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Beatrice di Tenda

Oper in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von
Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere in Landshut am 9. November 2012 (Premiere in Passau am 03.11.2012)
(rezensierte Aufführung: 10.11.2012)

Logo: Landestheater Niederbayern
Landestheater Niederbayern
(Homepage)

Belcanto-Festival der Stimmen


Von Thomas Molke / Fotos von
Peter Litvai

Vincenzo Bellinis Opern wird am Landestheater Niederbayern besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So gibt es nach La sonnambula und Norma in den vergangenen Spielzeiten in dieser Saison die selten gespielte lyrische Tragödie Beatrice di Tenda, die in den letzten Jahren vor allem dank einer Sängerin wieder einen steigenden Bekanntheitsgrad beim Opernpublikum verbuchen konnte: Edita Gruberova. Vielleicht ist es aber gerade der Respekt vor dieser Diva des Belcanto, der zahlreiche Opernbühnen davon Abstand nehmen lässt, dieses Werk um eine Frau, die in ihrer Tragik mit den großen historischen Opern-Heroinen Anne Boleyn und Maria Stuart durchaus gleichgestellt werden kann, auf den Spielplan zu setzen. Intendant Stefan Tilch wagt es und kann mit Elvira Hasanagic eine Sängerin präsentieren, die diese Herausforderung in jeder Beziehung aufnehmen kann. Und so kann sich der niederbayerische Theaterverbund, der die Städte Landshut, Passau und Straubing kulturell verbindet, zum 60-jährigen Bestehen erneut als Hochburg des Belcanto präsentieren.

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Agnese (Jennifer Davison) gesteht Orombello (Mario Sofroniou) ihre Liebe.

Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit aus Mailand um 1418. Beatrice di Tenda hat nach dem Tod des ruhmreichen norditalienischen Söldnerführers Facino Cane den zwanzig Jahre jüngeren Filippo Maria Visconti geheiratet und ihm somit zu Macht und Reichtum verholfen. Filippo liebt jedoch die Hofdame Agnese del Maino und will seine Gattin loswerden. Agnese wiederum ist Orombello zugetan, der jedoch Beatrice verehrt und ihr leidenschaftliche Briefe schreibt, die allerdings von ihr unerhört bleiben. Als Agnese von Orombellos Zuneigung zu Beatrice erfährt, plant sie Rache, indem sie die Briefe an Filippo weitergibt, der darin die willkommene Gelegenheit sieht, seine Gattin der Untreue zu beschuldigen. Alle Versuche, Beatrice selbst unter Folter zu einem Eingeständnis ihrer Schuld zu zwingen, schlagen fehl. Doch Filippo fürchtet nicht nur eine Verschwörung sondern auch den Gesichtsverlust, wenn er Beatrice nach der erhobenen Anklage für unschuldig erklärt, und lässt daher seine Frau zusammen mit Orombello hinrichten. Agnese bereut ihre Tat und bitte Beatrice um Vergebung, die diese ihr gewährt, bevor sie gefasst in den Tod geht.

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Beatrice (Elvira Hasanagic) ist verzweifelt.

Das Regie-Team um Sebastian von Kerssenbrock verzichtet auf ein bombastisches Bühnenbild und konzentriert sich auf die inneren Vorgänge der einzelnen Figuren. So besteht das Bühnenbild von Gottfried Pilz größtenteils nur aus drei drehbaren doppelten Bühnenelementen, die zum einen als Rückwand fungieren, zum anderen aber auch schmale nach hinten spitz zulaufende Räume darstellen, die die einzelnen Figuren einengen. Im ersten Akt ist dies Agnese, die zwar von Filippo geliebt wird, sich jedoch zu Orombello hingezogen fühlt. Im zweiten Akt sind es Beatrice und Orombello, die in ihren kleinen Zellen unter Folter zu einem Geständnis gebracht werden sollen. Einzig Filippo begibt sich nie in einen solchen Raum, da er in seinen Handlungen scheinbar über jegliche Zwänge erhaben ist. Auch die Beleuchtung ist bei diesen Wänden genau auf die Farben der Kostüme abgestimmt. Bei Filippo sind die Wände so schwarz wie sein Anzug und seine Seele. Bei Beatrice schimmern die Wände nachtblau wie ihr langes glänzendes Abendkleid. Hinzu kommen ständig aufsteigende Nebelschwaden, die eine gewisse Schauerromantik erzeugen.

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Filippo (Kyung Chun Kim) im Zwiespalt: Soll er seine Frau wirklich hinrichten lassen?

Der Chor fungiert als innere Stimme der Figuren. Daher tritt er schwarz maskiert auf und scheint Filippo sein Handeln einzuflüstern. Dabei kriechen die Chormitglieder bisweilen auch auf allen Vieren wie die Nebelschwaden auf die Bühne und nisten sich so in Filippos Kopf regelrecht ein. Fünf Statistinnen in schneeweißen Gewändern stellen symbolisch den Garten dar, in dem Beatrice flaniert, und verkörpern die Reinheit der Titelfigur. Im zweiten Akt fallen diese Statistinnen scheinbar dem Henkerbeil zum Opfer. Weiße Blätter liegen nicht nur auf dem Boden, sondern rieseln auch aus dem Schnürboden herab und scheinen Beatrice im Stillen dafür anzuklagen, dass sie Filippo geheiratet hat und seiner Willkür kein Ende setzt. Bei dieser Masse an Blättern kann Filippo gar nicht anders und muss seine Frau zwangsläufig verurteilen. Eine weitere Komponente kommt auch der christlichen Symbolik in der Inszenierung zu. Filippo trägt über seinem Anzug direkt zwei Kreuze, um sein Handeln aus göttlicher Sicht zu rechtfertigen. Wenn er am Ende beschließt, seine Frau hinrichten zu lassen, reißt er eine Jesus-Figur vom Kreuz, um sich dagegen zu wehren, dass Beatrice den Anschein einer unschuldig verurteilten Märtyrerin machen soll. Doch auch das Köpfen dieser Figur bringt ihm nichts. Beatrice setzt die Figur wieder zusammen und geht so wie eine Heilige in den Tod.

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Beatrice (Elvira Hasanagic, vorne) ist verurteilt, Agnese (Jennifer Davison, links) bereut (im Hintergrund: Statisterie und Chor des Landestheaters Niederbayern).

Interessant sind auch die Parallelen, die von Kerssenbrock zwischen den beiden Frauengestalten aufstellt. Beatrices und Agneses lange Kleider sind exakt gleich geschnitten und unterscheiden sich nur in der Farbe, Dunkelblau bei Beatrice und Türkis bei Agnese. Auch die ähnliche Frisur legt eine Verbindung zwischen diesen beiden Frauen nahe. Agnese soll Beatrices Rolle übernehmen. Von daher trägt sie im zweiten Akt auch die dunkelblaue Stola, die eigentlich zu Beatrices Kleid gehört. Agneses türkisfarbene Stola hingegen ist wie eine Korsage um Beatrices Kleid gewickelt und schnürt diese im Gefängnis gewissermaßen ein. Schließlich ist es Agneses Intrige, die zur Verurteilung geführt hat. Erst wenn Beatrice am Ende Agnese vergibt, befreit letztere sie von der Stola. Während die Wahl dieser beiden Kostüme überzeugt, wirken die goldene Papierkrone, die sich Filippo über den Hut stülpt, und die schwarze Sonnenbrille, die er aufsetzt, um sich Beatrices Flehen zu verschließen, eher unmotiviert.

Musikalisch bewegt sich die Produktion auf hohem Niveau. Basil H. E. Coleman kostet mit den Niederbayerischen Symphonikern die wunderbaren Belcanto-Bögen regelrecht schwelgerisch aus. Der von Christine Strubel einstudierte Chor macht seine Sache darstellerisch gut, auch wenn es in einzelnen Passagen kleinere Ungenauigkeiten bei den Tempi gibt. Mario Sofroniou wirkt als Orombello zu Beginn des Abends noch ein wenig belegt - vielleicht, weil er die Partie am Vortag in der Premiere auch schon gesungen hat? - steigert sich im Verlauf des Abends jedoch und überzeugt vor allem in der baritonal angehauchten Mittellage. In den Höhen forciert er ein wenig, hält die Töne allerdings sauber. Jennifer Davison begeistert mit warmem Sopran und bewegendem Spiel als Agnese, und Kyung Chun Kim punktet mit stählernem Bariton als Bösewicht Filippo. Sehr gut gelingt es Kim auch, die innere Zerrissenheit des Herzogs darzustellen. Höhepunkt des Abends ist Elvira Hasanagic in der Titelpartie. Wie filigran sie in den Höhen die Verzweiflung Beatrices spüren lässt und mit welcher Dramatik sie an anderen Stellen auftrumpfen kann, ohne dabei zu forcieren oder auch nur den kleinsten Anschein von Erschöpfung zu zeigen, lässt hoffen, dass mit ihr der Belcanto-Gesang eine neue Blüte erfahren wird. So gibt es am Ende frenetischen Applaus für ein Ensemble, das dem Publikum Belcanto im wahrsten Sinne des Wortes beschert hat.

FAZIT

Das Landestheater Niederbayern demonstriert, dass auch kleine Bühnen musikalisch dem Belcanto mehr als gewachsen sind. Diese Produktion macht einen Besuch in Passau, Landshut oder Straubing auf jeden Fall lohnenswert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Basil H. E. Coleman

Inszenierung
Sebastian von Kerssenbrock

Bühne und Kostüme
Gottfried Pilz

Choreinstudierung
Christine Strubel

Dramaturgie
Swantje Schmidt-Bundschuh

 

Chor und Statisterie des
Landestheaters Niederbayern

Niederbayerische Philharmonie


Solisten

Beatrice di Tenda
Elvira Hasanagic

Filippo Maria Visconti
Kyung Chun Kim

Agnese del Maino
Jennifer Davison

Orombello
Mario Sofroniou

Anichino
Oscar Imhoff


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Niederbayern

(Homepage)



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