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Beschwingtes Fernweh der 30er Jahre
Von den mehr als 20 Operetten, die Eduard Künneke im Zeitraum
von 1919 bis 1949 komponierte, findet man im Repertoire der Opernhäuser
heutzutage eigentlich nur noch sein wohl bekanntestes Werk Der Vetter aus
Dingsda, obwohl seine Operette Glückliche Reise von 1932, die
eigentlich unter dem Titel Liebe ohne Grenzen ihre Uraufführung im
Theater am Kurfürstendamm in Berlin erleben sollte, lange Zeit vergleichbare
Erfolge feiern konnte. Zu nennen ist hier zum einen die Verfilmung von Thomas
Engel aus dem Jahr 1954 mit Paul Hubschmid, Inge Egger, Paul Klinger, Peer
Schmidt und Ina Peter in den Hauptrollen. Zum anderen hat auch Max Raabe dazu
beigetragen, dass beispielsweise durch seine Einspielung des Schlagers "Am
Amazonas" mit dem Palast-Orchester die schmissigen Melodien Künnekes nicht in
Vergessenheit geraten sind. Um diesem Werk auch auf der Bühne wieder mehr
Aufmerksamkeit zu schenken, hat Opernintendant Johannes Weigand diese Operette
in einer peppigen Inszenierung auf den Spielplan gestellt. "Am Amazonas, da wohnen unsere
Ahnen und werfen mit Bananen": Stefan (Olaf Haye, Mitte) schwärmt vom Urwald
(links hinten: Ludmilla (Annemarie Tributh), rechts: Homann (Gregor Henze) in
der Mitte: Damenchor). Die Handlung ist ähnlich verrückt, wie man es aus den
Operetten der 20er und 30er Jahre gewohnt ist. Robert von Hartenau und Stefan
Schwarzenberg kehren nach vielen Jahren aus dem brasilianischen Urwald nach
Berlin zurück, um dort zwei Berliner Mädchen kennen zu lernen, mit denen sie
bereits seit gewisser Zeit in Briefkontakt stehen. Allerdings haben es alle in
ihren Briefen mit der Wahrheit nicht so genau genommen. So hat die eine, Monika
Brink, eine Sekretärin in einem Reisebüro, sich einerseits als wohlhabende
Millionärin ausgegeben, die ständig auf Reisen ist, während sie andererseits
auch noch die Briefe für ihre Freundin und Kollegin Lona verfasst hat, die
bereits mit dem wesentlich älteren Regierungsrat Hübner verlobt ist. Die beiden
Männer hingegen haben in ihren Briefen den Eindruck erweckt, eine große Farm in
Südamerika zu bewirtschaften, obwohl sie eigentlich völlig mittellos sind.
Nachdem die ganzen Lügengeschichten aufgeflogen sind, siegt nach einer
durchwachten Nacht die Liebe, und Robert und Stefan beschließen, mit den beiden
Mädchen nach Südamerika aufzubrechen, auch wenn nicht klar ist, wie sie die
Überfahrt eigentlich finanzieren wollen. "Schatz, der erste Satz": Monika
(Annika Boos) zwischen ihrem Chef Homann (Gregor Henze, links) und Stefan (Olaf
Haye, rechts) Johannes Weigand verzichtet in seiner Inszenierung auf eine
Aktualisierung der Handlung und fängt so mit den liebevoll gestalteten Kostümen
von Markus Pysall das Flair der frühen 30er Jahre des letzten Jahrhunderts ein.
Der Urwald im ersten Bild entspricht mit dem knallbunten Hintergrund und den
aufgemalten Pflanzen wohl eher der westeuropäische Vorstellung der damaligen
Zeit über ferne Länder als den realen Zuständen, was sich auch in den Prospekten
des Reisebüros Homann im zweiten Bild widerspiegelt. Durch musikalische
Zwischenspiele werden die Umbaupausen zwischen den einzelnen Bildern geschickt
überbrückt und lassen keine Langeweile aufkommen. Was einzelne Sprechpassagen
vor allem im ersten Bild an Längen aufweisen, holen die flotten Melodien mit den
einfallsreichen Choreographien von Götz Hellriegel an Tempo wieder auf, so dass
die zweieinhalb Stunden nahezu im Flug vergehen und man beschwingt das Theater
am Ende verlässt, auch wenn sich der einen oder anderen Frauenrechtlerin
vielleicht bei dem präsentierten Frauenbild die Nackenhaare sträuben dürften. Zwischen Lona (Elena Fink) und
Robert (hier: Boris Leisenheimer) hat es gefunkt. Der große Erfolg des Abends dürfte neben der stimmigen
Inszenierung und der guten musikalischen Umsetzung der teils operettenseligen,
teils jazzigen Rhythmen Künnekes durch das Sinfonieorchester Wuppertal vor allem
dem spielfreudigen Ensemble zu verdanken sein. Da sind zunächst einmal die Damen
des von Jens Bingert einstudierten Chors zu nennen, die nicht nur als
reisewütige Tanzgruppe mit dem Fernziel Südamerika in exotischen Kostümen eine
gute Figur machen, sondern auch solistisch Akzente setzen, wenn zum Beispiel
Käte (Katharina Greiß) als Sekretärin im Reisebüro ständig mit dem Laufburschen
flirtet oder Ludmilla (Annemarie Tributh) als ältliche Jungfer insgeheim ihren
Chef anhimmelt, von ihm aber keinerlei Beachtung erhält. Auch Qian Zhang ist
sich als leicht dümmliche Squaw Sarah im brasilianischen Urwald für keine
Demütigung durch die Männer zu schade. Und auch für Monika (Annika
Boos) und Stefan (Olaf Haye) gibt es ein Happy End. Eine Glanzleistung liefert Gregor Henze als Reisebüroleiter
Homann ab, obwohl sein Einsatz bis kurz vor der Premiere noch in Frage stand.
Bei der Generalprobe am Tag zuvor hatte er sich nämlich eine Verletzung am Bein
zugezogen, so dass er nur mit einem Beinschiene und einer Krücke auftreten
konnte und einige Tanzszenen für ihn kurzfristig umdisponiert werden mussten.
Allerdings versteht Henze es jedoch, sein Handicap geschickt in die Inszenierung
einzubauen, und erweckt so schon beinahe den Eindruck, die Krücke sei in der
Inszenierung beabsichtigt. Großes komödiantisches Talent beweist er auch, wenn
er im dritten Bild nach der Pause leicht betrunken den Schlager "Das Leben ist
ein Karussell" anstimmt, wobei er sich von zwei Krankenschwestern verwöhnen
lässt, bevor er ein Bad im Wannsee nehmen will, ohne Badehose, wie er betont.
Auch das Terzett "Schatz, der erste Satz" mit Annika Boos und Olaf Haye
entwickelt sich musikalisch und szenisch zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Die beiden Liebespaare sind ebenfalls gut besetzt. Olaf Haye
überzeugt als Stefan Schwarzenberg mit beweglichem Bariton und großartigen
Tanzeinlagen, die er sowohl bei dem Evergreen "Am Amazonas" als auch in den
zahlreichen Duetten mit Annika Boos zum besten gibt. Boos versprüht als stets
unpünktliche Monika Brink quirligen Charme und steht mit ihren Tanzeinlagen Haye
in nichts nach. Christian Sturm gefällt als Robert von Hartenau mit großer
Spielfreude und tenoralem Schmelz, so dass es für ihn ein Leichtes ist, Lonas
Herz zu gewinnen. Elena Fink zeichnet die Lona Vonderhoff gekonnt spröde und
verlangt Sturm einige Anstrengung ab, um sie von ihrer geplanten Hochzeit mit
dem Langweiler Hübner (Stephan Ullrich) abzubringen. Finks Stimme ist dabei für
die Partie schon fast ein wenig zu schwer. Dennoch gibt auch sie mit Sturm ein
ideales Paar ab, so dass alle Beteiligten am Ende mit lang anhaltendem und
frenetischem Beifall überschüttet werden.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Bühne und Kostüme
Choreographie
Licht Choreinstudierung
Dramaturgie
Damenchor Statisterie der Sinfonieorchester Wuppertal Solisten*Premierenbesetzung Lona Vonderhoff Robert von Hartenau Monika
Brink Stefan
Schwarzenberg
Homann
Regierungsrat Hübner / Kapitän Brangersen
Sarah
Managerin Bielefeld
Ludmilla
Käte
Paul
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- Fine -