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Im weißen Rössl  

Singspiel in drei Akten  
Text von Hans Müller und Erik Charell, frei nach dem Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg,
Musik von Ralph Benatzky
Gesangstexte von Robert Gilbert
Musikalische Einlagen von Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert, Robert Stolz und Hans Frankowski

in deutscher Sprache    

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 3.11.2012    

              
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Theater Münster
(Homepage)
Berge, Kitsch und Walzerseligkeit        


Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jochen Quast

Eingepackt in einen goldenen, leicht schief hängenden Bilderrahmen mit österreichischem Doppeladler und Revuebeleuchtung führt die Kathi von der Post mit einem selbstironisch missglückenden Changieren zwischen Jodeln und Koloratur in den Abend ein: Eine restaurativ angestaubte, kitschig rosa-blaue, österreichische Bergidylle St. Wolfgang wird vom sommerlichen Touristenansturm überrollt. Da trifft ein ewig grantelnder Österreicher auf die unflexible, freche Berliner Schnauze. Der schöne Sülzheimer-Sohn Sigismund findet Gefallen am lispelnden Klärchen, Tochter des in einer Dachkammer logierenden, weltfremd schwärmenden Professors. Rechtsanwalt Siedler hat sich in die elegante Tochter seines Gegners verguckt.

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Kitschige Postkartenidylle

Und neben den seichten Liebesgeschichten darf die Moral von der G'schicht nicht fehlen: "Schweige und begnüge dich; lächle und füge dich". So weist ein dümmlich wirkender, tumber Kaiser Franz Joseph in einem mit Zither und schmachtender Solovioline begleiteten Melodram die in der Liebe nach Höherem strebende Rössl-Wirtin Josepha in ihre Schranken. Und siehe da: der eben noch geschasste Zahlkellner Leopold avanciert zum überglücklichen Ehemann. Ein Happyend auch für die kurz zuvor noch im Rechtsstreit liegenden Väter, die sich in die Partnerwahl ihrer Kinder fügen. So endet die Benatzky-Operette Im weißen Rössl, mit dessen Inszenierung sich der neue Intendant des Theater Münster Ulrich Peters als Regisseur vorstellt.

Im weißen Rössl, 1930 im Berliner Schauspielhaus erfolgreich uraufgeführt und einige Jahre später im nationalsozialistischen Deutschland verboten, ist eine weltweit erfolgreiche Koproduktion, die innerhalb eines halben Jahres vertextet, vertont und inszeniert wurde. Hans Müller und Erik Charell haben das 1898 entstandene, gleichnamige Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg textlich bearbeitet. Die Gesangstexte stammen von Robert Gilbert, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft schließlich in die USA emigrierte. Von ihm, Bruno Granichstaedten, Hans Frankowski und Robert Stolz, der Deutschland aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus verließ, stammen die eingängigen, musikalischen Einlagen. Auch der ungenannte Eduard Künneke hat mit Instrumentierung und Chorpartien zum Gelingen der Uraufführung beigetragen.

Das in den 1950er Jahren zur Edelschmonzette gekürzte und verkommene Rössl erlebte 1994 in der Berliner Kabarettbühne Bar jeder Vernunft eine ungeahnte Wiedergeburt. Und mittlerweile, Anfang 2009, hat man in Zagreb das vollständige historische Orchestermaterial, das laut Wikipedia "greller" und "jazziger" sei, gefunden. Wie schade, dass Peters als Vorlage der münsterschen Inszenierung eine alles in allem in den Dialogen wenig zeitgemäße, biedere Fassung aus dem Jahre 1951 verwendet. Zwar wurde die unterhaltsame, zu Herzen gehende Walzerseligkeit musikalisch entschlackt und die marschigen Ohrwürmer mit einer leicht angejazzten, swingenden Instrumentierung versehen. Jedoch ist der possenhafte Sprachwitz nach kurzer Zeit allzu vorhersehbar und parodistische Anklänge an das Revuetheater der 1920er Jahre bleiben auf das Ende des 1. Aktes beschränkt.

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Die fesche Rössl-Wirtin

Peters will in seiner Inszenierung laut Programmheft vor allem auf die Darstellung der Handlung und ihrer Verknüpfung mit der Musik setzen. Aber entbehrt nicht gerade die Rössl-Handlung jeder dramatischen Spannung? Und lebt nicht die Musik vielmehr von einer Aneinanderreihung verschiedener Nummern, die einer kontrast- und abwechslungsreichen Revueaufbereitung bedurft hätten? Stattdessen überwiegen schön gestellte, kitschig ausgeleuchtete Postkartenbilder mit Almgeläute und Dampfschiffsirene, mit Gasthof und Sonnenterrasse im Vordergrund, See und Bergidyll im Hintergrund. Die erweiterte Bühne schließt den Orchestergraben mit ein. Für die Badeszene ist er mit einer Beckenleiter ausgestattet und Edelweiß garniert. Vorne links künden weiß glitzernde Bergspitzen und Gipfelkreuz  von dem zündenden Kuss zwischen dem schönen Sigismund und dem süßen, lispelnd verschüchterten Klärchen. Gegenüber auf der rechten Seite ist ein blau-weiß gestreifter Kiosk für das Besäufnis des liebeskranken, arbeitslosen Zahlkellners. Ein witziger Einfall lässt die Kathi von der Post auf einem Sessellift hereinfahren. Als Siedler und Gieseke sich im 2. Akt jedoch hinter einer bemalten Pappwand begegnen, fühlt man sich eher an Schülertheater erinnert. Eben solch ein Wink mit der Brechstange ist die hin und wieder schräg von der Seite ins Bild glotzende übergroße Kuh, die Gems auf der Alpnatur-Wand oder der an Bibi Blocksberg erinnernde Schnipp für den Zeitsprung, mit dem die Ankunft des Kaisers eingeleitet wird.

Klischeehaft werden in der Inszenierung Stadt und Land gegenübergestellt. Hier herrscht schön kostümierte Eleganz selbst beim Wanderoutfit. Tennis und Golf werden als Freizeitaktivitäten angedeutet, während dort neben Dirndlschick eine Auseinandersetzung mit grobschlächtigem Watschen beendet wird. Und sieht man einmal von der gelungenen, an bewegtes Revuetheater erinnernden Schlussszene des 1. Aktes ab, so hat die Personenregie ansonsten wenig an Überraschung und Einfallsreichtum zu bieten.

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Giesecke tanzt mit der Rössl-Wirtin den Schnadahupferl

Musikalisch jedoch zeichnet sich die Inszenierung durch eine gelungene Instrumentierung und Besetzung von Schauspielern, Sängerinnen und Sängern aus. Zwar fehlte - zumindest in der Premiere - dem Chor noch die textverständliche, homogene Artikulation, aber unter der Leitung Hendrik Vestmanns walzert, ländlert und swingt das Sinfonieorchester Münster mit viel Gefühl. Spätestens beim Radetzkymarsch sprang der Funke und viele Premierenbesucher klatschten begeistert mit. Dirk Lohr ist ein wunderbar rüpeliger Wilhelm Giesecke mit echter Berliner Schnautze und Henrike Jakob als eleganter Tochter Ottilie an seiner Seite. Erwin Belakowitsch weiß mit Wiener Schmäh und zarter, schlank geführter Kopfstimme das Publikum zu verführen. Lisa Wedekinds klangvoller Sopran verkörpert die resolute Wirtin Josepha Vogelhuber. Fritz Steinbacher bezaubert mit schöner, lyrischer Klangfärbung als Sigismund Sülzheimer. Robert Sellier ist ein selbstbewusster Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler. Marek Sarnowski überzeugt im Melodram als tumber Kaiser Franz. Wolfram Grüsser stellt einen alten, verarmten Prof. Dr. Hinzelmann dar, der zu seinem Leidwesen nur alle drei Jahre mit Tochter Klärchen - witzig charakterisiert von Kathrin Ost - seiner Reiseleidenschaft nachgehen kann. Tom Ohnerast zeigt einen jungen, wissbegierigen Kellner, der sich schnell die Lebensweisheiten Leopolds zu eigen macht. Larissa Neudert ist die immer mit den neuesten Nachrichten ausgestattete Kathi Weghalter.

FAZIT

Eine restaurativ angestaubte, in ästhetischem Kitsch glitzernde Inszenierung, ein musikalisch unterhaltsamer Abend mit leichtem Swing, Walzerseligkeit, Schlager-Ohrwürmern und schönen einprägsamen Melodien.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Hendrik Vestmann
 
Inszenierung
Ulrich Peters

Bühne
Christian Floeren

Kostüme
Götz Lanzelot Fischer

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Dramaturgie
Margrit Poremba



Opernchor

Sinfonieorchester Münster



Solisten

Josepha Vogelhuber
Lisa Wedekind

Leopold Brandmeyer
Erwin Belakowitsch

Wilhelm Giesecke
Dirk Lohr

Ottilie
Henrike Jacob

Dr. Otto Siedler
Robert Sellier

Sigismund Sülzheimer
Fritz Steinbacher

Prof. Dr. Hinzelmann
Wolfram Grüsser

Klärchen
Kathrin Ost

Kaiser Franz Joseph II
Marek Sarnowski

Piccolo
Tom Ohnerast

Kathi
Larissa Neudert






Weitere Informationen

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