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My Fair Lady

Musical in zwei Akten
nach George Bernard Shaws »Pygmalion« und dem Film von Gabriel Pascal
Buch und Liedtexte von Alan J. Lerner
Deutsch von Robert Gilbert
Musik von Frederick Loewe


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere in der Oper am Dom am 27. Oktober 2012


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Warum eine Frau nicht sein sollte wie ein Mann

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire


Wenn die Kölner Oper schon wegen der Sanierung des Opernhauses in ein Musicaltheater umziehen muss, warum dann nicht auch einmal Musical spielen? Das Ambiente scheint ja geradezu prädestiniert dafür, mit My Fair Lady hat man ein Schmuckstück des Genres ausgewählt und mit Dietrich Hilsdorf einen Regisseur verpflichtet, von dem man eine ordentliche Personenregie und mehr als „nur“ Unterhaltung (was ja auch schon viel wäre) erwarten darf. Für den erwarteten Publikumsrenner hat die Kölner Oper gleich mehr als 30 Aufführungen angesetzt – ein in vieler Hinsicht ambitioniertes Unterfangen also.

Szenenfoto

Phonetikunterricht mit Komplikationen: Henry Higgins (Klaus Schreiber), hinten Eliza Doolittle (Regina Richter)

Dass die hohen Erwartungen nur zum Teil eingelöst werden, hat verschiedene Gründe. Am wenigsten hätte man wohl damit gerechnet, dass an diesem Ort ausgerechnet die Technik zum Schwachpunkt wird: Elektronisch verstärkt klingen die Sänger matt und unnatürlich, selbst die gesprochenen Dialoge sind milchig verschwommen, von Raumklang kaum eine Spur, statt dessen undifferenzierter Sound wie aus dem Mono-Lautsprecher. Man hat zwar das Haus, offenbar aber nicht dessen technische Ausstattung übernommen. Ohne elektronische Verstärkung, wie das in guten, alten Zeiten in „richtigen“ Theaters üblich war, geht es in diesem Theaterzelt (das natürlich auf Verstärkung, nicht auf natürliche Akustik ausgelegt ist) auch nicht. So bleiben die Darsteller unnatürlich distanziert. Nein, dieses Haus ist wahrlich nicht für differenzierte Kammerspiele gebaut.

Szenenfoto

Diskussion unter Männern über den Wert einer Frau: Alfred P. Doolittle (Hans-Martin Stier, links), Henry Higgins (Klaus Schreiber)

So richtig glücklich wird man mit der Premierenbesetzung allerdings auch nicht. Da stellt sich natürlich zuerst die Grundfrage, ob man eher mit Opernsängern oder mit Schauspielern besetzt – wirkliche Musicalsänger, die alle Facetten des Genres beherrschen, sind leider allzu selten geworden. Hier ist die Partie des Blumenmädchens Eliza Doolittle, das zur feinen Dame ausgebildet werden soll, mit Mezzosopranistin Regina Richter aus dem Opernensemble besetzt. Das ungehobelte Straßenmädchen mit dem scheußlichen Cockney-Dialekt, hier eine Art kunstvolles Berlinerisch, nimmt man ihr keine Sekunde lang ab – Regina Richter ist ein liebes und nettes Mädel, dem man einen Blumenkorb in die Hand gedrückt und ihr ein paar Dialektübungen aufgetragen hat. Und wenn sie singt, dann ist das Operettenschöngesang – was im weiteren Verlauf ja passt, aber nicht im ersten Teil des Stückes.
Dass Schauspieler Klaus Schreiber, der den Sprachforscher und übereifrigen Sprachlehrer Henry Higgins spielt, nicht übermäßig gut singt, ist kein allzu großes Problem; allerdings gibt er die Figur allzu eindimensional als misanthropischen Egoisten ohne jede Manieren. Natürlich muss Higgins ein arroganter Schnösel, ein überhebliches Ekelpaket sein, aber damit Eliza sich dennoch in ihn verliebt (und damit die Zuschauer überhaupt Sympathien zu ihm entwickeln), müsste da eben auch Eleganz und Noblesse sein, müsste der Gentleman bei aller Überheblichkeit erkennbar bleiben (die Demaskierung ist doch das eigentliche Thema des Werkes) – aber diese Doppelbödigkeit bleibt der Figur vorenthalten. Zwar erlebt man am Ende einen zerissenen Higgins am Rand der Selbstzerstörung, aber das bleibt in der Summe ziemlich wenig.

Szenenfoto

Pferderennen in Ascot: (von links) Mrs. Higgins (Sigrun Schneggenburger), Eliza Doolittle (Regina Richter), Lord Boxington (Ralf Rachbauer), Mrs. Eynsford-Hill (Astrid Schubert), Freddy Eynsford-Hill (Miljenko Turk)

Hans-Jochen Röhrig als Oberst Pickering kann nun überhaupt nicht singen, bleibt aber auch ansonsten sehr blass – da geht dem Higgins der vornehme Mit- und Gegenspieler schlichtweg verloren. Sängerisch wie schauspielerisch sehr ordentlich bewältigt Hans-Martin Stier die Partie des trinkfesten Alfred P. Doolittle, Elizas Vater, und der leichte und elegante Bariton Miljenko Turk in der (hohen) Partie des Freddy Eynsford-Hill ist ein smarter Operetten-Dandy mit viel Schmelz in der Stimme. Mit den Schauspielerinnen Andreja Schneider als Haushälterin Mrs. Pearce und Sigrun Schneggenberger als Mrs. Higgins, der Mutter des Sprachforschers, sind die weiteren (Sprech-)Partien ordentlich, wenn auch nicht brillant besetzt. Das Gürzenich-Orchester unter spielt mit süffigem, nicht zu schwerem Sound klangschön, allerdings dürfte Dirigent Andreas Schüller ruhig etwas mehr riskieren – das swingt recht behäbig auf Nummer sicher vor sich hin. Der Chor (Eindtudierung: Jens Olaf Buhrow) singt zuverlässig, aber mit extrem starken Vibrato, als wolle man sich da bewusst vom Broadway abgrenzen. Überhaupt klingt das alles weniger nach Musical denn nach Wiener Operette.

Szenenfoto

Ende gut, alles gut? Eliza Doolittle (Regina Richter), Henry Higgins (Klaus Schreiber)

Und die Inszenierung von Dietrich Hilsdorf? Die wird beherrscht vom sehr gelungenen Bühnenbild (Dieter Rechter), der eine Straßenfront gebaut hat, die ganz natürlich den Schwenk von der Hochkultur (die Portalsäulen des Opernhauses) über bürgerliche Fassaden bis zur schäbbigen Straßenkneipe zeigt (die bezeichnenderweise den gleichen Namen hat wie der regierende Monarch) – da liegen die im Stück beschriebenen Welten ganz nah beieinander. Das Pferderennen in Ascot und der Ballsaal der Botschaft erscheinen im Gegrensatz zur stärker realistischen Darstellung von Higgins' Wohnung ganz bewusst wie Theaterkulissen. Hilsdorf blendet immer wieder Ort und Zeit des Geschehens ein, als handele es sich hier um einen Dokumentarfilm (wir befinden uns im Jahr 1912), und leitmotivisch marschieren immer wieder Frauenrechtlerinnen auf, die für das Frauenwahlrecht kämpfen. Hilsdorf zeigt die Machtspiele einer Männergesellschaft, die geradezu pathologisch am eigenen Minderwertigkeitskomplex krankt. Das ist schlüssig und hält die Schwebe zwischen Unterhaltungstheater und der bissigen Vorlage George Bernard Shaws, hakt mitunter ein wenig in den Nebenhandlungen. Tanzeinlagen, für die ein akzeptables Ensemble zusammengestellt wurde, sind mehr pflichtschuldig als inspiriert eingearbeitet - da Hilsdorf sein Handwerk versteht, ist das immer noch besser als in vielen anderen Inszenierungen. Freundlicher Applaus.


FAZIT

Zu Beifallsstürmen reißt diese insgesamt solide und repertoiretaugliche Produktion sicher nicht hin, aber sie „funktioniert“ trotz einiger Schwächen ganz gut. Durch die Vielzahl an Aufführungen sind die Hauptpartien doppelt besetzt – da muss die eher schwache Premierenbesetzung nicht unbedingt die bessere sein.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Schüller

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht
Andreas Grüter

Chor
Jens Olaf Buhrow


Chor der Oper Köln
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Eliza Doolittle
Gloria Rehm /
* Regina Richter

Professor Henry Higgins
* Klaus Schreiber /
Ulrich Wiggers

Alfred P. Doolittle, Elizas Vater
Hans-Martin Stier

Freddy Eynsford-Hill
Gustavo Queresma /
* Miljenko Turk

Oberst Pickering
Hans-Jochen Röhrig

Mrs. Pearce, Higgins Hausdame
Andrea Andonian /
* Andreja Schneider

Mrs. Higgins
Monika Lennartz /
* Sigrun Schneggenburger

Jamie / Lord Boxington
Ralf Rachbauer

Harry / Lady Boxington
Frank Wöhrmann



Weitere
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