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Vollmond

Ein Stück von Pina Bausch
Musik von Amon Tobin, Alexander Balanescu, Cat Power, Carl Craig, Jun Miyake, Leftfield, Magyar Posse, Nenad Jelic, Rene Aubry, Tom Waits u. a.

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Wiederaufnahme im Opernhaus Wuppertal am 7. Mai 2013
(Uraufführung: 11.5.2006 im Schauspielhaus Wuppertal)


Logo: Tanztheater Pina Bausch

Tanztheater Wuppertal
(Homepage)
Erhöhte Kussbereitschaft im Dauerregen

Von Stefan Schmöe / Foto: Laurent Philippe

Was für ein Bühnenbild! Da liegt ein riesiger Felsbrocken, drei, vier, vielleicht fünf Meter im Durchmesser, auf der Bühne, beinahe schwebend, halb in Wasser eingetaucht. Und immer wieder fällt Regen vom Bühnenhimmel,m setzt die Hinterbühne komplett unter Wasser. Im meist warmen, leicht dämmerigen Streiflicht ist das so raffiniert ausgeleuchtet, dass das aufspritzende Wasser selbst zum unvergesslichen Bild wird. Was Peter Pabst, langjähriger Bühnenbildner an der Seite Pina Bauschs, hier für das Wuppertaler Tanztheater erdacht und gebaut hat, gehört zu den eindringlichsten Bühnenbildern überhaupt und lässt immer wieder staunen. Allein deshalb sollte man sich diese Produktion nicht entgehen lassen.

Vollmond, 2006 uraufgeführt und somit eines der letzen Stücke Pina Bauschs, spielt im und mit dem Wasser, und das reichlich übermütig. Im Finale tollt das Ensemble in Atem raubender Vitalität und höchstem Tempo im Wasser herum wie fröhliche Kinder. Waren die frühen und mittleren Stücke immer auf dem schmalen Grat zwischen (oft hysterischer) Freude und Schmerz austariert, so dominiert hier eine für Bausch’sche Verhältnisse ziemlich ungebrochen fröhliche Weltsicht. Es wird viel geküsst, aber gerade im Vergleich zum kurz zuvor neu einstudierten Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört von 1984 (unsere Rezension), wo die Akteure unter Gewalt zum Küssen gezwungen wurden, wird in Vollmond sehr viel leichtherziger geküsst. Fast wird das Küssen zum Sport, wenn die Herren virtuos von Stuhl zu Stuhl springen, wo die kussbereiten Damen bereits die Münder spitzen.

Szenenfoto

Auch Wasser auf der Bühne hat es früher schon bei Pina Bausch gegeben, in Arien (1979), und da hatte jede Umarmung, jeder Kuss auch etwas ungemein Schmerzliches und einen Hauch von Tod. Mehr als ein Vierteljahrhundert später ist das Lebensgefühl ein anderes, und das zeigt sich auch im verjüngten Ensemble, das gerade bei den Herren sehr dynamisch auftritt, mit halsbrecherischen Stunteinlagen und tollkühnen Sprüngen. Das hat eine große Leichtigkeit, die aber nicht zur Oberflächlichkeit wird. Denn immer wieder gibt es sehr intime Momente, ausgedehnte Soli, und bei allem Schutz und Trost, den die Gemeinschaft bietet, bleibt dieser Hauch von Einsamkeit. Im zweiten Teil gibt es eine lange ruhige, melancholische Passage (zu Musik für Streichquartett von Alexander Balanescu), die einen Ruhepunkt bildet und mit viel Gespür für die richtige Dramaturgie dem Stück die Basisd gibt, weil hier eine Schicht hinter der übermütigen Fröhlichkeit aufschimmert.

Es wird getanzt – und das ausgiebig, viel mehr als in früheren Stücken Pina Bauschs. Zwar gibt es noch die kleinen Sprechszenen - dafür ist hier Nazareth Panadero, seit 1980 im Ensemble, zuständig – aber das bleiben Einsprengsel in einem eindeutig von Tanz und viel weniger vom Theater dominierten Tanztheater. Fast durchweg Soli, sehr individuell und extrem nah an den Menschen, die sie tanzen, und eines großartiger als das andere. Wen soll man da herausheben? Vielleicht den kleinen und ungemein drahtigen, charismatischen Rainer Behr. Sicher die noch viel kleinere Ditta Miranda Jasjfi, die so ungemein traurig schauen kann wie ein Kind, das man allein gelassen hat, und die in ihren Bewegungen dann schier explodiert. Sicher Dominique Mercy, Weggefährte Pina Bauschs und Tänzer der ersten Stunde, der eine traurige, melancholische Note einbringt.

Vollmond ist eine Choreographie für ein relativ kleines Ensemble (je sechs Tänzerinnen und Tänzer) und bleibt schon dadurch vergleichsweise intim wie ein Kammerspiel. Trotzdem gibt es, ein bisschen verkleinert, eines der typischen Bausch-Ensembles über die Bühnendiagonale. An die alten Stücke erinnert der formale Aufbau mit einer Art Reprise, die wichtige Szenen noch einmal verkürzt vorführt. So hinterläst das Stück einen sehr konzentrierten, ausgewogenen Eindruck. Wie sehr diese Form von Tanz das Publikum nach wie vor berührt, zeigt der geradezu frenetische Jubel.


FAZIT

Mitreißend und von ungebrochener Vitalität.



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Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Pina Bausch

Bühne und Kostüme
Peter Pabst

Kostüme
Marion Cito

Mitarbeit
Marion Cito
Daphnis Kokkinos
Robert Sturm

Musikalische Mitarbeit
Matthias Burkert
Andreas Eisenschneider


Solisten

Pablo Aran Gimeno
Rainer Behr
Silvia Farias Heredia
Ditta Miranda Jasjfi
Dominique Mercy
Nazareth Panadero
Helena Pikon
Jorge Puerta Armenta
Azusa Seyama
Julie Anne Stanzak
Michael Strecker
Fernando Suels Mendoza


Eine hervorragende Auswahl
an Fotos von den Stücken
Pina Bauschs - auch diesem -
findet man unter
www.jochenviehoff.de


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Tanztheater Wuppertal
(Homepage)




Da capo al Fine

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