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Berge, Kitsch und Walzerseligkeit
Eingepackt in einen goldenen, leicht schief
hängenden Bilderrahmen mit österreichischem
Doppeladler und Revuebeleuchtung führt die Kathi
von der Post mit einem selbstironisch
missglückenden Changieren zwischen Jodeln und
Koloratur in den Abend ein:
Eine restaurativ angestaubte, kitschig rosa-blaue,
österreichische Bergidylle St. Wolfgang wird vom
sommerlichen Touristenansturm überrollt. Da
trifft ein ewig grantelnder Österreicher auf die
unflexible, freche Berliner Schnauze. Der schöne
Sülzheimer-Sohn Sigismund findet Gefallen am
lispelnden Klärchen, Tochter des in einer
Dachkammer logierenden, weltfremd schwärmenden
Professors. Rechtsanwalt Siedler hat sich in die
elegante Tochter seines Gegners verguckt.
Kitschige Postkartenidylle
Und neben den seichten Liebesgeschichten darf die
Moral von der G'schicht nicht fehlen: "Schweige und
begnüge dich; lächle und füge dich". So
weist ein dümmlich wirkender, tumber Kaiser Franz
Joseph in einem mit Zither und schmachtender
Solovioline begleiteten Melodram die in der Liebe nach
Höherem strebende Rössl-Wirtin Josepha in
ihre Schranken. Und siehe da: der eben noch geschasste
Zahlkellner Leopold avanciert zum
überglücklichen Ehemann. Ein Happyend auch
für die kurz zuvor noch im Rechtsstreit liegenden
Väter, die sich in die Partnerwahl ihrer Kinder
fügen.
So endet die Benatzky-Operette Im weißen
Rössl, mit dessen Inszenierung sich der
neue Intendant des Theater Münster Ulrich Peters
als Regisseur vorstellt. Die fesche Rössl-Wirtin
Peters will in seiner Inszenierung laut Programmheft
vor allem auf die Darstellung der Handlung und ihrer
Verknüpfung mit der Musik setzen. Aber entbehrt
nicht gerade die Rössl-Handlung
jeder dramatischen Spannung? Und lebt nicht die Musik
vielmehr von einer Aneinanderreihung verschiedener
Nummern, die einer kontrast- und abwechslungsreichen
Revueaufbereitung bedurft hätten?
Stattdessen überwiegen schön gestellte,
kitschig ausgeleuchtete Postkartenbilder mit
Almgeläute und Dampfschiffsirene, mit Gasthof und
Sonnenterrasse im Vordergrund, See und Bergidyll im
Hintergrund. Die erweiterte Bühne schließt
den Orchestergraben mit ein. Für die Badeszene
ist er mit einer Beckenleiter ausgestattet und
Edelweiß garniert. Vorne links künden
weiß glitzernde Bergspitzen und
Gipfelkreuz von dem zündenden Kuss zwischen
dem schönen Sigismund und dem süßen,
lispelnd verschüchterten Klärchen.
Gegenüber auf der rechten Seite ist ein
blau-weiß gestreifter Kiosk für das
Besäufnis des liebeskranken, arbeitslosen
Zahlkellners.
Ein witziger Einfall lässt die Kathi von der Post
auf einem Sessellift hereinfahren. Als Siedler und
Gieseke sich im 2. Akt jedoch hinter einer bemalten
Pappwand begegnen, fühlt man sich eher an
Schülertheater erinnert. Eben solch ein Wink mit
der Brechstange ist die hin und wieder schräg von
der Seite ins Bild glotzende übergroße Kuh,
die Gems auf der Alpnatur-Wand oder der an Bibi
Blocksberg erinnernde Schnipp für den Zeitsprung,
mit dem die Ankunft des Kaisers eingeleitet wird. Giesecke tanzt mit der Rössl-Wirtin den Schnadahupferl Musikalisch jedoch zeichnet sich die Inszenierung durch eine gelungene Instrumentierung und Besetzung von Schauspielern, Sängerinnen und Sängern aus. Zwar fehlte - zumindest in der Premiere - dem Chor noch die textverständliche, homogene Artikulation, aber unter der Leitung Hendrik Vestmanns walzert, ländlert und swingt das Sinfonieorchester Münster mit viel Gefühl. Spätestens beim Radetzkymarsch sprang der Funke und viele Premierenbesucher klatschten begeistert mit. Dirk Lohr ist ein wunderbar rüpeliger Wilhelm Giesecke mit echter Berliner Schnautze und Henrike Jakob als eleganter Tochter Ottilie an seiner Seite. Erwin Belakowitsch weiß mit Wiener Schmäh und zarter, schlank geführter Kopfstimme das Publikum zu verführen. Lisa Wedekinds klangvoller Sopran verkörpert die resolute Wirtin Josepha Vogelhuber. Fritz Steinbacher bezaubert mit schöner, lyrischer Klangfärbung als Sigismund Sülzheimer. Robert Sellier ist ein selbstbewusster Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler. Marek Sarnowski überzeugt im Melodram als tumber Kaiser Franz. Wolfram Grüsser stellt einen alten, verarmten Prof. Dr. Hinzelmann dar, der zu seinem Leidwesen nur alle drei Jahre mit Tochter Klärchen - witzig charakterisiert von Kathrin Ost - seiner Reiseleidenschaft nachgehen kann. Tom Ohnerast zeigt einen jungen, wissbegierigen Kellner, der sich schnell die Lebensweisheiten Leopolds zu eigen macht. Larissa Neudert ist die immer mit den neuesten Nachrichten ausgestattete Kathi Weghalter. FAZIT Eine restaurativ angestaubte, in ästhetischem Kitsch glitzernde Inszenierung, ein musikalisch unterhaltsamer Abend mit leichtem Swing, Walzerseligkeit, Schlager-Ohrwürmern und schönen einprägsamen Melodien. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Sinfonieorchester
Münster
Solisten Josepha
Vogelhuber
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- Fine -