Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Unterm Laborkittel trägt man barock
Von Roberto Becker / Fotos von Iko Frese/drama-berlin.de Der in letzter Zeit ziemlich gehypte lettische Schauspiel-Regisseur Alvis Hermanis (48) inszeniert in Berlin zum dritten Mal eine Oper. Von der Schauspiel- auf die Opernbühne ist er das erste Mal bei den Salzburger Festspielen 2012 mit Bernd Alois Zimmermanns Soldaten umgestiegen. Im letzten Jahr folgte, ebenfalls in der Felsenreitschule und mit Ingo Metzmacher als musikalischem Partner, Gawain von Harrison Birtwistles. Davor hat sich Hermanis als Liebhaber von historischen Details und dichter Atmosphäre einen Namen gemacht. Seine Statements zur Opernregie fallen allemal entsprechend historisierend aus. Gleichwohl vermag man sich der Faszination einer Tschechow-Inszenierung (wie seiner über fünfstündigen Version von Platonov am Wiener Akademietheater) oder der archäologisch vorgehenden Eugen Onegin-Hinterfragung an der Schaubühne in Berlin nicht zu entziehen. Die Restauratorenwerkstatt - ein Klassenzimmer für die Liebesschule?Die zynische Treuewette des Don Alfonso verlegt er nun an der Komischen Oper in eine große Restaurationswerksatt. Eine, die wie bei diesem Regisseur zu erwarten, ihren modernen realen Vorbildern ziemlich nahe kommt. Bis hin zum Sicherungskasten und den Abrechnungsordnern im gläsernen Büroverschlag. Schon während der Ouvertüre ist viel los in der Werkstatt. Restaurator ist in Berlin ein Beruf, der offenbar paarweise ausgeübt wird. Unter dem Chef Alfonso arbeiten vier Paare. Zwei davon werden dann das Opfer der Wette. Zwei weitere Paare verziehen sich auf die großen Gerüste vor den riesigen Bildern an der linken und rechten Seite. Und bleiben dort im Grunde als reine Statisten, die nur gelegentlich mal nach unten schauen. Damit ist der Auftakt schon mal nur eine Behauptung. Ist er es, oder ist er es nicht? Guglielmo wird von Fiordiligi in der barocken Verkleidung begutachtet. Was folgt, ist eine im Grunde konventionelle Erzählung. Da bringt ein Chef zwei seiner männlichen Mitarbeiter dazu, eine Wette über die Treue ihrer Frauen einzugehen und den Treuetest dann auch durchzuziehen. Eine passable Idee der Regie besteht darin, dass sich Ferrando und Guglielmo nicht mit irgendwelchen Bärten und Turbanen albern als Albaner verkleiden, sondern mit Perücken und Kostümen der Entstehungszeit der Oper ausstaffieren. Wenn die felsenfeste Treue der Frauen zu bröckeln beginnt, legen auch Fiordiligi und Dorabella nach und nach entsprechende Kleider und Perücken an. Hermanis erzählt die Geschichte dann aber so, als würden die Männer ganz zielstrebig und ohne zu wanken eine Beziehung mit der jeweiligen Partnerin des anderen anbahnen. Da bleibt nichts vage, da schwebt nichts, hier sollen die Frauen lediglich vorgeführt werden. Und dieser Plan geht auf. Guglielmo und Dorabella vergnügen sich ganz offensichtlich in einem Büroverschlag. Was solls, wir machen mit ...Wenn Fiordiligi mit sich ringt, ob sie nun oder ob sie nicht auf Ferrandos Offerte eingehen soll, dann wird das von Nicole Chevalier exzessiv ausgespielt. Auch Despina hat natürlich viel zu spielen. Selbst wenn sie nur eine hochschwangere Putzfrau ist und auch bleibt. Im Detail kommt da bei ihr viel gelebtes Leben zur Sprache. Und doch fügt es sich nicht in den historisierenden Verkleidungsausflug ein, wenn sie nur im blauen Kittel und mit gelben Gummihandschuhen ohne Verkleidung den Medicus und den Notar gib. Am Ende dann sitzen die Paare zunächst in der alten Konstellation auf den beiden Sofas nebeneinander und man sieht man allen das Erschrecken über das Erlebte bzw. über sich selbst an. Doch man kann sicher sein, dass diese alten Partnerschaften nicht mehr funktionieren werden. Reden wir mal über's Wetter. Aber von dem, was Mozart und Da Ponte da eigentlich über die Verwirrung der Gefühle, die sich jenseits der Konventionen entfalten, erzählen, das vermittelt sich hinter den Handgreiflichkeiten und Verkleidungen bei dieser Così fan tutte nicht wirklich. Auch musikalisch reifen nicht alle Blütenträume an der gerade zum Opernhaus des Jahres gekürten Komischen Oper. Wobei Nicole Chevalier als Fiordiligi bei den Damen die überzeugendste Gesamtleitung bietet, Theresa Kronthaler als spielfreudige Dorabella dem nahe kommt, während Mirka Wagner als Despina vor allem darstellerisch überzeugt. Bei den Herren ist Dominik Köninger der souveräne Guglielmo, während Ale Briscein seinen Ferrando oft mit erkennbarer Mühe stemmt. Tom Erik Lie ergänzt dieses Ensemble mit einem soliden Don Alfonso. Das, was auf der Bühne mit meist deutschem und in den Verkleidungsszenen italienischem Gesang an Aktionismus entfaltet wird, der am Ende dennoch etwas langweilig ist, kann auch Henrik Nánási am Pult des Orchester diesmal leider nicht ausgleichen. Hinzu kommt, die in einem Teil der Presse nach der Premiere harsch kritisierte Verwendung der deutschen Textfassung von Georg Schünemann, der bei den Nazis mit der Entjudung der Da Ponte-Texte Punkte sammelte. Gegen den Vorwurf, dass dem Intendanten hier auf peinliche Weise eine heikle Personalie durch die Lappen gegangen ist, lässt sich kaum etwas einwenden.
Alvis Hermanis dritter Regie-Ausflug in die Oper bleibt blass, weil weder Rahmenhandlung, noch Aktionismus über einen allzu konventionellen Ansatz hinwegtäuscht und die bestenfalls solide musikalische Qualität das nicht ausgleichen kannt. Die Oper ist längst weiter, als manch ein Schauspielregisseur sich denkt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Fiordiligi
Dorabella
Ferrando
Guglielmo
Despina
Don Alfonso
|
© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de