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Thaïs

Comédie-lyrique in drei Akten
Text von Louis Marie Alexandre Gallet nach dem Roman von Anatole France
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 17. Mai 2013
(rezensierte Aufführung: 30.05.2013)


Theater Lübeck
(Homepage)

Von der Hure zur Heiligen


Von Thomas Molke / Fotos
von Oliver Fantitsch

Während Jules Massenets Thaïs in Frankreich heute durchaus noch zum Standardrepertoire der Bühnen gehört, kennt man hierzulande eigentlich nur noch die berühmte "Méditation" aus dem zweiten Akt. Zu groß scheint die Furcht der Regisseure zu sein, bei einer Inszenierung in ein verkitschtes Rührstück über ein Frauenschicksal abzudriften, zumal Massenet und sein Librettist den humoristischen und teils kirchenkritischen Ton der Romanvorlage von Anatol France trivialisiert haben und somit das Verhalten der beiden Hauptfiguren schwer nachvollziehbar erscheinen lassen. Dennoch wagt sich das Theater Lübeck an eine szenische Umsetzung des Stückes und stellt unter Beweis, dass Massenets Meisterwerk durchaus seine Meriten fernab der "Méditation" hat.

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Athanaël (Gerard Quinn) hat eine Vision von Thaïs (Michaela Meyer) und ihrem Leben in Sünde.

Erzählt wird die Geschichte des Zönobiten-Abtes Athanaël und der Kurtisane Thaïs. Bevor Athanaël Mönch wurde, wäre er beinahe den Reizen dieser jungen Frau erlegen. Auch jetzt muss er noch an sie denken und beschließt, sie aus ihrem frevelhaften Leben zu befreien und in Gottes Arme zu führen. Folglich kehrt er nach Alexandria zurück und findet sie bei seinem Jugendfreund Nicias. Thaïs ist hin- und hergerissen zwischen der Leere und Sinnlosigkeit ihres Lebens im Luxus und der himmlischen Liebe des ewigen Lebens, die Athanaël ihr verspricht. Nach langem inneren Kampf beschließt sie, Alexandria zu verlassen und sich von Athanaël in ein Kloster in der Wüste bringen zu lassen. Während Thaïs dort den Wandel zur Heiligen vollzieht, erkennt Athanaël, dass es immer noch die fleischliche Lust ist, die ihn zu dieser Frau hinzieht, und während Thaïs in eine andere Welt entrückt wird, schwört er seinem Glauben ab.

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Athanaël (Gerard Quinn) versucht, Thaïs (Lea-ann Dunbar) zum Glauben zu bekehren.

Roy Spahn hat ein recht nüchternes Bühnenbild entworfen, das aus zwei leicht gebogenen hohen Bühnenelementen aus hellen Holzgittern besteht, die gedreht werden können und somit schnelle Szenenwechsel ermöglichen. Ein kreisrundes Podest, das den Mönchen als Tisch und Thaïs als Bett dient, macht den Konflikt zwischen himmlischer Liebe auf der einen und fleischlicher Lust auf der anderen Seite deutlich. Ansonsten wird größtenteils mit Videoprojektionen gearbeitet. So werden im ersten Akt im Kloster große Kirchenfenster an die Rückwand projiziert, die mit ihrer Unterteilung die Gitterstruktur der Bühnenelemente übernehmen. Wenn Athanaël seine Visionen von Thaïs' lasterhaftem Leben in Alexandria hat, verschwimmen die Fenster zu einen blutroten Hintergrund, der die sinnlichen Ausschweifungen regelrecht plastisch macht. Im Haus der Thaïs wird eine große Blüte an die Rückwand projiziert. Mit ihrer Wandlung zur Heiligen wird diese zu einer weißen Lilie. Für das ausschweifende Alexandria wird ein kahler, greller Hintergrund gewählt, der die Leere und Kälte in dieser von purer Sinneslust geprägten Gesellschaft symbolisiert. Für das Wüstenbild verdeckt ein schwarzer Prospekt einen Großteil des Bühnenhintergrundes und lässt nur einen schmalen Strich gelb leuchten, den man als Sand interpretieren kann, durch den sich Thaïs und Athanaël ihren beschwerlichen Weg zum Kloster kämpfen, wobei dieser Weg hierbei immer um das kreisrunde Podest herumführt.

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Athanaël (Gerard Quinn, rechts) lehnt die Sitten in Alexandria und den Lebenswandel seines Jugendfreundes Nicias (Garðar Thór Cortes, links mit Myrtale (Wioletta Hebrowska, links) und Crobyle (Anne Ellersiek, rechts)) ab.

Für die diversen Visionen im Stück hat Regisseur Marc Adam die Figur der Thaïs gedoppelt und mit der Balletttänzerin Michaela Meyer besetzt, die in lasziven Bewegungen Athanaëls heimliches Verlangen ausdrückt und bis zu ihrem Tod die Kurtisane bleibt, während Lea-ann Dunbar, die Sängerin der Titelpartie, längst schon in einem langen weißen Gewand zur Heiligen geworden ist und nur ihre feuerroten Haare noch eine Reminiszenz an vergangene Tage sind. Bewegend inszeniert ist die berühmte "Méditation", die leitmotivisch Thaïs' Wandel von der Huren zur Heiligen beschreibt. Hinter einem Prospekt, auf den zunächst eine weiße Lilienblüte projiziert wird, sieht man Dunbar träumend auf dem Boden liegen. Meyer befindet sich dabei auf dem kreisrunden Podest und lässt Erinnerungen an ihre Kindheit wach werden, indem sie Püppchen aus ihrer Schmuckschatulle holt und mit ihnen spielt. Dann sieht man auf dem Prospekt einen Strand und das Meer. Plötzlich bewegen sich die Bilder. Ein rothaariges Mädchen in einem weißen Gewand geht langsam ins Wasser, reinigt sich gewissermaßen von ihrer Vergangenheit. Nach der Pause sieht man das Mädchen langsam wieder dem Wasser entsteigen. Dann wird der Prospekt gehoben und aus dem Mädchen auf dem Prospekt wird Thaïs, die nun in langem weißem Gewand auf dem kreisrunden Podest steht und bereit ist, Athanaël zu folgen und ihr altes Leben abzustreifen.

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Athanaël (Gerard Quinn) bringt Thaïs (Lea-ann Dunbar, rechts) zu Albine (Wioletta Hebrowska, links) und den Nonnen (Chor und Extrachor im Hintergrund) im Kloster in der Wüste.

Neben diesen bewegenden Bildern kann auch die musikalische Umsetzung überzeugen. Der von Joseph Feigl einstudierte Chor präsentiert sich stimmlich homogen und verkörpert sowohl die Mönche und Nonnen, als auch das der Sinneslust frönende Volk Alexandrias absolut glaubhaft. In den kleineren Partien lassen vor allem Steinunn Soffia Skjenstad und Gianluca Buratto aufhorchen. Skjenstad stattet La Charmeuse mit leicht geführten Koloraturen aus und begeistert als männermordender Vamp. Buratto lässt als Palémon einen samtigen dunklen Bass verströmen, der enorme Durchschlagskraft besitzt. Garðar Thór Cortes überzeugt als Nicias in der Mittellage mit einem klangschönen Tenor. In den Höhen hat er jedoch bisweilen leichte Probleme und kommt nicht gegen das fulminant aufspielende Orchester an. Gerard Quinn begeistert als Athanaël mit großem Bariton und bewegendem Spiel, dem man die innere Zerrissenheit zwischen Glauben und Sinneslust in jedem Moment abnimmt. Star des Abends ist Lea-ann Dunbar, die die Titelpartie mit wunderbar lyrischen Bögen ausstattet und es auch in den Tutti-Passagen problemlos mit dem Orchester aufnehmen kann. Daniel Inbal lotet mit dem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck die vielschichtige Partitur zwischen orientalischen und liturgischen Anklängen differenziert aus und lässt es sich beim frenetischen Schlussapplaus nicht nehmen, auch die Soloviolinistin, die eine bewegende Interpretation der "Méditation" bietet, mit auf die Bühne zu holen.

FAZIT

Dieses Stück möchte man gern häufiger auf deutschen Bühnen sehen. Die Oper Bonn wird Lübecks Beispiel in der nächsten Spielzeit folgen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Inbal

Inszenierung
Marc Adam

Bühne
Roy Spahn

Kostüme
Pierre Albert

Choreographie
Pascal Chevroton

Licht
Falk Hampel

Video
Gregor Blanz

Chor
Joseph Feigl

Dramaturgie
Sascha Mink

 

Chor und Extrachor des
Theater Lübeck

Statisterie

Philharmonisches Orchester
der Hansestadt Lübeck


Solisten

*rezensierte Aufführung

Athanaël
*Gerard Quinn /
Antonio Yang

Nicias
Garðar Thór Cortes

Palémon
Gianluca Buratto

Diener des Nicias
Johan Hyunbong Choi

Thaïs
Lea-ann Dunbar

Crobyle
Anne Ellersiek

Myrtale
Wioletta Hebrowska

La Charmeuse
Steinunn Soffia Skjenstad

Albine
Wioletta Hebrowska

Vision der Thaïs
Michaela Meyer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom

Theater Lübeck
(Homepage)



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