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Musiktheater
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Gloriana

Oper in drei Akten
Text von William Plomer nach dem Roman Elizabeth and Essex von Lytton Strachey
Musik von Benjamin Britten

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 3  Stunden – eine Pause

Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden, London

Premiere am 24. März 2013
(rezensierte Aufführung: 06.04.2013)

Logo: Staatsoper Hamburg

Hamburgische Staatsoper
(Homepage)

Facing The Queen

Von Christoph Wurzel / Fotos von Brinkhoff / Mögenburg

„Die Königin bleibt mit sich und ihren Pflichten gegenüber ihrem Land und ihrem Amt zurück“, so vermerkt es das Programmheft über den Schluss von Brittens Oper über „Gloriana“, mit welchem Titel Königin Elisabeth I. von der Nachwelt   verklärt wurde. Einsam bleibt eine Herrscherin zurück, der eine Balance zwischen privaten Wünschen und den Interessen des Staates nicht gelingen konnte. Ihre Liebe zu Robert Devereux, dem Earl of Essex, hat sie zugunsten der Staatsraison opfern müssen, weil sie für dessen Umsturzversuch das Todesurteil unterschreiben muss. Gloriana scheint vom Sujet her für Brittens Schaffen die am wenigsten typische Oper zu sein, aber vom musikalischen Gehalt her ist die Partitur eine seiner reichsten.

Im Jubiläumsjahr hat die Hamburger Intendantin und Generalmusikdirektorin Simone Young sich für dieses selten gespielte Bühnenwerk Brittens entschieden, als Beitrag zum 100. Geburtstag des von ihr besonders geschätzten Komponisten. Und als Kooperation mit Covent Garden wird die Produktion dort im Juni zum 60. Thronjubiläum Elizabeth II. gezeigt, denn anlässlich deren Krönung im Jahre 1953 ist dieses Werk entstanden und auch an derselben Stelle uraufgeführt worden. Diese Uraufführung geriet allerdings zur großen Enttäuschung des Komponisten und seither krankt die Aufführungsgeschichte unter dem Diktum „sperriges Werk“. In einer wohl durchdachten und höchst bühnenwirksamen Produktion kam das Werk nun in Hamburg aber voll zur Geltung.

Klar wurde sofort, was die Oper nicht ist, nämlich ein Huldigungsspektakel für die eine oder die andere Elizabeth, was schon 1953 das Missverständnis gewesen sein dürfte.  Stattdessen arbeitet die Aufführung deutlich heraus, was die Oper wirklich ist: nämlich eine subtile Studie über die gespaltene Seelenlage einer Herrscherin. William Plomer als Librettist schildert die inneren Konflikte dieser Frau in zwingender Dramaturgie, Benjamin Britten fächert dazu alle Möglichkeiten seiner musikalischen Charakterisierungskunst auf. Die Regie setzt dazu noch einen kräftigen ironischen Akzent, indem sie die eigentliche Handlung in die Uraufführungszeit einbettet, also die Thronbesteigung Elizabeth II, mit der im Monarchieverständnis der Briten an die „goldenen“ Tudor- Zeiten angeknüpft werden sollte.

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Im Konflikt zwischen Pflicht und Neigung: Elizabeth I. (Amanda Roocroft) 1485 vor dem gleichen Thron wie die junge Elizabeth II. bei ihrer Krönung 1953

Richard Jones hat die acht Szenen der Opernhandlung als Spiel inszeniert, das anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten der zweiten Elizabeth in einer Festhalle zu deren Ehren aufgeführt wird, so wie es offensichtlich tatsächlich in dieser Zeit in England häufig anzutreffen war – ein „Pageant“, ein festliches Schauspiel aus feierlichem Anlass. Diese Ehrenvorstellung findet in der Ceremony-Hall in Norwich statt, vor den Honoratioren der Stadt und ausgeführt von den üblichen theaterbegeisterten Bürgern einschließlich Kinderchor, Schulklasse und Balletteleven. Dabei gibt sich das hochprofessionelle Hamburger Ensemble erfolgreich alle Mühe, wie Laiendarsteller zu wirken. Der ironische Reiz dieser Produktion ist es, einer über weite Strecken gewollt linkischen Aufführung beizuwohnen und dabei in den englischen Blick der fünfziger Jahre auf die Renaissance hineingezogen zu werden. In diesen Helden in Strumpfhosen, wie sie der britische Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner Ultz uns augenzwinkernd vorführt, holen sich also Vertreter des britischen Establishments die glorreichen Zeiten durch das Spiel einer Oper zurück. So stellte man sich einst  in England wohl diese Zeiten vor. Möglich, dass dies alles in Anwesenheit Ihrer Majestät, der neuen Königin geschieht, denn am Schluss bleibt würde- und huldvoll einer der Ehrengäste, eine junge distinguierte Lady vor der einsam auf der Bühne verbliebenen „Gloriana“ stehen, beide blicken sich für einen Moment stumm in die Augen, so als wollte die Bühnen-Elizabeth der jungen Königin im Parkett ihren Schlusssatz mit auf den Weg geben: „Ich sehe keinen Grund, dass ich das Leben lieben oder den Tod fürchten sollte“. Testament  oder Warnung für eine gerade frisch gekrönte Monarchin?

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Die englischen Kleinstädter huldigen ihrer Queen mit einer Masque und demonstrieren auf ihre Weise Wohlstand und Kunstfertigkeit.

Genau unterscheidet die Regie zwischen den Protagonisten der Oper, die in ihren Charakteren fein gezeichnet werden und der kleinstädtischen Bevölkerung, die eher typisiert und mitunter auch mit kritischem Understatement gezeigt wird. In die Rahmenhandlung werden zahlreiche Anspielungen an die fünfziger Jahre eingeflochten, etwa der offene Rassismus dieser Jahre, indem zu Ehren der Königin ausgerechnet das Spiel vom gekochten Missionar im afrikanischen Urwald aufgeführt wird oder wenn die Räder der kitschig mit Blumen geschmückten Kutsche der Königin sich nur auf der Stelle drehen. Die Unterstufenschüler des Ortes dürfen unter Anleitung ihrer gestrengen Lehrerin mit Plakaten die Orte der Handlung anzeigen und der Oberleiter des ganzen Laienspiels wacht vom Rande aus penibel über das Geschehen. Natürlich werden die umständlichen Umbaupausen ebenfalls in das Spiel im Spiel integriert. Wenn auch manches dieser Bilder etwas hergeholt erscheinen mag, so ist es doch vergnüglich und verfremdet auf seine Weise die für uns etwas ungewohnte Begeisterung der Briten für ihre Monarchie. Man darf gespannt sein, wie das Londoner Publikum diese Selbstironie aufnehmen wird.

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"Let’s play an opera": Zu Ehren der Königin wird „Gloriana“ gespielt.

Mag diese Szenerie auch die Gemüter entzweien (im Publikum war die Meinung durchaus gespalten), so ist es die musikalische Umsetzung, die diese Produktion eindeutig mehr als lohnenswert macht. Simone Young stellt mit ihrem Dirigat eine eminente Kompetenz für die Musik Benjamin Brittens unter Beweis. Sie lotet die Partitur detailreich auf all ihre instrumentalen Finessen aus. Das reiche Klangkolorit kommt aufs Schönste zum Leuchten und die feinen auch ironischen Seiten in Brittens Musik scheinen deutlich hervor. In dieser Oper mit seinem Renaissance-Sujet hat Britten auch der musikalischen Welt dieser Epoche breiten Raum gewidmet und sich in mehreren Szenen dessen Klanggestalt anverwandelt. Als zentrales Motiv verwendet er ein Lautenlied für den Earl of Essex, das variiert an mehreren Stellen der Oper aufscheint. Hiermit ist er auch der Vorliebe von Peter Pears für die Alte Musik entgegengekommen, seinem Lebenspartner, der in der Uraufführung von Gloriana diese Rolle natürlich gesungen hat. Darüber hinaus gibt es eine ausgedehnte Szene mit höfischen Tänzen wie Pavane, Gaillarde oder Volta, die Britten kunstvoll und stilsicher ins moderne  Orchester integriert hat und die von den Philharmonikern in delikatem Klang präsentiert werden. Hervorragend auch der Staatsopernchor, der einige wunderbare a-capella-Passagen ausgezeichnet bewältigt und die Hamburger Alsterspatzen, die mit großer Begeisterung die Parade des aufmarschierenden Kinderchors exerzieren. Auch das Ballett hat in dieser aufwändigen Oper zu tun, in der Masque zu Ehren der Königin führen Schülerinnen und Schüler der Neumeier-Schule gekonnt einen allegorischen Tanz auf, choreografiert von der Spezialistin für englische historische Stile Lucy Burge. All diese Vielfalt, dazu noch Fern- und Bühnenmusik hält Simone Young exzellent und präzise zusammen.

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Angetreten zur Huldigung der Herrscherin (Amanda Roocroft): Earl of Essex (Robert Murray), Raleigh (Clive Bayley), Countess of Essex (Rebecca Jo Loeb) und Lady Rich (Hellen Kwon) in der vorderen Reihe

Exzellent sind die sängerischen Leistungen. Allen voran gestaltet Amanda Roocroft die schwierige Rolle der Gloriana differenziert im Konfliktfeld zwischen offizieller Rolle und persönlichen Wünschen. Stimmlich verfügt sie souverän über die dazu nötigen Farben sowohl für die große dramatische Geste wie für den Ausdruck der seelischen Zustände. Mit lyrischem Schmelz und romantischer Emphase singt Robert Murray den Earl of Essex, im Timbre nicht unähnlich dem jungen Peter Pears vor allem in dem berührenden Lautenlied Happy were he. Auch die anderen Hauptrollen sind hervorragend besetzt und stimmlich präsent.

FAZIT

In dieser liebevoll ironischen Inszenierung kommt Brittens Gloriana in ihrer Vielschichtigkeit eindrucksvoll zu ihrem Recht. Auf der musikalischen Seite macht uns die Produktion mit einem weiteren Meisterwerk Brittens bekannt. Dies ist durchaus kein sperriges Werk, wenn man es nur richtig macht. Eine Möglichkeit dazu ist diese Hamburger Produktion, die das Britten-Repertoire erfreulich bereichert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simone Young

Inszenierung
Richard Jones

Bühnenbild und Kostüme
Ultz

Licht

Mimi Jordan Sherin

Choreografie

Lucy Burge

Chor

Janko Kastelic

Dramaturgie

Kerstin Schüssler – Bach

Spielleitung
Anja Krietsch

Leitung der Hamburger Alsterspatzen
Jürgen Luhn



Philharmoniker Hamburg

Chor der Staatsoper Hamburg

Ballettschule  des
HAMBURG BALLETT –
John  Neumeier


Solisten

Queen Elizabeth I.
Amanda  Roocroft

Robert Devereux, Earl of Essex
Robert Murray

Frances, Countess of Essex
Rebecca Jo Loeb

Charles Blount, Lord Mountjoy
Moritz Gogg

Penelope, Lady Rich
Hellen Kwon

Sir Robert Cecil
Alfredo Daza

Sir Walter Raleigh
Clive Bayley

Henry Cuffe
Viktor Rud

A Lady-in-Waiting
Melissa Petit

A Blind Ballad-Singer
Tigran Martirossian

The Recorder of Norwich
Richard Charles

A Housewife
Gabriele Rosmanith

The Spirit of the Masque
Jun-Sang Han

The Master of Ceremonies
Chris Lysack

The City Crier
Thomas Florio


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Hamburgischen Staatsoper
(Homepage)





Da capo al Fine

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