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Artaserse

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Leonardo Vinci


in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Konzertante Aufführungen in der Oper am Dom am 17., 19.  und 27. Dezember 2012
(rezensierte Aufführung: 19.12.2012)


 

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Oper Köln
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Fünf Countertenöre und ein Tenor als Bösewicht

Von Thomas Molke

Es gab im 18. Jahrhundert eine Zeit, in der es aufgrund eines päpstlichen Verbotes in Rom für Frauen untersagt war, in Opernaufführungen öffentlich aufzutreten. Durch die Kastraten konnten Frauenrollen damals von Männern gesungen werden. Zum Glück ist diese frauenlose Zeit der Oper lange vorbei. Doch mit dem wachsenden Interesse an den Barockopern und der damaligen Aufführungspraxis hat sich in den letzten Jahren immer häufiger das Bestreben entwickelt, historischen Aufführungen möglichst nahe zu kommen. Nun tourt Parnassus Arts Productions nach einer szenischen Umsetzung in Nancy im November mit einer konzertanten Fassung einer Oper durch die Lande, bei der wie in der Uraufführung 1730 in Rom auch die beiden weiblichen Partien von Männern gesungen werden. Und es steht außer Frage, dass sich für diese Produktion mit Philippe Jaroussky, Franco Fagioli, Max Emanuel Cencic, Valer Barna-Sabadus und Yuriy Mynenko die Creme de la Creme der Countertenöre zusammengeschlossen hat.

Der Komponist Leonardo Vinci ist zwar heute größtenteils vergessen, zählte aber im 18. Jahrhundert neben Nicola Porpora, Giambattista Pergolesi, Johann Adolf Hasse und Niccolò Jommelli zu den bedeutendsten Komponisten, denen die Erfindung des orchesterbegleiteten Rezitativs zugeschrieben wird. Von seinen in nur elf Jahren komponierten dreißig Opern gehen sechs auf ein Libretto Metastasios zurück, wobei fast alle Kompositionen Uraufführungen der entsprechenden Libretti darstellen, so auch Artaserse. Die Oper erzählt die Geschichte des jüngeren Sohns des persischen Königs Serse, Artaserse, der nach dem Mord an seinem Vater den Schuldigen sucht, um den Tod des Königs zu rächen. Dabei lenkt Artabano, der ehrgeizige Präfekt der Leibgarde, der den König ermordet hat, den Verdacht auf den älteren Königssohn Dario. Doch nachdem auch Dario getötet worden ist, wird Artabanos Sohn Arbace als mutmaßlicher Mörder verhaftet. Um den Vater zu decken, nimmt Arbace die Schuld auf sich. Nach zahlreichen Verwicklungen kann Artabano als Täter entlarvt werden, aber Arbace, der vorher noch einen Aufstand gegen Artaserse niedergeschlagen hat, erreicht bei Artaserse nicht nur, dass letzterer Artabano begnadigt, sondern erhält auch noch die Hand Mandanes, der Schwester Artaserses, während Artaserse mit Arbaces Schwester Semira vereint wird.

Obwohl es sich um eine konzertante Aufführung handelt, lassen es sich die Solisten nicht nehmen, die Partien frei zu singen und teilweise mit Requisiten die Handlung anzudeuten, was nicht weiter verwunderlich ist, da die Produktion ja im November szenisch in Nancy zu erleben war. Sieht man die Bilder im Programmheft möchte man allerdings fast bedauern, dass die aufwendigen Rokoko-Kostüme für die Tournee nicht mitgebracht worden sind, sondern nur Max Emanuel Cencic und Valer Barna-Sabadus ein buntes Gewand tragen, das zeigen soll, dass diese beiden Sänger die beiden Frauenpartien Mandane und Semira darstellen. Dies lässt den konzertanten Rahmen fast vollkommen vergessen. Hinzu kommt das hohe musikalische Niveau der Solisten, die auch ohne Maske und Kostüme den Abend zu ein hochklassiges Feuerwerk barocker Arien abfeuern und den Abend durch häufigen frenetischen Szenenapplaus länger werden, als er im Programmheft angekündigt wird. Das liegt natürlich unter anderem auch an Diego Fasolis und dem Concerto Köln, das bereits seit Jahren zu den führenden Ensembles im Bereich der historischen Aufführungspraxis zählt. Auch an diesem Abend macht das Orchester mehr als deutlich, wieso Zeitgenossen Vincis grandiose Naturdarstellungen in der Musik gelobt haben. Fasolis verausgabt sich nicht nur als Dirigent und macht dem Namen Ba-"rock" durch sein intensives Dirigat alle Ehre, sondern begleitet zeitweise auch selbst die Rezitative am Cembalo.

Philippe Jaroussky mag als Titelfigur zwar das Zugpferd dieser Produktion sein, erweist sich aber als absoluter Team-Player, der sich in keiner Weise in den Vordergrund spielt. Von seinen Arien bleibt vor allem die Auftrittsarie im zweiten Akt im Ohr, "Rendimi il caro amico", in der er sich zutiefst wünscht, dass sein lieber Freund Arbace unschuldig am Tod des Vaters ist. Jaroussky stattet diese Arie mit gewohnt glockenklaren Höhen aus und lässt die Verzweiflung Artaserses regelrecht spürbar werden. Wenn er im dritten Akt dem Freund Arbace zur Flucht verhilft, zeigt Jaroussky stimmlich und darstellerisch, dass der Königssohn jedoch auch Heldenqualitäten besitzt. Max Emanuel Cencic zeichnet seine Schwester Mandane als betont schwache Frau und macht ebenso wie Valer Barna-Sabadus als Semira im Spiel glaubhaft, dass man beiden in der entsprechenden Aufmachung die weibliche Partie abnehmen würde. Lediglich durch die fehlende Kostümierung wirken ihre schmachtenden Blicke und der angedeutete Ohnmachtsanfall Cencics, wenn Artabano einen Mordanschlag auf Artaserse verüben will, unfreiwillig komisch.

Yuriy Mynenko hat als Megabise zwar nur eine relativ kleine Rolle, punktet aber in seinen Arien mit einer beweglichen Stimmführung und schönen Höhen. Bei so viel Countertenor-Power hat Juan Sancho als Artabano mit seinem hellen Tenor schon fast einen schweren Stand, beweist aber Sicherheit in den Höhen und präsentiert auch die zahlreichen Koloraturen nahezu spielerisch. Ob die letzte Szene, in der Artabano Artaserse einen Kelch mit Gift reicht, ernsthafter wirken würde, wenn die Protagonisten kostümiert wären, kann nur gemutmaßt werden. Die anspruchsvollste Partie des Abends fällt sicherlich Franco Fagioli als Arbace zu. Mehr als einmal bringt er mit seinen perlenden Koloraturen und dem gewaltigen Umfang seiner Stimme, die spielerisch die Register wechselt, den Saal regelrecht zum Toben. Mit der häufig zitierten Arie "Vo solcando un mar crudele", in der er sich metaphorisch mit einem Seemann auf stürmischem Meer vergleicht, der sich seinem Schicksal fügen muss, stellt Fagioli eindrucksvoll unter Beweis, dass er mit seiner beweglichen Stimme zu den ganz großen seines Fachs gehört. So gibt es am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten, die dazu führen, dass der Schlusschor noch einmal als Zugabe präsentiert wird.


FAZIT

Wer dieses Barockjuwel verpasst hat und auch am 27. Dezember 2012 nicht die Gelegenheit hat, die letzte Aufführung dieser Produktion in Köln zu erleben, kann als Trost diese zu Unrecht vergessene Oper in dieser unglaublichen Besetzung auf CD (erschienen bei Virgin Classics) kennen und lieben lernen. Signiert bekommt man diese CD von den Solisten allerdings dann nicht mehr.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Diego Fasolis


Concerto Köln


Solisten

Artaserse
Philippe Jaroussky

Mandane
Max Emanuel Cencic

Artabano
Juan Sancho

Arbace
Franco Fagioli

Semira
Valer Barna-Sabadus

Megabise
Yuriy Mynenko



Weitere
Informationen

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