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Aufstieg und Fall eines Volkstribuns
Von Thomas Molke / Fotos von Matthias Stutte Während nahezu landesweit alle Opernbühnen auf die eine oder andere Art und Weise ihren Beitrag zum diesjährigen Wagner- und Verdi-Jubiläum leisten und allein im Aalto-Theater in Essen und in Köln nahezu zeitgleich zwei Produktionen des Parsifal Premiere feiern, gelingt dem Theaterverbund Krefeld und Mönchengladbach ein ganz besonderer Beitrag zum Jubiläumsjahr. Als bundesweit einziges Stadttheater gibt es in Krefeld nämlich eine Neuinszenierung von Wagners Frühwerk Rienzi zu erleben, einer großen tragischen Oper, die noch ganz im Geiste von Vincenzo Bellini mit seinen überbordenden Melodienreichtum steht und die Wagner selbst trotz des riesigen Erfolges, den die Uraufführung 1842 in Dresden verbuchen konnte, später wie seine Feen und das Liebesverbot als nicht festspielwürdig erachtete. So werden auch anlässlich des großen Jubiläums in diesem Jahr diese drei Frühwerke in Bayreuth nur außerhalb des Festspielhauses in der Oberfrankenhalle als Gastspiele aus Leipzig aufgeführt. Das Volk (Chor und Extrachor) feiert den neuen Volkstribun. Wie bei den Meistersingern greift Wagner auch im Rienzi anders als in seinen anderen Opern auf eine historisch verbürgte Figur zurück, auch wenn die Opernhandlung ähnlich wie die Romanvorlage von Edward Earle Bulwer-Lytton aus dem Jahr 1835 sicherlich nicht mehr allzu viel mit dem wirklichen Cola di Rienzi zu tun haben dürfte. Sowohl Bulwer-Lytton als auch Wagner stilisieren ihn zu einem Freiheitshelden, der im 14. Jahrhundert zunächst einen kometenhaften Aufstieg zum Volkstribun erlebt, weil das römische Volk von ihm Frieden und Freiheit vor dem Terror des Adels erhofft. Als die Nobili ein Attentat auf Rienzi verüben, das misslingt, vergibt er ihnen und bewegt sogar das Volk, einer Begnadigung zuzustimmen. Doch die Aristokraten lassen nicht locker und ziehen mit einem Heer gegen Rom. Das Vertrauen in Rienzi beginnt in der Bevölkerung zu wanken, zumal Gerüchte kursieren, Rienzi paktiere heimlich mit den Adeligen, da er unter anderem plant, seine Schwester Irene mit Adriano, dem Sohn des Aristokraten Colonna, zu verheiraten. Nach dem Bannfluch der Kirche kann Rienzi das Volk nicht mehr überzeugen und stirbt gemeinsam mit Irene in den Trümmern des Kapitols, das das Volk, vom Kardinal aufgehetzt, wütend in Brand setzt. Rienzi (Carsten Süss, Mitte) vergibt seinem Feind Steffano Colonna (Hayk Dèinyan, Mitte links, umgeben vom Chor und Extrachor). Das Regie-Team um Matthias Oldag versucht, in seiner Inszenierung aktuellen Bezügen der Oper nachzuspüren, mit der Begründung, dass Wagner in seiner Oper auch nicht die politische Ideologie des 14. Jahrhunderts reflektieren wollte, sondern ganz bewusst eine Parallele zu den Konflikten seiner eigenen Zeit gesucht habe. So sieht man im ersten Akt zahlreiche Zeitungsartikel auf der hinteren Bühnenwand, die von politischen Konflikten aus den letzten Jahren berichten. Auch der Bühnenboden wirkt wie eine beschriebene Zeitung mit weißen Lettern auf schwarzem Papier. Durch die Bühne zieht sich ein langer Riss, der wahrscheinlich für den Riss in der Gesellschaft steht. Diese Rinne leuchtet teilweise blutrot auf, um zu demonstrieren, wie viele Opfer die inneren Konflikte bereits gefordert haben und noch fordern werden. Der Name "Rienzi" taucht in riesigen roten Buchstaben auf der Bühne auf. Zunächst symbolisieren diese Buchstaben den grandiosen Aufstieg des Volkstribuns. Am Ende liegen die Buchstaben auf dem Boden und Rienzi versucht vergeblich, seinen Namen erneut aufzustellen. Interessant ist auch der Ansatz, Rienzi im letzten Akt mit Buchstaben statt Steinen bewerfen zu lassen. Das gesprochene Wort, mit dem Rienzi eigentlich die Gewalt verhindern wollte, richtet sich also schlussendlich gewaltsam gegen den eigentlichen Helden der Oper. Adriano (Eva Maria Günschmann, Mitte) zwischen den Verschwörern Colonna (Hayk Dèinyan, links) und Orsini (Andrew Nolen, rechts) Neben dem relativ modernen Mobiliar, das einen Bezug zu aktuellen politischen Großveranstaltungen herstellt, arbeitet Bühnenbildner Thomas Gruber auch mit zahlreichen Video-Projektionen. So sieht man vor der Bühne Bilder der Wahl-Parties von Barack Obama, während hinter diesen Bildern Rienzi sein großes Staatsbankett zum Regierungsantritt feiert. Teilweise wird auch mit einer Kamera auf der Bühne Rienzis Auftritt selbst auf die durchscheinende Leinwand projiziert. Wenn die Nobili im dritten Akt gegen Rom ziehen, sieht man in der Videoprojektion marschierende Soldaten mit Panzern gegen eine Stadt vorrücken. Zwar ist eine Vielzahl dieser Bilder überflüssig, da sie in einer gewissen Reizüberflutung vom eigentlichen Handlungsverlauf ablenkt und keine neuen Einblicke in die Geschichte liefert, stört allerdings auch nicht weiter, da die Handlung dadurch nicht verdreht wird. Adriano (Eva Maria Günschmann) sieht Rienzi (Carsten Süss) und Irene (Anne Preuß) im brennenden Kapitol untergehen. Anders ist hierbei allerdings das Schlussbild zu deuten. Während Oldag ein beeindruckendes Tableau im letzten Akt gelingt, wenn der Chor durch den Zuschauersaal auftritt, um Rienzi zu stürzen, und die beiden Bürger Baroncelli und Cecco del Vecchio das Volk von den Rängen aus noch anfeuern, bleibt es schon fraglich, wieso der Chor zwar Feuerzeuge anzündet, mit denen symbolisiert werden soll, dass das Kapitol in Brand gesetzt wird, es aber letztendlich Rienzi selbst ist, der, nachdem er mit Benzin übergossen worden ist und ein Feuerzeug in die Hand gedrückt bekommen hat, den Brand auslöst und mit Irene unter einem gewaltigen roten Vorhang, der aus dem Schnürboden herabfällt, versinkt. Dass er das Volk verflucht, weil es sich gegen ihn richtet, und damit den Untergang Roms heraufbeschwört, ist die eine Sache. Ob man in der Lesart aber bis zu einer Art Selbstopferung gehen kann, ist diskutabel. Unklar bleibt auch, weshalb am Ende die beiden Adligen Colonna und Orsini wieder auftauchen, da beide im dritten Akt Opfer der kämpferischen Auseinandersetzungen geworden sind und Adriano sie tot zu Rienzis Füßen liegen sah. Sollen sie als mahnende Geister Rienzi in den Tod begleiten oder deuten sie nur an, dass die Nobili jetzt erneut die Macht übernehmen werden? Musikalisch tobt sich Generalmusikdirektor Mihkel Kütson mit den Niederrheinischen Sinfonikern in den großen romantischen Melodienbögen regelrecht aus und scheint, sichtlich Spaß bei der Sache zu haben. Oldag räumt der Musik in seiner Inszenierung viel Platz ein und verzichtet beispielsweise auf eine Bebilderung der großartigen Ouvertüre. Da kann das Publikum einfach in den großartigen Klängen schwelgen, die vor allem mit dem Motiv des großen Gebets aus dem fünften Akt berühren. Allerdings ist Kütsons Dirigat nicht gerade sängerfreundlich, so dass das Ensemble einige Probleme hat, sich gegen das voluminös aufspielende Orchester durchzusetzen. Hayk Dèinyan und Andrew Nolen bleiben daher als verfeindete Adelige Colonna und Orsini etwas blass und erreichen nicht die Leistung, die man sonst von ihnen gewohnt ist. Auch Anne Preuß muss als Irene heftig gegen das Orchester anschreien, wodurch vor allem die Textverständlichkeit leidet und ihr Sopran häufig sehr schrill klingt. Jon Ketilsson glänzt als Rienzi im großen Gebet des fünften Aktes. Ansonsten leidet aber auch seine gesangliche Präsentation trotz einer guten Technik ein wenig unter der alles übertönenden Musik, so dass er in den Höhen recht angestrengt klingt. Matthias Wippich, Walter Planté und Thomas Peter präsentieren eine solide Leistung als Kardinal Orvieto, Baroncelli und Cecco del Vecchio. Der von Maria Benyumova gut einstudierte Chor hat aufgrund der enormen Masse keine Probleme, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Gleiches gilt für Eva Maria Günschmann, die als Adriano mit großem, warmem Mezzo zum Star des Abends avanciert und für ihre großartige Interpretation der Szene und Arie "Gerechter Gott, so ist's entschieden schon" im dritten Akt, in der sie beklagt, dass ihr Vater gestorben ist, großen Szenenapplaus erhält. Am Ende gibt es lang anhaltenden und verdienten Applaus für ein Ensemble, das sich trotz kleinerer Abstriche mit den hohen musikalischen Anforderungen der Partitur messen kann, und einer Inszenierung, die das Stück nicht gegen den Strich bürstet und trotz einiger Aktualisierungen dennoch nah am Libretto bleibt. FAZIT Ein würdiger Beitrag zum Wagner-Jahr, der eine willkommene Abwechslung zu den zahlreichen Parsifal-Produktionen bieten dürfte
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne Kostüme Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten*rezensierte Aufführung
Rienzi
Irene, seine Schwester
Steffano Colonna, Haupt der Familie Colonna
Adriano, sein Sohn Paolo
Orsini, Haupt der Familie Orsini Kardinal Orvieto Baroncelli Cecco del Vecchio
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