Ein Liebestrank aus Milch und Schnaps
Von Ursula
Decker-Bönniger / Fotos von
Marek
Kruszewski
Wie man das musiktheaterbegeisterte Publikum bei
diesen frostigen Temperaturen mit einer herzigen,
italienschen Liebesgeschichte aufwärmen
kann, zeigt das Theater Osnabrück mit seiner
neuen, beeindruckend stimmigen Produktion: einer
unterhaltsamen, humorvoll untermalten Inszenierung
von Donizettis L’Elisir d’amore.
1832 im Mailänder Teatro Canobbiana
uraufgeführt gehört dieses
Melodramma giocoso zu den nach wie vor besonders
erfolgreichen Werken des bis zu fünf Opern pro Saison
komponierenden Donizetti. Wundervolle Melodien,
differenziertes, abwechslungsreiches Formspiel von Kavatine, Chor- und Ensemblepassagen; dazu ein
temperamentvoll schmachtender, hoffnungslos
verliebter, junger Mann, dem das Schicksal zu einem
reichen Erbe verhilft, eine kesse Angebetete, die
die Fäden des Spiels in der Hand behält,
ein an die Commedia dell’arte erinnernder, über
die plötzlichen Zauberkräfte seiner Mixtur
überraschter Quacksalber sowie ein von
seinem Charme überzeugter Sergeant.
Regisseur Guillermo Amaya verlegt die Handlung ins
ländliche Italien der 1950/60er Jahre, wo der
junge Nemorino vergeblich um die Zuneigung der
kapriziösen Molkereichefin Adina wirbt. L’elisir
d’amore ist hier keine Flasche Bordeaux,
sondern ein alkoholischer „Zaubertrank“ namens White
Russian, ein Mix aus überwiegend Schnaps
und Milch.
Die Horrovision Nemorinos:
Sergeant Belcore und Adina (Susan Vent) als
Hochzeitspaar
Amaya würzt die Geschichte mit
kleinen witzigen Einlagen, ohne den
romantischen Charakter zu schmälern. So wird
man gleich zu Beginn in das Gesellschaftsleben vor
Ort eingeführt: Parallel zur den marschigen
Klängen der Introduktion sieht man einheitlich
gewandete ArbeiterInnen munter und gutgelaunt
Milchflaschen verpacken und stapeln. Bei der
Qualitätskontrolle scheint die Milch - zum
Erschrecken Aller - nicht in Ordnung zu sein. Die
probierende Gianetta hält sich – passend zu den
Fortissimo-Akkordschlägen – den Mund zu, um
Schlimmeres zu verhindern und eilt von dannen.
Dottore Ducamara betritt mit einem klapprigen
Piaggio-Kleinlastwagen die Bühne. Regisseur
Amaya hat ihm einen Gehilfen an die Seite gestellt,
eine Art Arlechino, der die langweiligen
Ausführungen des Dottore witzig und
schlagfertig kommentiert und das Publikum
pantomimisch unterhält. Er ist es auch,
der als Adina verkleidet das Publikum im zweiten
Akt in einer improvisierten Szene belustigt.
Und die lange Einleitung zum ersten Auftritt des
Becore wird genutzt, um ihn - analog zu seiner
Selbstverliebtheit - aus dem Bühnenhimmel
herabschweben zu lassen.
Bühnenbildner Alexandre Corazzola, der auch
für die angemessenen, unaufdringlichen
Kostüme verantwortlich zeichnet, sorgt
mittels Drehbühneneinsatz für
bewegte, abwechslungsreiche Innen- und
Außenansichten der Molkerei Latte Adina und
einen schnellen, reibungslosen Szenenwechsel.
Auch musikalisch überzeugt die Darbietung unter
der umsichtigen Leitung Daniel Inbals. Zu einem
engagierten Sängerensemble und rhythmisch
beschwingt aufspielenden Osnabrücker
Sinfonieorchester gesellen sich ein sängerisch
und schauspielerisch bestens aufgelegter Chor und
Extrachor, der homogen und
textverständlich auch die beschleunigenden
Finali meistert, und im zweiten Akt Blechbläser der
Bläserphilharmonie Osnabrück auf der Bühne.
Quacksalber Dulcamara und sein Assistent Giacomo (Jacques
Freyber)
Christina Haase, die in der
besuchten Vorstellung die Rolle der Adina sang,
stellt eher eine kapriziöse, denn empfindsame
Adina dar. Sie kultiviert ihre schlank
geführten Koloraturen und lupenreinen
Spitzentöne soubrettenhaft mit neckischem
Augenklappern. Tina Cowling übernahm in dieser
Vorstellung die konkurrierende, nach Liebe suchende
Gianetta. Bariton Daniel Moon ist ein mit Kraft,
Koloraturen und Verzierungen selbstverliebt
prahlender Sergeant Belcore, Grenadijus
Bergorulko ein buffonesk und virtuos plappernder
Dottore Dulcamara. Besonderes Lob gilt Jacques
Freyber, der an der Seite Dulcamaras für die
buffoneske Untermalung sorgt.
Star des Abend war der erst 26 Jahre alte,
anrührend spielen- und singende Tenor Davide
Guisti, der kurzfristig für den erkrankten
Daniel Wagner die Rolle des naiven Nemorino
übernahm. Kraftvoll, mit Träne und
italienischem Schmelz wusste er auch gegen Ende des
zweiten Aktes noch dynamisch differenziert, mit
lyrischer Wärme das Publikum in "Una
furtiva lagrima" zu begeistern.
FAZIT
Eine unterhaltsame, humorvoll
gewürzte Inszenierung und musikalisch
ansprechende Darbietung