Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Die Frauen der Toten
(The Wives of the Dead)

Oper in zwei Versionen
Libretto eingerichtet von Alois Bröder nach einer Erzählung von Nathaniel Hawthorne
Musik von Alois Bröder


in englischer und deutscher Sprache mit Übertiteln mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Uraufführung im Großen Haus des Theaters Erfurt am 2 Februar 2013


Homepage

Theater Erfurt
(Homepage)

Flucht in Grauzone zwischen Traum und Wirklichkeit

Von Joachim Lange / Fotos von Lutz Edelhoff / © Theater Erfurt

Die Frauen der Toten heißt aktuell die alljährliche Uraufführung der Oper Erfurt. Die Geschichte hat etwas von einer schwarz eingefärbten Cosi fan tutte. Mozarts Liebesschule ist ja eine Operation am offenen Herzen, bei der es darum geht, den erotischen Schwingungen nachzuspüren, die auch nach einem gegebenen Versprechen der ewigen Liebe nicht verschwinden. Beim Opernerstling des 1961 in Darmstadt geborenen Komponisten Alois Bröder geht es um eine Selbsterforschung am trauernden, oder gar sterbenden Herzen. Anders als die beiden Männer bei Mozart sind nämlich die Ehemänner von Mary und Margret wirklich tot. Kurz nach der Hochzeit sind die beiden Brüder in Nathaniel Hawthornes (1804-1864) Erzählung, die der neuen  „Oper in zwei Versionen“ Inhalt und Titel gibt, beim Militär und auf See umgekommen.

Szenenfoto

Am Grab der Männer - das Entsetzen über den Verlust

Zurück lassen sie ihre beiden Frauen im gemeinsam bewohnten Haus. Das hat Norman Heinrich wie ein angeschnittenes Puppenhaus auf die Erfurter Bühne gesetzt. Die Schlafzimmer der beiden jungen Witwen befinden sich unter der Dachschräge. Mit Federbett und Kreuz an der Wand. Unten markieren Küchenherd, Tisch und Stehlampe den Wohnbereich dieser tristen puritanischen Wohngemeinschaft. Wohl weil hier bislang die Kinder fehlen, und nun auch die Männer, tauchen der Nachbar und ein Jugendfreund auf, um den beiden Frauen mitten in der Nacht die gute Nachricht zu verkünden, dass der jeweilige Mann gar nicht tot sei.

Szenenfoto

Eine merkwürdige Wohngemeinschaft, unten der gemeinsame Wohnbereich, oben die Schlafzimmer

Oder wünschen sich die Frauen, in ihrem Schmerz, dass diese Boten kommen? Oder ihre Männer? Oder gar der jeweils andere Mann? Jedenfalls behalten Mary und Margret die an sich gute Nachricht, von der nicht so ganz klar ist, ob es wirklich eine gute Nachricht ist, erst mal für sich. Um die jeweils andere nicht noch mehr zu verletzen? Oder sich selbst nicht zu verunsichern? Oder aus dem Alptraum „allein unter Puritanern“ oder „allein in der Familie des Schwagers“ aufzuwachen?

Das Prinzip dieser Geschichte und der Oper ist die Infragestellung. Der Wirklichkeit und ihrer Wahrnehmung. Was die melancholische, elegisch getragene, traurige Musik suggeriert und die Vorlage bewusst in der Schwebe lässt, verdeutlich Bröder durch die zwei Versionen, mit denen er die gleiche Geschichte sozusagen zweimal liest.

Szenenfoto

Mary und Margaret, eine Geste der Anteilnahme? Oder doch etwas Anderes?

Regisseurin Gabriele Rech vermag es in der Trauer der Frauen ganz im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein, die ganze Lebenstragik von unerfüllten Sehnsüchten und verbauten Perspektiven subtil zu verdeutlichen. Ob nun Margrets sexuelles Begehren oder Marys Aufbegehren - das ist hochpräzise in Szene gesetzt. In der ersten Version wird der Besuch der einen am Bett der andern am Ende zu einem Mordversuch mit der plötzlich über den Kopf gedrückten Bettdecke. Die zweite Version endet sogar mit einem gemeinsamen Selbstmord. Was mit der Beerdigung der Männer im ersten Teil begann, endet im zweiten damit.

Vielleicht ist aber alles nur ein Angsttraum, und die herumgeisternden Männer sind wirklich da und nicht nur in der Einbildung der Frauen, die sich dann auch noch von den „Falschen“ begehrt sehen. Dass am Ende tatsächlich mal fast alle Fragen offen bleiben, hat hier Methode. Und entspringt der düsteren, die Traumdeutung antizipierenden Atmosphäre bei Nathaniel Hawthorne. In dessen Grauzonen-Vorliebe fühlt sich Alois Bröder mit seiner Komposition ein. Und lässt sie auf ihr Ende hin, im dunkel Düsteren zu fließen.

Szenenfoto

Nächtlicher Besuch im Haus der Witwen; ist es ein Bote? der tote Mann? eine Traumgesalt

Mit ariosen Vorlagen, die vor allem von Marisca Mulder (als Mary) und Mireille Lebel (als Margret) traumwandlerisch zum Leuchten gebracht werden. Marwan Shamigeh (als Margrets Mann und Stephen) und Florian Götz (Marys Mann und Nachbar Parker) absolvieren ihren Teil der Geschichte ebenso überzeugend wie der Chor der Trauergemeinde samt Pfarrer (Manuel Meyer). Johannes Pell am Pult des mit der Thüringen Philharmonie Gotha kooperierenden Philharmonischen Orchesters Erfurt erweist sich als einfühlsamer Anwalt für diese neue Oper, bei der die schwebende Grenzgängerei zwischen Traum und Wirklichkeit und ihre verstörende Nachwirkung durchaus zu den Qualitäten zählen. Das mittlerweile uraufführungserfahrene Erfurter Publikum honorierte diesen Dienst an der Gattung angemessen.

FAZIT

Die Oper Erfurt hat ihrer bemerkenswerte Reihe mit Uraufführungen auch in diesem Jahr ein interessantes Werk hinzugefügt und dabei der szenischen und musikalischen Ausführung alle Sorgfalt angedeihen lassen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Pell

Inszenierung
Gabriele Rech

Bühne
Norman Heimann

Kostüme
Gabriele Heimann

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Berthold Warnecke


Opernchor des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt
in Kooperation mit der
Thüringen Philharmonie Gotha


Solisten

Mary
Marisca Mulder

Margaret
Mireille Lebel

Margarets Mann/ Stephen
Marwan Shamiyeh

Marys Mann/ Parker
Florian Götz

Pfarrer
Manuel Meyer


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Erfurt
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -