Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Der kleine Barbier oder Eine haarige Angelegenheit

Kinderoper nach Gioacchino Rossinis Il Barbiere die Siviglia
von Johann Casimir Eule und Wiebke Hetmanek
Bearbeitung für Kammerensemble von Askan Geisler
empfohlen für Kinder ab 5 Jahren


Aufführungsdauer: ca. 1h (keine Pause)

Premiere in der Jungen Oper Dortmund am 03. Oktober 2012




Theater Dortmund
(Homepage)
Kindgerecht verständlich und musikalisch zwingend

Von Christoph Kammertöns / Fotos von Thomas Jauk

Oper ist, wenn der Schwachsinn so groß wird, dass die Musik den Deckmantel der Unverständlichkeit über den Text breiten muss – so lautet ein, mitunter treffender, Spott. Treffend, weil manche Opernhandlung wirr erscheint, treffend auch, weil die Textverständlichkeit  – seien wir ehrlich – in aller Regel das erste Opfer einer großen Opernproduktion ist.

Szenenfoto Christian Henneberg (Figaro, links) und Lucian Krasznec (Almaviva)

Wie mitteilsam aber gibt sich das Genre, wenn ausgebildete SängerInnen über eine Entfernung von wenigen Metern und durch den akustischen Gazevorhang von lediglich sechs begleitenden Instrumenten dem wenige Dutzend Zuhörer starken Publikum zusingen dürfen! So beginnt die Wertschätzung einer Kinderoper hier mit der Feier einer raren Erscheinung, der Textverständlichkeit. Noch bevor das Kindgerechte der Dortmunder Inszenierung von Johann Casimir Eules und Wiebke Hetmaneks Erfolgsadaptation des Barbiere di Siviglia von Gioacchino Rossini zu loben ist, muss also der Segen einer sängerischen Unmittelbarkeit herausgestellt werden, die sonst nur im Liederabend zu haben ist.

Christian Henneberg schlägt direkt zu Beginn mit Ausschnitten der Arie »Largo al factotum« derart stimmgewaltig und textdeutlich durch, dass es eine echte Lust ist. Auch angesichts der ausgewählten Soli von Lucian Krasznec (Almaviva), Julia Amos (Rosina) und Sebastian Seitz (Bartolo) bestätigt sich der Eindruck stimmlicher Wucht in Übereinstimmung mit sublimer Belcantokultiviertheit und klarer Diktion. Überflüssig zu erwähnen, dass so auch auf die leidige Mikrofonverstärkung verzichtet werden kann, die bereits angesichts der ebenfalls hervorragenden Besetzung der vergangenen Kinderopernproduktion Zirkus furioso zu vermeiden gewesen wäre. In deutscher Sprache zu singen, legt bereits die Adresse an Kinder nahe und tut, eingebunden in das kalkuliert aktionistische Regiekonzept von Ronny Jakubaschk und eingebettet in die poppige Ausstattung von Leonie Reese, dem musikalischen Fluss einer genuinen Italianità nur wenig Abbruch.

Szenenfoto

v.l.: Julia Amos (Rosina), Christian Henneberg (Figaro) und Lucian Krasznec (Almaviva)

Wir haben es bei der Dortmunder Premiere des Kinder-Barbiers unter der bewährten musikalischen Leitung von Michael Hönes also zuallererst mit einer künstlerischen und musiksprachlichen Realisierung auf höchstem Niveau zu tun. Wie anders auch wollte man Kinder von der Oper überzeugen als dadurch, dass der Operngesang als gleichzeitig nahbar und überwältigend erfahrbar wird? Junge Menschen erleben das Wunder der ausgebildeten menschlichen Stimme so in ihrem mitreißenden Widerspruch von natürlicher Unmittelbarkeit menschlichen Ausdrucks und artifizieller technischer Überformtheit.

Im Rahmen dieser Idealbedingungen entfaltet sich in Dortmund in der Adaptation durch Eule und Hetmanek eine Handlung, die Rossinis Barbier zwar geschickt reduziert, prinzipiell aber im Original belässt und doch leichte lebensweltliche Anpassungen vorsieht. So tritt Almaviva etwa als Klempner auf, um vorgeblich Bartolos verstopftes Klo reparieren zu wollen. Dies wirkt für Kinder allemal realistischer als der im Originallibretto vorgeschriebene Versuch, sich als falscher Soldat privat im fremden Heim einquartieren zu wollen.

Szenenfoto v.l.: Christian Henneberg (Figaro), Lucian Krasznec (Almaviva), Sebastian Seitz (Dr. Bartolo) und Julia Amos (Rosina)

Dass aktualisiert auch die Wortwahl gelegentlich ins jugendsprachlich Saloppe abgleitet, wirkt ebenso stimmig. Der Funke springt auch dadurch über, dass sich die Darsteller immer wieder hilfesuchend an die Kinder im Publikum wenden, etwa Rosinas Brief zu verwahren und vorzulesen oder unter unbeholfen tanzmeisterlicher Anleitung Flamenco zu stampfen. Die umfassende Stärke der Adaptation und ihrer Dortmunder Realisierung ist also, das Originalstück ernst zu nehmen, zu keinem Moment preiszugeben und gleichzeitig eine Vermittlung des für viele junge Menschen eigentlich kulturell Fremden zu leisten. Das Theater erfüllt so einen unschätzbar wichtigen Bildungsauftrag, der einem im konkreten Fall vor Augen führt, welchen zukunftsbildenden Sinn Kultursubventionen haben können.

Mit Stücken wie dieser Dortmunder Kinderopernproduktion erleben wir einerseits einen sicher teuren Luxus; andererseits wird hier der Fortbestand des Selbstverständnisses, eine Kulturnation zu sein, in die Zukunft befördert. Und dies wiederum ist kein Luxus, sondern basale Selbsterhaltung.


FAZIT

Durchweg hervorragend gelungen.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hönes

Inszenierung
Ronny Jakubaschk

Ausstattung
Leonie Reese

Dramaturgie
Heike Buderus


Statisterie des
Theater Dortmund

Mitglieder der
Dortmunder Philharmoniker


Solisten

Almaviva
Lucian Krasznec

Rosina
Julia Amos

Bartolo
Sebastian Seitz

Figaro
Christian Henneberg

Ein Notar
Michael Hönes


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -