Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Don Carlo

Oper in vier Akten
Text von Josephe Méry und Camille du Locle
nach dem dramatischen Gedicht Don Karlos, Infant von Spanien von Friedrich Schiller
Übersetzung ins Italienische von Achille de Lauzières-Thémines und Angelo Zanardini
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 10. November 2012
(rezensierte Aufführung: 14.12.2012)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Spanferkel zum Autodafé

Von Thomas Molke / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

Von den vier Schiller-Vertonungen, die Giuseppe Verdi komponiert hat, darf Don Karlos, Infant von Spanien mit Sicherheit als das Werk bezeichnet werden, mit dem er sich am längsten auseinandergesetzt hat. Von der Uraufführung 1867 in Paris schuf er bis 1886 in Modena insgesamt sieben Fassungen in französischer und italienischer Sprache, die sich nicht nur durch das obligatorische Ballett für die Pariser Oper und Umarbeitungen einzelner Szenen unterscheiden - so existieren von dem großen Duett zwischen dem König und dem Marquis von Posa nicht weniger als vier Fassungen -, sondern bei denen teilweise der ganze erste Akt geopfert wird, wobei sich die vieraktige Version lange Zeit auf den Bühnen durchgesetzt hat. Auch in Hagen hat man sich für die "kürzere" Mailänder Fassung entschieden und leistet damit bereits einen Beitrag zum anstehenden Verdi-Jubiläumsjahr 2013.

Bild zum Vergrößern

Don Carlo (Xavier Moreno) liebt Elisabetta di Valois (Tamara Haskin).

Was sich der zukünftige Operndirektor des Staatstheaters Braunschweig, Philipp Kochheim, allerdings in seiner Inszenierung um die unerfüllte Liebe des spanischen Infanten Don Carlo zu Elisabetta di Valois, die aus politischen Gründen seinen Vater Filippo heiraten musste, gedacht hat, bleibt größtenteils im Dunkeln. Unstrittig ist, dass im Don Carlo anders als in Verdis früheren Opern wie Nabucco oder I lombardi alla prima crociata das Politische deutlich hinter das Private zurücktritt und die einzelnen Figuren in der Musik psychologisch differenzierter ausgestaltet sind. Zu begrüßen ist auch, dass Kochheim nicht versucht, das Stück auf die Gegenwart zu übertragen. Selbst dass er nach seinem im Programmheft formulierten Ansatz, "in der Geschichte so wenig wie möglich, aber so weit wie nötig zurückzugehen", in der Blütezeit der Industrialisierung landet, mag noch angehen. Was er sich jedoch in der Personenregie gedacht hat, bleibt nicht nur stellenweise unverständlich, sondern entwickelt sich teilweise zu einem regelrechten Ärgernis. Dabei zerfasern die langen Umbauphasen zwischen den einzelnen Bildern den Abend, ohne dass das Bühnenbild von Uta Fink zum Verständnis des Regie-Ansatzes beiträgt.

Wenn zu Beginn des ersten Aktes Don Carlo in einem Bett liegt und das Kloster San Yuste als Friedhof zunächst hinter einem Gaze-Vorhang zu sehen ist, könnte noch der Eindruck entstehen, dass sich die ganze Geschichte nur als Fiebertraum des Infanten ereignet oder dieser in einer Art Rückblende die Geschehnisse noch einmal erlebt. Vielleicht würde das erklären, wieso auch das Gefängnis, in dem Don Carlo sich im zweiten Bild des dritten Aktes befindet, nur durch ein Bett dargestellt wird, in dem er festgebunden ist. Dieser Ansatz wird aber nicht durchgehalten. Stattdessen mutet Kochheim es Xavier Moreno, dem Sänger der Titelpartie, zu, in seinen Szenen ständig wie ein Irrsinniger über die Bühne zu rennen, so dass es dem Marquis von Posa eigentlich von Anfang an klar sein müsste, dass er auf diesen Schwächling keine Hoffnung setzen kann, sein erbrachtes Opfer also völlig sinnlos ist.

Bild zum Vergrößern

"Ella giammai m'amò": Filippo (Rainer Zaun) mit der Prinzessin Eboli (Kristine Larissa Funkhauser)

Eine Figur, die Kochheim besonders interessiert, ist die Prinzessin Eboli. Mit ihrer Pagenfrisur unterscheidet sie sich optisch deutlich von den anderen Frauen, was ihr eine in die Zukunft gerichtete Modernität geben soll. Zu ihrer Auftrittsarie "Nei giardin' del bello" fällt Kochheim aber nicht viel mehr ein, als den Pagen Tebaldo unter Ebolis Rock schlüpfen zu lassen. Einer der wenigen beeindruckenden Momente gelingt in der großen Arie Filippos "Ella giammai m'amò", die szenisch fast nur der Eboli gehört. Wie Kristine Larissa Funkhauser in dieser Arie Ebolis Enttäuschung darüber ausdrückt, dass sie für den König nie mehr als eine austauschbare Mätresse sein wird, ist wirklich gut in Szene gesetzt, auch wenn man nicht weiß, was die Fotowand im Hintergrund eigentlich soll. Wieso sich Eboli allerdings in "O don fatale" die Pulsadern aufschlitzen muss und auch ihr in der Arie besungenes Vorhaben, Don Carlo aus dem Gefängnis zu befreien, anschließend szenisch nicht umgesetzt wird, trübt wiederum den musikalischen Genuss. Da bleibt Don Carlo einfach mit blutigen Händen an der Rampe stehen, während der Großinquisitor das aufrührerische Volk in die Knie zwingt.

Bild zum Vergrößern

Filippo (Rainer Zaun, rechts) in der Macht des Großinquisitors (Orlando Mason, links)

Ein weiteres Ärgernis ist das Autodafé-Bild im zweiten Akt. Statt einer Ketzerverbrennung gibt es hier ein Bankett, bei dem anstelle der Ketzer ein Spanferkel gegrillt wird. Logisch konsequent ist es dann natürlich, die Stimme vom Himmel, die den hingerichteten Seelen Erlösung im Jenseits verspricht, als Sängerin mit einer Harfe auftreten zu lassen, die die Gesellschaft musikalisch unterhält. Die Aussage des Stückes wird dabei jedoch völlig gegen den Strich gebürstet. Noch eklatanter fällt dies im vierten Akt aus. Während laut Libretto Elisabetta allein im Kloster San Yuste mit ihrer bewegenden Arie "Tu che le vanità" auf ein letztes Treffen mit Don Carlo wartet, sind dort sämtliche Requisiten der vorherigen Bilder aufgestapelt, und Filippo kreist permanent wie ein geistig Umnachteter um seinen Schreibtisch, während sich Eboli in einem Boot erneut die Pulsadern aufschneiden muss. Wenn Carlo dann im Schlussbild auch noch den Großinquisitor abknallt, hört man endgültig auf, hinter Kochheims Regie-Einfällen einen Sinn zu suchen.

Bild zum Vergrößern

"O don fatale": Prinzessin Eboli (Kristine Larissa Funkhauser)

Wenigstens musikalisch entschädigt die Aufführung für die enttäuschende Inszenierung, wobei lobend zu erwähnen ist, dass die Hagener diese große Oper mit Ausnahme von zwei Gästen allein mit Ensemblemitgliedern besetzen können, was für die hohe Qualität des von ständigen Kürzungen bedrohten Hauses spricht. Da Raymond Ayers an diesem Abend erkrankt ist, hat man für die Partie des Rodrigo Kartal Karagedik vom Theater Magdeburg als Gast gewinnen können, der sich problemlos in die Inszenierung einfindet und den Posa mit imposantem Bariton ausstattet. Rainer Zaun belegt als Filippo, dass er neben den Buffo-Partien auch im seriösen Fach mit großem Bass überzeugen kann. Orlando Mason verleiht dem Großinquisitor etwas Unheimliches, wenn seine langen Armen nahezu spinnengleich den Schreibtisch Filippos absuchen. Tanja Schun und Maria Klier gefallen als Tebaldo und Stimme vom Himmel mit schönem Sopran. Der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor hat an diesem Abend leichte Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Philharmonischen Orchester Hagen unter der Leitung von David Marlow, was die Tempi betrifft.

Tamara Haskin gefällt als Elisabetta vor allem in ihrer großen Schlussarie. Stellenweise weist ihre Stimme aber ein zu starkes Vibrato in den Höhen auf. Dass sie sich im Spiel sehr zurückhält, ist wahrscheinlich eher der Personenregie Kochheims anzulasten. Xavier Moreno lässt sich an diesem Abend zwar als indisponiert entschuldigen, liefert als Don Carlo stimmlich und darstellerisch aber eine große Leistung ab. Dass er trotz seines Hustens die Kondition besitzt, permanent über die Bühne zu rennen und dann trotzdem noch genügend Luft für den Gesang zu haben, ist beachtlich. Kristine Larissa Funkhauser macht die Eboli darstellerisch zur zentralen Figur des Abends, auch wenn nicht alle Regieeinfälle überzeugen können. Stimmlich verfügt sie über eine sehr gute Mittellage, wobei ihre Stimme nur in den dramatischen Ausbrüchen in den Höhen noch etwas reifen kann. So gibt es für die Sänger und Musiker am Ende verdienten Applaus. Da es sich um eine Repertoire-Aufführung handelt, kann das Regie-Team an diesem Abend nicht abgestraft werden.

FAZIT

Dass das Theater Hagen eine so große Oper wie Don Carlo nahezu vollständig mit eigenen Ensemble-Mitgliedern besetzen kann, spricht für die hohe Qualität des Hauses, die nicht durch weitere finanzielle Einschnitte gefährdet werden sollte. Für die Solidarität des Publikums sollte die musikalische Qualität allerdings auch mit einer szenischen Umsetzung einhergehen, die dem Werk gerecht wird und Garant für ein volles Haus ist.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Ludwig /
*David Marlow

Inszenierung
Philipp Kochheim

Ausstattung
Uta Fink

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel



Opern- und Extrachor des
Theater Hagen

Statisterie des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Filippo II., König von Spanien
Rainer Zaun

Don Carlo, Infant von Spanien
Xavier Moreno

Rodrigo, Marquis von Posa
Raymond Ayers /
*Kartal Karagedik

Der Großinquisitor
Orlando Mason

Ein Mönch / Karl V.
Sebastian Joest /
*Egidijus Urbonas

Elisabetta di Valois
Tamara Haskin

Prinzessin Eboli
Kristine Larissa Funkhauser

Tebaldo, Page Elisabettas
Tanja Schun

Gräfin Aremberg
Britta Luckas

Graf Lerma
Richard van Gemert

Stimme vom Himmel
Maria Klier

Deputierte
Jacoub Eisa
Christian Henneberg
Benjamin Hoffmann
Paul Jadach
Gillyong Jang
Bruno Vargas

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -