahre später - in der Oper bleibt er die ganze Zeit über Doge, während der historische Boccanegra zwischenzeitlich einige Jahre im Exil verbracht hat - Amelia aufsucht, um für seinen Günstling Paolo um ihre Hand anzuhalten, erkennt er in Amelia seine verschollene Tochter und gibt ihren Bitten nach, Paolo nicht heiraten zu müssen. Dies veranlasst Paolo, eine Verschwörung gegen den Dogen anzuzetteln. Er überredet Amelias Geliebten Gabriele Adorno, einen Anschlag auf den Dogen zu verüben, indem er ihn glauben lässt, Amelia sei Boccanegras Geliebte. Des Weiteren lässt er Boccanegra einen vergifteten Trank reichen. Amelia vereitelt Gabrieles Anschlag auf den Dogen und klärt ihn auf, dass Boccanegra ihr Vater sei. Gabriele wechselt daraufhin die Seiten, und Boccanegra verspricht ihm die Hand seiner Tochter. Der Aufstand gegen den Dogen wird von Gabriele erfolgreich niedergeschlagen, aber der vergiftete Trank zeigt seine Wirkung. Boccanegra stirbt, ernennt vorher aber noch Gabriele zu seinem Nachfolger.

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Gabriele Adorno (Fabio Sartori) wird als Gegner des Dogen verhaftet.

Federico Tiezzi belässt die Geschichte szenisch im 14. Jahrhundert, was sich unter anderem in den historisierenden Kostümen von Giovanna Buzzi ausdrückt. Die gewaltigen Bühnenbilder von Maurizio Balò wirken wie Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, die eine längst vergangene mittelalterliche Epoche wieder aufleben lassen. So findet der Prolog vor einer hohen Stadtmauer statt, hinter der sich der Palast des Jacopo Fiesco befindet. Von beiden Seiten werden große Mauersteine zur Bühnenmitte geschoben, die gewissermaßen ein Eintreten in diesen von hohen Mauern umgebenen Palast suggerieren. Hier trifft Boccanegra auf Marias Vater, der zur Vergebung nicht bereit ist. Für den Dogenpalast wird später eine golden glänzende Sitzreihe verwendet, in deren Mitte der Doge thront. Wenn Boccanegra später an Zuspruch verliert, wird dieser mittlere Thron von den weiteren Sitzen isoliert. Auf einer dahinter befindlichen Leinwand wird mit einer dunklen Lichtstimmung die Weite des Meeres angedeutet. Später sieht man hier die Silhouetten von zahlreichen Schiffen, die am Hafen vor Anker zu scheinen liegen. In diesen beeindruckenden Bildern entfaltet Tiezzi eine Geschichte, die im Handlungsverlauf zwar absolut abstrus ist, was bei Verdis großartige Musik, die von Daniel Barenboim und seiner Berliner Staatskapelle hervorragend umgesetzt wird, allerdings nicht weiter stört.

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Simon Boccanegra (Plácido Domingo) nach 25 Jahren Herrschaft als Doge

Ein Garant für den Erfolg dieser Produktion ist natürlich auch die erstklassige Sängerbesetzung. In der Titelrolle ist wie in der Premiere 2009 erneut Plácido Domingo zu erleben, der mit dieser Partie den Stimmfachwechsel zum Bariton begonnen hat, auch wenn man hier stellenweise das Gefühl hat, immer noch einen Tenor zu hören. Mit scheinbarer Leichtigkeit meistert Domingo stimmlich den Dogen und verfügt auch in den Höhen über ein faszinierendes Volumen, ohne dabei auch nur ansatzweise zu forcieren oder angestrengt zu wirken. Auch die darstellerische Präsenz ist überwältigend, sei es nun die jugendliche Frische, die er im Prolog ausstrahlt, wenn er zum Dogen gewählt wird, oder sein lang anhaltender Todeskampf, der nach dem Trinken des Giftes im zweiten Akt einsetzt. Wenn Domingo schließlich am Ende des Abends vom Gift besiegt zusammenbricht, läuft dem Zuschauer ein Schauer über den Rücken. Schon allein diese Darstellung macht diese Inszenierung so sehens- und hörenswert.

Aber auch die anderen Solisten stehen Domingo in Nichts nach. Wie bei der Premiere 2009 ist Fabio Sartori erneut in die Rolle des Gabriele Adorno geschlüpft und begeistert mit einem absolut höhensicheren Tenor, ohne dabei zu pressen. Zu einem Höhepunkt des Abends avanciert seine große Arie "Sento avvampar nell'anima" im zweiten Akt, in der er um Amelias Unschuld bangt, nachdem Paolo ihm gegenüber behauptet hat, Amelia sei die Geliebte des Dogen. Für die ursprünglich als Amelia vorgesehene Anja Harteros hat Maria Agresta die Partie übernommen und stattet Boccanegras Tochter mit jugendlich strahlendem Sopran aus, der vor allem in ihrer Auftrittsarie "Come in quest'ora bruna" im ersten Akt zum Ausdruck kommt, wenn sie auf die Rückkehr ihres Geliebten Gabriele wartet. Ihre Duette mit Sartori und Domingo und das gemeinsame Terzett bescheren dem Publikum weitere musikalische Sternstunden. Doch auch die dunklen Partien sind großartig besetzt. Dmitry Belosselskiy verleiht dem Jacopo Fiesco mit hartem Bass eine Unnachgiebigkeit, die bis zum bitteren Ende verhindert, dass Fiesco mit Boccanegra Frieden schließen kann. Àngel Òdena stattet den Paolo Albiani mit einem dunklen Bass aus, die der Schwärze des Charakters mehr als gerecht wird und ihn glaubhaft zum eigentlichen Bösewicht des Abends werden lässt. Der von Martin Wright hervorragend disponierte Staatsopernchor rundet den Abend musikalisch hervorragend ab, so dass es für alle Beteiligten am Ende stehende Ovationen gibt.

FAZIT

Simon Boccanegra mag als Werk zwar eigentlich nicht eine geeignete Einstiegsoper sein. Diese Inszenierung dürfte allerdings in dieser musikalischen Besetzung das Potenzial besitzen, auch Operneinsteiger für diese Gattung zu begeistern.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Barenboim

Inszenierung
Federico Tiezzi

Bühnenbild
Maurizio Balò

Kostüme
Giovanna Buzzi

Licht
A. J. Weissbard

Video
Studio Azzurro

Chöre
Martin Wright

Dramaturgie
Francis Hüsers /
Barbara Weigel

 

Staatsopernchor

Staatskapelle Berlin

 

Solisten

Simon Boccanegra
Plácido Domingo

Maria Boccanegra,
auch unter dem Namen Amelia Grimaldi
Maria Agresta

Jacopo Fiesco,
auch unter dem Namen Andrea
Dmitry Belosselskiy

Gabriele Adorno
Fabio Sartori

Paolo Albiani
Àngel Òdena

Pietro
Wilhelm Schwinghammer

Ein Hauptmann der Bogenschützen
Jonathan Winell

Eine Dienerin Amelias
Evelin Nowak


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



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