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Boris Godunow

Oper in vier Teilen
Text und Musik von Modest Mussorgsky
Urfassung von 1868/69

in russischer Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (keine Pause)

Uraufführung am 13. Februar 2013 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Aus dem Kreml nichts Neues

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl
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Ein Fall wie dieser Boris Godunow ist eher selten. Durch Alexander Puschkins Drama (1825) und Modest Mussorgskys Breitbandoper (1868/69) hat er seinen Platz in der Ahnengalerie der Mächtigen sicher. Und das nicht etwa, weil er durch den befohlenen Mord am legitimen Thronfolger seines Vorgängers an die Macht gekommen ist. Dass Macht auf einem Akt der Gewalt beruht, ist ja mehr die Regel, als die Ausnahme. Dynastien, Diktatoren oder revolutionäre Despoten sind da auffällig verwandt. Auch dieser Boris tanzt da keineswegs aus dieser Reihe. Die Hände seines Vorgängers trieften vor Blut. Und sein Nachfolger, der Klosterschüler Grigorij, der sich (angeregt durch den alten Mönch Pimen, der das alles mit Chronisteneifer für die Nachwelt protokolliert) als legitimer Zarewitsch ausgibt, bringt bei Calixto Bieito gleich eigenhändig die beiden Zarenkinder und deren Amme um, wenn er im Schlussbild die Macht übernimmt. Und der ewige Strippenzieher Fürst Schuiskij organisiert mit einem prall gefüllten Umschlag für jeden Bojaren (die hier mehr wie moderne Oligarchen aus dem heutigen Russland aussehen) den Rest.

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Was zeitloses Machthaberporträt ist, springt in München damit ins Auge. Da hätte es der Plakate des jubelnden Volkes mit den Bildern der aktuellen Möchtegern-Weltpolitiker von Sarkozy über Putin bis Berlusconi (netterweise ohne deutsche Kanzlerin) gar nicht bedurft. Auch, dass sich dieser Boris selbst als Wohltäter wahrnimmt, den der undankbare Pöbel nur nicht versteht, ist noch einigermaßen nachvollziehbar. So manche Diktatur startete als Utopie, bevor sie im Blut landete.

Dass Boris Godunow aber von den Schatten seiner Untat eingeholt wird, weil er auch nach Jahren an der Macht ein Gewissen hat, das sich dann auch noch meldet und ihn in die Knie zwingt, das ist schon ungewöhnlich. Das nimmt sogar partiell für ihn ein. Bieito konzentriert sich in der für seine Verhältnisse erstaunlich schlackenlosen und (theater)blutarmen Inszenierung auf diese Tragödie seines Protagonisten. Und der Ukrainer Alexander Tsymbalyuk hat dafür das rechte Format. Ein noch junges Mannsbild (von Ferne seinem Landsmann Klitschko gar nicht unähnlich) mit fantastischer Stimme und darstellerischem Charisma. Wenn der am Ende während einer gefühlten Ewigkeit langsam in Zeitlupe zu Boden geht, kommt niemand auch nur auf die Idee, das lächerlich zu finden.

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Die Bühne von Rebecca Ringst beschränkt sich aufs Nötigste. Für die Massenszenen reichen ein paar Absperrgitter an der Rampe, eine hochgerüstete und stets prügelbereite Spezialeinheit und jede Menge Fähnchen mit Zarenporträt. Für die Schenke an der polnischen Grenze reicht ein überladener Einkaufswagen für die „Wirtin“, die hier gleich mal eigenhändig einen der Grenzer erschießt, die auf der Suche nach dem falschen Zarewitsch sind. Dabei bleibt's aber in Sachen Polen, den dort angesiedelten Akt gibt es in der von Kent Nagano dirigierten Urfassung nicht. Die Innenräume des Zaren verbergen sich in einem überdimensionalen Stahlcontainer. In geschlossenem Zustand ist er die Tribüne für den Herrscher. Wen er sich öffnet, dann gibt er den Blick in moderne Wohn- und Arbeitsräume frei.

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Kreml-Pracht im Bunkerformat. In den Wohnräumen des Zaren mit einer Karte des Imperiums an der Wand und einen Globusball zum Spielen für den Zarennachwuchs. Was durchaus auf Charlie Chaplins berühmte Diktatoren-Metapher aus dem Großen Diktator anspielt. Mit den Bojaren trifft sich Boris, wenn es sein muss, nebenan an einem üppigen Konferenztisch unter einem gewaltigen Kronleuchter. Oder sie kungeln dort allein vor sich hin. Sicherheitshalber immer mit einem Seitenblick auf Schuiskij, dem der eloquente Charakterdarsteller Gerhard Siegel das rechte Intrigantenformat verpasst. Der hat immer die entscheidenden Informationen für die Möchtegernputschisten. Darüber, wie es dem Zaren wirklich geht und wie der Wind sich drehen wird. Und er hat die Koffer mit dem Geld.

Für Kent Nagano war es, vor seinem Wechsel nach Hamburg, die letzte Opernpremiere als GMD des Bayerischen Staatsorchesters. Der Urfassung des Godunow verleiht der oftmals auf den Analytiker reduzierte Dirigent gleichwohl emotionales Volumen und eine auf die Katastrophe zutreibende dunkle Kraft.

FAZIT

In München gab es für Kent Nagano, die Protagonisten und auch für das Regieteam um Calixto Bieito einhelligen Beifall. Mit dieser Urfassung von Modest Mussorgskys Boris Godunow hat die Bayerische Staatsoper in München eine stimmige Gesamtleistung präsentiert. Sie gehört zum Besten der Saison.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Inszenierung
Calixto Bieito

Bühne
Rebecca Ringst

Kostüme
Ingo Krügler

Licht
Michael Bauer

Chor
Sören Eckhoff

Dramaturgie
Andrea Schönhofer



Chor der Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten

Boris Godunow
Alexander Tsymbalyuk

Fjodor
Yulia Sokolik

Xenia
Eri Nakamura

Xenias
AmmeHeike Grötzinger

Fürst Schuiskij
Gerhard Siegel

Andrej Schtschelkalow
Markus Eiche

Pimen
Anatoli Kotscherga

Grigorij Otrepjew
Sergey Skorokhodov

Warlaam
Vladimir Matorin

Missail
Ulrich Reß

Schenkwirtin
Okka von der Damerau

Gottesnarr
Kevin Conners

Nikititsch
Goran Juriæ

Leibbojar
Dean Power

Mitjucha
Tareq Nazmi

Hauptmann der Streifenwache
Christian Rieger


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

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