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Carmen

Oper in vier Akten
Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimée
Musik von Georges Bizet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 8. Juni 2013
(rezensierte Aufführung: 14.06.2013)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Menschenschmuggel, drei Tote und wenig Spanien in Hagen

Von Michael Cramer / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

Der international bekannte und hoch ausgezeichnete zypriotische Regisseur Anthony Pilavachi war in Hagen mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht worden, nachdem ein Sponsor sich für seine Gagenforderung stark gemacht hatte. Was dabei herausgekommen ist, entsprach zumindest szenisch und inszenatorisch nicht den hochgesteckten Erwartungen mancher konservativer Opernliebhaber: Eine recht trocken rübergebrachte Geschichte, eine - bis auf den letzten Akt - eher fade Bühne, etliche unverständliche Details, mancherlei szenische Ungereimtheiten. Pilavachi hat versucht, eine „moderne“ Carmen in der Urfassung mit gesprochenen Dialogen zu inszenieren, ohne die übliche Torero-Folklore, nur den persönlichen Konflikten folgend.

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Der Tanz auf dem Vulkan - Carmen (Kristine Larissa Funkhauser) in der Schmugglerkneipe

Das mag ja ein interessanter, wenn auch nicht ganz neuer Ansatz sein; Carmen fährt als distanziert nordisch Kühle mit Kurzhaarfrisur auf dem Motorroller vor, alle Zigarettenarbeiterinnen erscheinen im schwarzen Negligé, Kinder schießen im 1. Akt mit Holz-Gewehren aufeinander. Die Kneipe im 2. Akt kommt als knallrot ausgestattetes Bordell einher, am runden Tisch treiben halbnackte Männer Armgymnastik und beklopfen rhythmisch die Tischplatte, und auf einer restlos entschlackte Bühne agieren Protagonisten wie geschmuggelte Menschen vor grauen hohen Mauern. Schon das erste Bild erinnert mit den riesigen Eisengittern eher an einen Großtierzoo als an eine Straßenszene - nicht gerade stimmungsfördernd. Statt mit Kastagnetten klappert man mit Geschirr, José schneidet seinem Widersacher Zuniga die Kehle durch und erschießt im Affekt und entgegen dem Libretto statt des zurückgekehrten Widersachers Escamillo versehentlich die Micaëla. Wenn man schon Spanien ausklammert, sollte eine atmosphärische Alternative geboten werden, aber daran mangelt es leider.

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Der geborene Verführer - Carmen (Kristine Larissa Funkhauser) und Escamillo (Frank Dolphin Wong)

Ausgleich schaffte allerdings eine sehr genaue Personenführung und ein opulentes musikalisches Erlebnis. Kristine Larissa Funkhauser gibt einen spannenden Bogen von ihrer Kindheit als bettelndem Taschendieb bis zur femme fatal, die sich aber nicht dauerhaft an einen Mann binden will – bis Escamillo als ihre große Liebe ins Spiel kommt. Sie spielt mit ihrer herben Attraktivität und Erotik, wickelt die Männer locker um den Finger, ihr beweglicher Mezzo strömt herrlich wohlklingend, die glutvolle Habanera riss das Publikum zu einem kleinen Beifallssturm hin. Don José (Carles Reid) ist ein etwas zu kompakter biederer Brillenträger, nicht gerade der geborene Verführer, eher der Buchhaltertyp. Aber er stellt den schlichten, unglücklich liebenden Soldaten mit zerrissener Seele überzeugend dar, stimmlich sehr auf der Höhe mit ausgewogener Dynamik und Strahlkraft. Ein Highlight des Abends waren sein Duett mit seiner Jugendliebe Micaëla und seine Darstellung des zutiefst Verzweifelten, der seinen Konkurrenten um Carmen zuvor umgebracht hatte, im szenisch sehr starken letzten Akt: im oberen Bühnenteil jubeln die Massen dem Torero zu, den Carmen zuvor im schäbigen gemeinsamen Hotelzimmer für den Stierkampf eingekleidet hatte und sich dann selbst in eine rote Robe schmeißt, um dann im Liebesnest zuckend unter den Messerstichen des abgewiesenen Don José ihr junges Leben auszuhauchen. Da kommen zum Schluss dann doch ein wenig Spanien-Stimmung und Rückenschauer zusammen.

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Vor dem dramatischen Ende - Carmen (Kristine Larissa Funkhauser) und Escamillo (Frank Dolphin Wong)

Frank Dolphin Wong, der lange zum festen Hagener Ensemble gehörte, verkörperte als Escamillo seine Macho-Rolle sehr überzeugend, mit sicherem Auftreten und kernigem, ausdrucksstarkem Bariton. Kein Wunder, dass die Frauen ihm nachrennen. Auch Zuniga (Rainer Zaun) sang und spielte seine Rolle als Vorgesetzter und Nebenbuhler überzeugend. Eine der Abend-Palmen gehörte der Micaëla von Jaclyn Bermudez; ihr zartes anrührendes Spiel und ihre Wandlung zur leidenschaftlichen Liebe überzeugten auch stimmlich. Nicht nur etwas für das Auge war die Truppe der Schmuggler und Zigeunermädchen. Die Damen (Maria Klier und Marilyn Bennett), abenteuerlich skurril gekleidet, dauer-bekifft und reichlich dem Alkohol zugetan, waren eine originelle Nummer für sich; Richard van Gemert und Jeffery Krueger sowie Raymond Ayers als Sergeant Moralès fügten sich nahtlos in das harmonische Team ein.

Die zweite Palme gebührt dem GMD Florian Ludwig und seinem Philharmonischen Orchester Hagen, welches dem vollbesetzten Haus nahezu einen Spanien-Rausch bescherte, ganz im Gegensatz zur nüchternen Bühne. Ludwig präsentierte lebendige Dynamik, punktgenaue Einsätze, ein farbiges Bläserspiel, und eine hervorragende Synchronisation mit der Bühne und dem bestens aufgelegten Opernchor und Extrachor (Einstudierung Wolfgang Müller-Salow). Das ausverkaufte Haus feierte die Aufführung mit langem jubelnden und stehenden Applaus.

FAZIT

Eine trockene Inszenierung ohne Spanien-Feeling, die keine rechte Stimmung aufkommen lässt. Die musikalische Seite und die Personenführung machen dies jedoch wieder wett, daher insgesamt empfehlenswert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Ludwig

Inszenierung
Anthony Pilavachi

Bühnenbild
Peer Palmowski

Kostüme
Bernd Hülfenhaus

Licht
Ulrich Schneider

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel



Opern- und Extrachor des
Theater Hagen

Kinder- und Jugendchor des
Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Don José, Sergeant
Charles Reid

Escamillo, Stierfechter
Frank Dolphin Wong

Remendado, Schmuggler
Jeffery Krueger

Dancaïro, Schmuggler
Richard van Gemert

Zuniga, Leutnant
Orlando Mason /
*Rainer Zaun

Moralès, Sergeant
Raymond Ayers

Carmen, ein Zigeunermädchen
Kristine Larissa Funkhauser

Micaëla, ein Bauernmädchen
Jaclyn Bermudez

Frasquita, Zigeunermädchen
Maria Klier

Mercédès, Zigeunermädchen
Marilyn Bennett


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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