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Der Wildschütz oder
Die Stimme der Natur


Komische Oper in drei Akten
nach dem Lustspiel Der Rehbock oder Die schuldlosen Schuldbewussten von August Friedrich Ferdinand von Kotzebue
Text und Musik von Albert Lortzing

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 8. März 2013


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Irrungen und Wirrungen in Eberbach

Von Thomas Molke / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

Die Grippewelle macht in Deutschland zur Zeit auch nicht vor den Theatern halt. So mussten beispielsweise in Hagen die für den 2. März angesetzte Premiere Der Wildschütz und in Mönchengladbach das für den 8. März geplante Musical I Love You, You're Perfect, Now Change komplett verschoben werden, da aufgrund zahlreicher Erkrankungen im Ensemble gar nichts mehr ging, auch nicht für Ersatz gesorgt werden konnte. Dadurch kam nun in Hagen das Publikum eines ganz normalen Abo-Ringes in den unverhofften Genuss der Premiere eines Werkes des deutschen Tausendsassas Albert Lortzing, dessen Oeuvre heute allzu schnell in die Schublade biedermeierlicher Harmlosigkeit gesteckt wird, obwohl gerade sein Wildschütz einen durchaus gesellschaftskritischen Kern enthält, bei dem nicht nur der Adel sondern auch die einfachen Bürger in Form des Schulmeisters Baculus auf liebevolle Art karikiert werden.

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Baculus (Rainer Zaun) und Gretchen (Maria Klier) feiern Verlobung (im Hintergrund: Chor).

Die Handlung wirkt dabei auf den ersten Blick recht verworren. Der Schulmeister Baculus soll seines Amtes enthoben werden, weil er unerlaubter Weise in den Wäldern des Grafen von Eberbach einen Rehbock geschossen hat. Da der Graf dem weiblichen Geschlecht alles andere als abgeneigt ist, will Baculus seine Verlobte Gretchen beim Grafen vorsprechen und um Gnade für ihn bitten lassen. Doch dann taucht die Baronin von Freimann, die Schwester des Grafen, auf, die der Graf mit dem Baron von Kronthal verkuppeln will und die sich als Student verkleidet hat, um ihren zukünftigen Gemahl zunächst einmal inkognito in Augenschein zu nehmen. Doch auch der Baron will nicht die Katze im Sack kaufen und begleitet den Grafen als vermeintlicher Stallmeister. Die Baronin bietet Baculus an, als Gretchen beim Grafen vorzusprechen, und verzaubert mit ihrem Charme sofort den Grafen, der seine Schwester nicht erkennt, und den Baron, der Baculus 5.000 Taler dafür bietet, dass dieser ihm seine Braut abtritt. Als Baculus schließlich auf den Handel eingehen will und dem Baron das wahre Gretchen verkaufen will, fliegt der komplette Schwindel auf. Die Baronin gibt sich als Schwester des Grafen zu erkennen, was die eifersüchtige Gräfin milde stimmt, da ihr Mann in seiner Zuneigung zu der schönen Unbekannten scheinbar nur die Stimme der Natur in Form der Geschwisterliebe gehört hat. Baron und Baronin finden zusammen und auch Baculus kann seinen Posten und sein Gretchen behalten, da sich der geschossene Rehbock als Esel des Schulmeisters entpuppt.

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Die Gräfin (Marilyn Bennett) schwebt in hehren Sphären (im Hintergrund: Verena Grammel und Bernd Stahlschmidt-Drescher aus dem Chor).

Lena Brexendorff sorgt in den Kostümen für ein Ambiente, das der deutschen Spieloper in vollem Umfang entspricht, auch wenn nicht jedes Detail nachvollziehbar ist. So bleibt beispielsweise der Einsatz der 3-D-Brillen, die Graf und Baron im ersten Akt bei den Verlobungsfeierlichkeiten des Schulmeisters tragen, unverständlich. Großartig ist hingegen die Kostümauswahl bei der Gräfin, die wie eine mythologische Heroine in antiken Gewändern über die Bühne schreitet und deren Schloss vier Statistinnen als herrlich ausstaffierte Statuen schmücken, die sich bisweilen auch mal bewegen dürfen. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Brexendorff verantwortlich zeichnet, ist im ersten Akt recht rustikal gehalten. Da feiert Baculus seine Verlobung mit Gretchen in einer Schenke, die den bezeichnenden Namen "Zur Stimme der Natur" trägt, auf Holzbänken und Tischen, die Bierzeltatmosphäre vermitteln. Nach der Pause kommt dann die Drehbühne zum Einsatz. Während die Schenke eher in Erdtönen gehalten ist und eine Bergidylle vermittelt, versetzt die hellblaue Farbe mit den kleinen weißen Kumulus-Wolken das Schloss des Grafen beinahe in himmlische Sphären, die gut zur Rezitation der Gräfin passen. Beim dritten Akt vermischen dann überdimensionale weiße Orchideen vor blauen himmelblauen Vorhängen mit weißen Blumenabbildungen und einem Blick auf braune Bergkuppen im Hintergrund die beiden Welten des Adels und des Bürgertums.

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Kampf am Billard-Tisch um das vermeintliche Gretchen (Jaclyn Bermudez) (oben: der Graf (Raymond Ayers), darunter: Baculus (Rainer Zaun))

Annette Wolf folgt in ihrer Inszenierung der Geschichte und verzichtet größtenteils auf unnötige Regie-Mätzchen, obwohl der eine oder andere eingefügte Gag arg bemüht wirkt. So kann man darüber streiten, ob es witzig ist, wenn der in der Antike nicht sehr bewanderte Baculus der Gräfin bei der Planung des Bühnenbildes für ihre antike Tragödie rät, alles in der Mitte anzuordnen, da das ein Zeichen der "Mittologie" sei. Dem Premieren-Publikum jedenfalls gefiel es. Neben einer passenden Personenführung lebt dieses Stück jedoch vor allem von guten Sängerdarstellern, und diesbezüglich kommt man in Hagen erneut vollends auf seine Kosten. Allen voran ist Marilyn Bennett zu nennen, die trotz angesagter Erkältung eine großartige Leistung als Gräfin abliefert. Wie abgehoben sie diese in mythologischen Sphären wandelnde Figur präsentiert und in jedem gesprochenen Satz das übertriebene Pathos zelebriert, zeugt von großer Schauspielkunst. Besonders schön ist die Reaktion des Chores auf ihre Vorstellung: "Schade, schade, dass wir es nicht verstehen". So bleibt nur zu hoffen, dass sie den Jubel des Publikums vernehmen konnte, da sie durch den Intendanten Norbert Hilchenbach vor der Vorstellung hatte ausrichten lassen, dass sie leider gesundheitlich noch nicht auf der Höhe sei, aber das Publikum ruhig seinen Unmut bekunden könne, da sie es sowieso nicht hören würde.

Auch Rainer Zaun kann mit dem Baculus seinem Hagener Repertoire eine neue Glanzpartie hinzufügen. Nachdem er in Verdis Don Carlo stimmlich und darstellerisch als Filippo seine tragischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen konnte, spielt er nun die Schrullen des Schulmeisters kongenial aus, ohne die Figur dabei lächerlich zu überzeichnen. Auch stimmlich ist diese Partie wie für ihn gemacht. So dürfte Zauns Darstellung gewiss in jeder Hinsicht im Sinne Lortzings gewesen sein, der bei der Uraufführung diese Partie selbst interpretiert hatte. Die übrigen Partien der Oper geben nicht ganz so viel her, sind allerdings ebenfalls stimmig besetzt. So gefallen Raymond Ayers mit kräftigem Bariton als stets lüsterner Graf von Eberbach, vor dem keine Frau sicher ist, und Jeffery Krueger mit weichem Tenor als Baron Kronthal, der die Baronin auch lieben würde, wenn sie nur eine Bürgerliche wäre. Maria Klier und Jaclyn Bermudez überzeugen mit leichtem Sopran und kokettem Spiel als echtes Gretchen und als verkleidete Baronin, und auch Werner Hahn sorgt als Pankratius für komische Momente. Britta Strege bleibt als Kammermädchen Nanette ein bisschen blass, was aber sicherlich mehr der Rolle als ihrer Darstellung geschuldet ist. Der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor weiß ebenfalls zu überzeugen, und das Philharmonische Orchester Hagen rundet unter der Leitung von Florian Ludwig mit frischem Klang, vor allem bei den Holzbläsern, den Abend rundum gelungen ab, so dass es für alle Beteiligten am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Wer die deutsche Spiel-Oper nicht scheut, ist gut beraten, sich diese Inszenierung in Hagen anzusehen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Ludwig

Inszenierung
Annette Wolf

Ausstattung
Lena Brexendorff

Licht
Ernst Schießl

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Kinder- und Jugendchor
Carolina Piffka
Alexander Ruef

Dramaturgie
Thilo Borowczak



Opern- und Extrachor des
Theater Hagen

Kinder- und Jugendchor des
Theater Hagen

Elevinnen der
Ballettschule Ivancic

Statisterie des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

*Besetzung der Premiere

Graf von Eberbach
Raymond Ayers

Die Gräfin, seine Gemahlin
Marilyn Bennett

Baron Kronthal, Bruder der Gräfin
Jeffery Krueger

Baronin von Freimann, Schwester des Grafen
Jaclyn Bermudez

Nanette, ihr Kammermädchen
Anja Frank-Engelhaupt /
*Britta Strege

Baculus
Rainer Zaun

Gretchen, seine Braut
*Maria Klier /
Tanja Schun

Pankratius
Werner Hahn


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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