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Musiktheater
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Die Medici (I Medici)

Oper in vier Akten
Text und Musik von Ruggero Leoncavallo


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Kooperation mit der Thüringen Philharmonie Gotha

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Erfurt am 16. März 2013
(rezensierte Aufführung: 05.04.2013)


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Theater Erfurt
(Homepage)

Historien-Drama der Renaissance

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff


Richard Wagners Der Ring des Nibelungen ist in der Operngeschichte einzigartig. Doch auch andere Komponisten haben den Plan verfolgt, einen dem Ring-Zyklus vergleichbaren monumentalen Mehrteiler zu schaffen. Zu nennen ist hier Ruggero Leoncavallo, der zwar heutzutage eigentlich nur noch durch seinen Operneinakter Pagliacci bekannt ist, der aber schon, bevor seine erste Oper zur Uraufführung gelangt war, plante, eine Trilogie unter dem Titel Crepusculum (Dämmerung), was wohl als bewusste Hommage an den vom ihm hoch verehrten Wagner verstanden werden kann, zu komponieren, in der die italienische Geschichte von dem einflussreichsten Herrschergeschlecht, den Medici, bis zu Cesare Borgia mit hohem philosophischen und patriotischen Gehalt abgehandelt werden sollte. Allerdings kam dieses Vorhaben nie über den ersten Teil, I Medici, hinaus. Wurde die Oper bei ihrer Uraufführung 1893 vom Publikum auch bejubelt, waren die Rezensionen eher zurückhaltend, weil die Handlung im Vergleich zu den anderen veristischen Opern als anachronistisch wahrgenommen wurde. So verschwand das Werk bereits zwei Jahre nach der Uraufführung wieder von den Spielplänen und wurde erst 1993 bei einer konzertanten Aufführung in Frankfurt wieder ins Gedächtnis gerufen. Das Theater Erfurt präsentiert nun die erste szenische Aufführung dieses Werkes in neuer Zeit und setzt damit seine Reihe der Wiederentdeckung vergessener Opern fort.

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Simonetta Cattanei (Ilia Papandreou) als Abbild von Boticellis Allegorie Primavera

Die Handlung verknüpft die von Francesco Pazzi angezettelte Verschwörung gegen die Medici im Jahr 1478 mit einer Liebesgeschichte zwischen Giuliano de' Medici, dem jüngeren Medici-Bruder, und Simonetta Cattanei, einer wunderschönen Frau, die Botticelli in zahlreichen Gemälden als Venus oder Allegorie des Frühlings verewigt haben soll. Während Lorenzo de' Medici die Bürgerrepublik Florenz wie ein Monarch mit strenger Hand regiert, mehren sich, angezettelt vom Papst in Rom, die Proteste gegen seine Herrschaft. Als der Hauptmann Giambattista da Montesecco von der schönen Simonetta Cattanei in seinem drängenden Werben um ihre Gunst barsch zurückgewiesen wird und kurz darauf erkennt, dass sie wohl die Geliebte Giulianos ist, schließt er sich den Verschwörern an, die bei der Heiligen Messe einen Aufstand gegen die Medici planen. Simonetta, die an Schwindsucht leidet, belauscht die Verschwörer und will ihren Geliebten warnen, obwohl sie erfahren muss, dass Giuliano sich mittlerweile ihrer Freundin Fioretta zugewandt hat. Allerdings stirbt sie erschöpft in Giulianos Armen, bevor sie ihn über die Pläne der Verschwörer informieren konnte. So kommt es im Dom zu einer Auseinandersetzung zwischen dem von den Verschwörern aufgehetzten Volk und den Medici, bei der Giuliano tödlich verwundet wird. Lorenzo kann jedoch mit einer leidenschaftlichen Ansprache die Sympathie des Volkes zurückgewinnen und somit seine Herrschaft festigen.

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Erste Liebe zwischen Giuliano (Richard Carlucci) und Simonetta (Ilia Papandreou)

Roman Hovenbitzer setzt in seiner Inszenierung bekannte Boticelli-Bilder bewusst in Bezug zu den einzelnen Akten, um zu verdeutlichen, wie die Medici die Kunst als Manipulation der Masse zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele eingesetzt haben. Dabei schreckt er auch keineswegs vor einer gewissen Portion Kitsch zurück, die diesen Werken in der heutigen Zeit zweifelsfrei anhaftet. Während zu Beginn der Oper die Bühne noch von einem nackten zweistöckigen Gerüst beherrscht wird, das in mehreren Ebenen bespielt werden kann, und man das aufgebrachte Volk in moderner Kleidung sieht, das mit Sprühdosen die Diktatur der Medici anprangert, wechselt die Szene durch Einsatz der Drehbühne zum Palast der Medici, in dem alles von Botticellis Primavera beherrscht wird. Die vor dem Palast tobenden Unruhen werden durch einen Vorhang verdeckt, der an dem Gerüst emporgezogen wird und somit den Palast gewissermaßen von der Außenwelt abriegelt. Die Orangenbäume im Palast und die kostümierten Menschen erwecken den Eindruck, dass der hier angedeutete Garten Pate für das berühmte Boticelli-Bild gestanden haben könnte. Auch den Bezug Simonettas zu der Allegorie des Frühlings lässt Hovenbitzer nicht aus, indem er sie durch das Bild in einem vergleichbaren weißen Gewand mit einem roten Tuch auftreten und später auch wieder abtreten lässt. Wenn allerdings Giulianos Liebe für diese junge Frau erwacht und sie dabei großflächig auf den Vorhang projiziert wird, wobei das rote Tuch im Wind weht, ist das vielleicht doch ein bisschen dick aufgetragen.

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Poliziano (Nils Stäfe, links) präsentiert Lorenzo de' Medici (Juri Batukov,rechts) zum Maifest Die Geburt der Venus (Statisterie) (im Hintergrund: der Chor).

Auch im zweiten Akt übertreibt Hovenbitzer ein wenig, wenn zur Feier des Maifestes ein riesengroßer als Geschenk verpackter Quader auf die Bühne gezogen wird, indem sich dann eine lebende Vorlage für Boticellis berühmtes Gemälde Die Geburt der Venus befindet. Peinlich wird es, wenn aus der berühmten Muschel, aus der Venus auf dem Gemälde entsteigt, eine Stange emporragt, an der sich eine leicht bekleidete Tänzerin räkelt und später auch Simonetta tanzt, die ja erneut für die Venus Pate gestanden haben soll. Dass Giuliano mit Fioretta am Ende des Aktes die Muschel betritt, ist hingegen wieder stimmig, da er sich zwar auf eine Beziehung mit Fioretta einlässt, sein Herz, wie er und später auch Fioretta bekennt, aber immer noch Simonetta gehört. So macht auch im dritten Akt das gewählte Motiv Venus und Mars deutlich, dass ein unsichtbares Band Giuliano und Simonetta verbindet und Fioretta keine Chance hat. Wieso allerdings im dritten Akt eine moderne Verfremdung dieses Bildes Fiorettas Zimmer ziert, in der Venus gegen eine andere Frauengestalt ausgetauscht worden ist und die Putten mit Maschinengewehr und blauer Trainingshose die Liebenden an ihr Bett binden, bleibt unklar. Soll dies Ausdruck für Fiorettas Wunsch sein, Giulianos Liebe gewinnen zu können, wenn die Freundin tot ist?

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Fioretta (Stéphanie Müther) verzweifelt an ihrer Liebe zu Giuliano.

Als gelungen kann hingegen der Bühnenaufbau des dritten Aktes betrachtet werden, der in dem Gerüst drei Räume abtrennt, unten links eine graue Kammer, in der Montesecco auf die Verschwörer warten, unten rechts Fiorettas Zimmer und in der ersten Etage das Krankenzimmer Simonettas, dessen Rückwand von dem echten Boticelli-Gemälde beherrscht wird. In diesem Ambiente wird das große Septett zu einem musikalischen und szenischen Höhepunkt des Abends. Der vierte Akt bleibt dann allerdings wieder in vielen Aspekten unverständlich. Zunächst baut Lorenzo vor der Bühne mit seinem Hofdichter Poliziano in einer Miniaturausgabe das Gerüst als eine Art Setzkasten mit Heiligenbildern auf, was dann auf die Bühne übertragen wird. Welche Rolle dabei allerdings Giuliano spielt, hinter dem ein Kreuz aufgestellt wird und dem Fioretta in einem weißen Hochzeitskleid die Füße wäscht, bleibt unverständlich. Soll dies bedeuten, dass Lorenzo seinen Bruder zur Sicherung seines eigenen Machtanspruchs opfert? Schließlich setzt er ihm, kurz bevor Giuliano ermordet wird, auch noch eine Dornenkrone auf. Was soll die zur Madonna stilisierte Simonetta, die neben Lorenzos Thron steht und die doch zu dem Zeitpunkt im Stück schon längst tot ist? Ist sie Ausdruck der künstlerischen und rhetorischen Macht, mit der Lorenzo das Volk schließlich wieder auf seine Seite bringen kann? Das Schlussbild gibt dann hinter dem Vorhang der das Gerüst verdeckt hat, den Blick auf zahlreiche Leichen frei, die Opfer des missglückten Aufstandes geworden sind.

Dass die Reaktion des Publikums am Ende eher zurückhaltend ist, mag auch auf die musikalische Umsetzung zurückzuführen sein, die nicht in jeder Hinsicht überzeugt. Giuliano de' Medici ist eine sehr anspruchsvolle Tenor-Partie, der Richard Carlucci leider nicht in jeder Beziehung gewachsen ist. In den Höhen klingt sein in den Mittellagen recht durchschlagskräftiger Tenor zu dünn und angestrengt, so dass sich die Gänsehaut, die seine Arien hervorrufen könnten, leider nicht einstellt. Vazgen Ghazaryan verfügt als Giambattista da Montesecco zwar über einen schwarzen Bass, der sich allerdings nicht immer gegen das leidenschaftlich aufspielende Orchester unter der Leitung von Emmanuel Joel-Hornak durchsetzen kann. Gleiches gilt für Juri Batukov, der darstellerisch als Lorenzo ein glaubhaftes Oberhaupt der Medici verkörpert. Sebastian Pilgrim lässt als Verschwörer Francesco Pazzi mit dunklem durchschlagenden Bass keine Wünsche offen. Ansonsten wird der Abend stimmlich von den Frauen dominiert. Ilia Papandreou begeistert als Simonetta mit großem, lyrischem Sopran, der in weichen Melodiebögen die Zerbrechlichkeit dieser jungen Frau nachvollziehbar macht. Stéphanie Müther stattet ihre Freundin Fioretta, die leider denselben Mann liebt, mit warmem Mezzo aus, der in der Mittellage über ein enormes Volumen verfügt und auch in den dramatischen Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Auch der von Andreas Ketelhut einstudierte Chor stellt das Volk als manipulative Masse glaubhaft dar.

FAZIT

Musikalisch ist es schade, dass Leoncavallo seine Trilogie nicht vollendet hat, auch wenn er sicherlich damit nicht an den Erfolg von Wagners Ring  anknüpfen könnte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Emmanuel Joel-Hornak

Inszenierung
Roman Hovenbitzer

Ausstattung
Roy Spahn

Film
Karl Heinz Stenz

Choreographie
Nadja Dagis

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Arne Langer


Opernchor des Theaters Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt


Solisten

Lorenzo de' Medici
Juri Batukov

Giuliano de' Medici
Richard Carlucci

Simonetta Cattanei
Ilia Papandreou

Fioretta de' Gori
Stéphanie Müther

Giambattista da Montesecco
Vazgen Ghazaryan

Francesco Pazzi
Sebastian Pilgrim

Bernardo Bandini
Marwan Shamiyeh

Erzbischof Salviati
Máté Sólyom Nagy

Poliziano
Nils Stäfe


Weitere
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Theater Erfurt
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