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Der fliegende Holländer

Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (keine Pause)

Premiere an der Sächsischen Staatsoper Dresden am 15. Juni 2013


Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Senta darf nicht sterben

Von Roberto Becker / Fotos von Matthias Creutziger

Es kann schon sein, dass es eine speziell weibliche Sicht auf Opernstoffe gibt. Gerade bei Wagner, wo kaum eine Beziehung nicht irgendwie verkorkst ist, kann die produktiv sein. Die Meistersinger sind in  der Beziehung noch das Normalste: Dass ein Vater seine Tochter als Preis auslobt, ist für Richards Verhältnisse ja vergleichsweise harmlos. Außerdem handelt die ganze Oper davon, wie man es hinbiegt, dass Evchen ihren Walther trotz allem kriegt. Sonst sind da nur Geschädigte, Fernverliebte oder Todessüchtige im Opernangebot. Elsa fragt erst in letzter Minuten mit wem sie da eigentlich in die Kiste steigt. Elisabeths treibt der liederliche Lebenswandel ihres Sängers Heinrichs in die Todesverzweiflung. Isolde und Kundry haben sowieso Ausnahmebiografien, und im Ring geht es ohnehin drunter und drüber.

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Ist es Traum oder Wirklichkeit? Der Holländer kommt.

Dass sich Senta in das Bild jenes Holländers verliebt, von dem alle wissen, dass er verflucht und mit dem Teufel im Bunde ist, dass sie ihm, als er tatsächlich auftaucht, Treue bis in den Tod schwört und das dann auch wahr macht, damit der Ärmste erlöst wird und sterben darf, das ist im Grunde auch ein ziemlich starker Tobak, wenn man es ernst nimmt. Oder es braucht eben eine kluge, nennen wir sie mal weibliche Sicht, um sich diesen Frauen anzunähern. Da darf dann die szenische Interpretation durchaus klüger sein, als der Autor oder das Werk. Zumindest darf und soll sie eine Meinung haben.

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Zu den Stimmen aus dem Jenseits - die Bilder aus dem Universum des Surrealen

In Dresden hat sich ein Frauen-Trio für eine dezidiert weiblich Perspektive entschieden. Das ist eher Zufall und nicht an das Geschlecht gebunden. Peter Konwitschny etwa glänzte in seinen besten Arbeiten immer mit dieser Sicht. Sie besteht nicht darin, Senta als in einer dominanten Männerwelt aufwachsendes Kind und als junge Frau zu verdoppeln. Sondern Florentine Klepper (Regie), Marina Segna (Bühne) und Anna Sofie Tuma (Kostüme) blicken konsequent aus Sentas Augen auf die Welt, eine an Caspar David Friedrichs Romantik geschulte Küstenlandschaft als Ort der Kindheit mit ziemlich schaurigen Zügen. Die von hier offenbar geflohene Senta kehrt hierher zur Beerdigung ihres Vaters Daland zurück. Ist nicht willkommen, hat aber längst genügend Selbstbewusstsein, um das auszuhalten. Die Handlung von Wagners erstem wirklich nachhaltigem Erfolg ist dann eine Erinnerung an ihre Kindheit und Jugend. An die Einsamkeit des Kindes ohne Mutter, die einer derbe und im Falle des Seemanns allzu lüsterne Männergesellschaft auch zum Objekt der Begierde wird. Jedenfalls vom Vater erst dem Jäger Erik versprochen und dann an eine „bessere“ Partie im Grunde einfach verkauft wird. An eine Frauengesellschaft, die längst die der Frau zugewiesenen Rolle als Gebärmaschinen zum Lebensglück verklärt hat. Gesponnen wird ja in der Holländer Spinnstube schon lange nicht mehr. Hier ist es ein Gebärhappening, bei dem nicht mal die dicken Bäuche wieder verschwinden.

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In den Traumräumen der Kindheit

Aber wie gesagt, es ist eine alptraumhafte Erinnerung an den Erwartungsdruck der Kindheit. Da ist alles erkennbar, aber nicht real. Manches Projektion wie die Holländerfigur, die sich Senta mit einem Flügel-Arm denkt, wie die Tiere, die sie liebt und die Erik abschießt. Kein Wunder, dass dann wie Sendboten aus dem Universum von Hieronymos Bosch Tiermenschen in einer Pforte aus der Unterwelt in die romantische Küstenlandschaft eindringen, wenn des Holländers Mannschaft wie aus dem Jenseits zu hören ist. Klepper verfolgt diese Sicht – akzeptiert man die Prämisse- mit überzeugender Konsequenz.

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Senta und der Holländer kommen sich nah

Musikalisch war Constantin Trinks am Pult der Sächsischen Staatskapelle der kundige Lotse für eine musikalische Seefahrt, die im Holländer-Uraufführungsopernhaus begeisterte. Überwältigend die Senta von Marjorie Owens, eindrucksvoll der Holländer von Markus Marquardt, bewährt überzeugend auch der Daland von Georg Zeppenfeld. Auch Tichina Vaughn ist als Frau Mary kraftvoll solide, wenn gleich sie darstellerisch etwas blass bleibt. Will Hartmann ist als Einspringer für den Erik ausgewiesen, hat auch stimmliches Charisma, kommt aber nicht an den Standard der andren heran. Als Steuermann wirkt Simeon Esper überfordert. Dafür ist der aufgerüstete Chor der Semperoper exzellent wie immer. Hinzu kommt, dass diese Neuproduktion bei akuter Überschwemmungsgefahr durch das Elbe-Hochwasser in dem immer noch intendantenlosen Haus hochprofessionell vorbereitet wurde. In Dresden verdichten sich die Gerüchte, dass Serge Dorny (Oper Lyon) ein aussichtsreicher Kandidat ist. Der neue Holländer würde, wenn er denn käme, schon mal ein Aktivposten sein.


FAZIT

Auch wenn es gewisse Abstriche am vokalen Niveau gibt, überzeugte diese so kluge wie atmosphärisch opulente Neuproduktion im Ganzen.   


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Constantin Trinks 

Inszenierung
Florentine Klepper 

Bühne
Martina Segna

Kostüme
Anna Sofie Tuma

Licht
Bernd Purkrabek

Chor
Pablo Assante

Dramaturgie
Sophie Becker



Sächsischer Staatsopernchor Dresden

Vocalensemble der
Theodore Gouvy Gesellschaft

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Holländer
Markus Marquardt

Senta
Marjorie Owens

Daland
Georg Zeppenfeld

Mary
Tichina Vaughn

Erik
Will Hartmann

Steuermann
Simeon Esper



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

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