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Mazeppa

Oper in drei Akten
Text vom Komponisten und Wiktor Petrowitsch Burenin
nach dem Poem Poltawa von Alexander Sergejewitsch Puschkin
Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (zwei Pausen)

Premiere im Theater Krefeld am 22. September 2012

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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Großartige Musik in einer bewegenden Inszenierung

Von Thomas Molke / Fotos von Matthias Stutte

Seit einiger Zeit lässt sich beobachten, dass auf den deutschen Bühnen dem Opernschaffen Tschaikowskys über Eugen Onegin und Pique Dame hinaus wachsende Aufmerksamkeit geschenkt wird, was zum Teil vielleicht auch Anna Netrebko zu verdanken ist, die mit Tschaikowskys Operneinakter Jolanthe als einem ihrer Lieblingswerke vor drei Jahren bei den Sommerfestspielen in Baden-Baden szenisch und demnächst auf einer Tour durch diverse deutsche Konzertsäle konzertant demonstriert, was Tschaikowsky neben den bereits genannten Opern und seinen berühmten Ballettmusiken noch zu bieten hat. Doch auch seine große Oper Mazeppa erfreut sich in letzter Zeit wachsender Beliebtheit, wie Produktionen in Karlsruhe, Bremen und Aachen in den vergangenen Spielzeiten und in Heidelberg im kommenden Monat zeigen. In Krefeld hat man sich nun entschieden, mit diesem großen sinfonischen Werk die Spielzeit zu beginnen und den neuen Generalmusikdirektor Mihkel Kütson als Operndirigenten vorzustellen.

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Maria (Izabela Matula, Mitte) versucht, zwischen Mazeppa (Johannes Schwärsky, links) und ihrem Vater Kotschubej (Hayk Dèinyan, rechts) zu schlichten (im Hintergrund: Chor und Extrachor).

Die Geschichte geht zurück auf den historisch belegten Kosakenführer Ivan Mazeppa, der Ende des 17. Jahrhunderts zunächst als Protegé von Zar Peter I. zum neuen Hetman der Ukraine ernannt wurde, sich dann allerdings mit dem schwedischen König Karl XII. gegen den Zaren verbündete. Seine Niederlage gegen den Zaren in der Schlacht von Poltawa 1709 schildert Alexander Puschkin in seinem gleichnamigen Poem, das als Vorlage für die Oper dient. Mazeppa liebt sein Patenkind Maria, die Tochter seines Freundes Wassilij Kotschubej, eines reichen Gutsherren. Als Maria sich gegen ihre Familie und für Mazeppa entscheidet, beschließt Kotschubej den ehemaligen Freund beim Zaren zu denunzieren. Da der Zar jedoch der Anzeige keinen Glauben geschenkt hat, wird Kotschubej an Mazeppa ausgeliefert und soll unter Folter das Versteck seiner geheimen Schätze preisgeben. Maria, die von der Gefangenschaft ihres Vaters keine Ahnung hat, erfährt zu spät von der geplanten Hinrichtung und verliert den Verstand. Mazeppa zieht in den Kampf gegen den Zaren und unterliegt in der Schlacht von Poltawa. Auf der Flucht trifft er zunächst auf Marias Jugendfreund Andrej, den er im Kampf tödlich verletzt, und dann auf die mittlerweile geistig umnachtete Maria, die den ehemaligen Geliebten nicht mehr erkennt. Verzweifelt überlässt er sie ihrem Schicksal und flieht vor den Truppen des Zaren, während Maria dem sterbenden Andrej ein tröstendes Wiegenlied singt.

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Noch ist Maria (Izabela Matula) mit Mazeppa (Johannes Schwärsky) glücklich.

Helen Malkowsky baut den Anfang ihrer Inszenierung um die Kerkerszene des zweiten Aktes auf. Am Ende der Ouvertüre sieht man Kotschubej in einer Gefängniszelle, die die Mitte der Bühne beherrscht. Mazeppa geht an dieser Zelle vorbei, während Kotschubej die Hände nach ihm ausstreckt. Doch der ehemalige Freund will keine Gnade oder Versöhnung, sondern Rache, so dass ihn Mazeppa schließlich seinem Schicksal überlässt. In einer Art Traumsequenz entwickelt Malkowsky anschließend die Ereignisse des ersten Aktes gewissermaßen als Rückblende. Zunächst steht nur Maria beim Vater in der Zelle. Dann werden die Zellenwände in den Schürboden gezogen, und man sieht das Innere eines großen Palastes, der mit Tüchern und Bändern feierlich geschmückt ist. Bei den feierlichen Bändern überwiegt die Farbe Orange, was als Anspielung auf die orangefarbene Revolution von 2004 gedeutet werden kann. Alexandra Tivig hat für diesen ersten Akt ansatzweise historisierende Kostüme gewählt, während ab dem zweiten Akt in den Kostümen auf jegliche Historisierung verzichtet wird und die Figuren in modernen Kostümen präsentiert werden, um zu demonstrieren, dass sich in der Ukraine seit 400 Jahren gewissermaßen immer die gleiche Geschichte abgespielt hat.

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Orlik (Matthias Wippich, vorne) lässt Kotschubej (Hayk Dèinyan, hinten mit Statisterie) foltern.

Zu Beginn des zweiten Aktes befindet sich Kotschubej in der Zelle vom Beginn der Inszenierung, und nun wird die Geschichte im regulären Verlauf weitererzählt. Maria tritt nun in einem orangefarbenen Blazer wie eine First Lady in Mazeppas recht nüchternem Büro auf, dessen triste Rückwand mit vier Naturgemälden geschmückt ist. Makaber ist dabei der Einsatz des Stuhls, auf dem Kotschubej in der Zelle grausam gefoltert wird - Malkowsky findet hier sehr drastische aber passende Bilder - und auf dem später Mazeppa und Maria Platz nehmen. Mazeppa "leidet" auf diesem Stuhl, weil er gegenüber seiner geliebten Maria ein schlechtes Gewissen hat, da sie nichts von der Festnahme und der Folterung ihres Vaters weiß. Maria ist in ihrer Liebe so blind, dass sie noch nicht einmal etwas merkt, wenn sie sich auf diesen Stuhl setzt, an dem vielleicht sogar noch das Blut ihres Vaters klebt. Erst allmählich werden ihr die Augen geöffnet. Malkowsky entscheidet sich dafür, die Rückwand in den Schnürboden verschwinden zu lassen und den ehemaligen Palast nun als Gefängnis mit zahlreichen Zellen und Gefangenen zu präsentieren. Dass Maria vor der Hinrichtung des Vaters von den betrunkenen Soldaten Mazeppas vergewaltigt wird, steht zwar nicht im Libretto, ist aber an dieser Stelle nicht gegen die Musik inszeniert und macht die Demontage dieser liebenden Frau noch plastischer.

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Kotschubej (Hayk Dèinyan, kniend links) und Iskra (Kairschan Scholdybajew, kniend rechts) sollen von Mazeppa (Johannes Schwärsky, auf der Treppe) hingerichtet werden (im Hintergrund: Chor, Extrachor und Statisterie).

Die Schlacht von Poltawa zu Beginn des dritten Aktes wird von Malkowsky nicht inszeniert. An dieser Stelle vertraut die Regisseurin auf die sinfonische Kraft von Tschaikowskys Musik, die in der Dramatik und den teilweise disharmonischen Klängen das Grauen dieser Schlacht sehr bildhaft vor Augen zu führen vermag. Erst danach sieht man das Ergebnis dieser Schlacht, wenn die ganze Bühne mit zerstörten Möbelstücken übersät ist, die Türen bisweilen ausgehängt sind und Nebel aus einem Bild der Verwüstung emporsteigt. In der Personenregie zeichnet Malkowsky die Titelfigur im dritten Akt nicht ganz so herzlos, wie man es entsprechend dem Libretto erwarten könnte. Natürlich lässt Mazeppa auch hier Maria zurück, aber er wird von seinem Vertrauten Orlik gewissermaßen dazu gezwungen und bei seinem letzten Satz auf der Bühne von diesem auch noch angeschossen, so dass er sich verwundet von der Bühne schleppt und man auch die Ansicht vertreten kann, dass er wie Andrej tödlich getroffen wurde, im Gegensatz zu diesem jedoch einsam im Off stirbt. Selbst der eiskalte Orlik scheint am Ende so etwas wie Reue zu empfinden, da er während Marias Wiegenlied apathisch im Bühnenhintergrund verharrt.

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Maria (Izabela Matula) erkennt Mazeppa (Johannes Schwärsky, vorne rechts) nicht mehr (hinten rechts: Orlik (Matthias Wippich), vorne links: Andrej (Carsten Süss)).

Während die Geschichte - vor allem in Malkowskys Inszenierung - allein schon ergreifend ist, übertrifft Tschaikowskys Musik in der Dramatik und der Vielschichtigkeit den wesentlich populäreren Eugen Onegin noch um einiges. So steht am Beginn des dritten Aktes anders als in anderen Opern von Tschaikowsky keine Ballettmusik, sondern mit der sinfonischen Schlacht eine Szene, die nicht gerade zum Tanzen einlädt. Auch die Oper zu den leisen Klängen eines zarten Wiegenliedes enden zu lassen, während alles in Schutt und Asche liegt, zeugt von der eindrucksvollen Gestaltung der Musik. Der neue Generalmusikdirektor lotet mit den Niederrheinischen Sinfonikern die Feinheiten der Partitur differenziert aus und zaubert einen beeindruckenden und in jedem Moment bewegenden Klang aus dem Orchestergraben. Hayk Dèinyan zeichnet mit fulminantem Bass einen Wassilij Kotschubej, dem bei aller Demütigung immer noch ein gewisser Stolz bleibt. Darstellerisch beeindruckend gelingt ihm die Hinrichtungs-Szene, wenn er auf der Empore seine Tochter erblickt und noch einmal die Hände nach ihr ausstreckt. Izabela Matula ist stimmlich und darstellerisch eine Idealbesetzung für Maria. Ohne Forcieren gelingt ihr der Wechsel zwischen leisen innigen Tönen und dramatischen Ausbrüchen. Dabei ist ihre disziplinierte Stimmführung hervorzuheben. Auch die Entwicklung vom naiven Mädchen zur gebrochenen Frau gelingt ihr hervorragend. Höhepunkt des Abends ist Johannes Schwärsky in der Titelpartie, der mit großem Bass, der auch in den Höhen noch über enormes Volumen verfügt, Mazeppa als einen gebrochenen Helden präsentiert, mit dem man bei aller Härte am Ende doch Mitleid empfindet.

Matthias Wippich zeichnet darstellerisch und stimmlich mit schwarzem Bass einen brutalen Orlik, der erst ganz am Schluss ein wenig menschliche Schwäche zeigt, nachdem er Mazeppa angeschossen hat. Carsten Süss stattet Marias Jugendfreund Andrej in der Mittellage mit einem lyrischen Tenor aus, der in den Höhen noch ausbaufähig ist. Satik Tumyan und Kairschan Scholdybajew überzeugen in den kleineren Partien als Ljuboff und Iskra. Auch der von Maria Benyumova einstudierte Chor und Extrachor präsentieren sich stimmlich homogen und darstellerisch überzeugend, so dass es am Ende für alle Beteiligten lang anhaltenden Applaus gibt, der beim Auftritt des Regie-Teams sogar noch einmal anschwillt. 

FAZIT

Mit dieser Produktion gelingt dem Theater Krefeld ein fulminanter Saisonauftakt, der szenisch und musikalisch keine Wünsche offen lässt und belegt, dass Tschaikowskys Werk die Aufnahme ins gängige Repertoire verdient hat. (Weitere Termine: 25.09., 05.10., 17.10., 03.11., 30.11., 11.12. und 28.12.2012 jeweils um 20.00 Uhr und 24.11.2012 um 18.00 Uhr)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihkel Kütson

Inszenierung
Helen Malkowsky

Bühne
Kathrin-Susann Brose

Kostüme
Alexandra Tivig

Choreinstudierung
Maria Benyumova

Dramaturgie
Ulrike Aistleitner


Chor Extrachor und Statisterie
des Theaters Krefeld
und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

*rezensierte Aufführung

Mazeppa, Kosakenhauptmann
Johannes Schwärsky

Wassilij Kotschubej, reicher Gutsherr
Hayk Dèinyan

Ljuboff Kotschubej, seine Frau
Satik Tumjan

Maria, deren Tochter
Izabela Matula

Andrej, ihr Jugendfreund
Carsten Süss

Orlik, Vertrauter Mazeppas
Matthias Wippich

Iskra, Kotschubejs Freund
Kairschan Scholdybajew

Ein betrunkener Kosak
*Jerzy Gurzynski /
Andrey Nevyantsev

 


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