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Les Troyens (Die Trojaner)

Grand Opéra in fünf Akten
nach Vergils Aeneis

Musik und Text von Hector Berlioz

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 5' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt am 9. März 2013
(rezensierte Aufführung: 21.04.2013) 

 

 



Staatstheater Darmstadt
(Homepage)

Begeisternde Grand Opéra im Staatstheater

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Als John Dew noch Intendant in Dortmund war, war ein Schwerpunkt, den er in jeder Spielzeit pflegte, die französische Oper. Einen Höhepunkt in dieser Reihe stellte damals sicherlich seine Inszenierung von Berlioz Trojanern dar, die sich eines so großen Erfolges erfreute, dass sie direkt mehrere Spielzeiten im Repertoire blieb. Nachdem Dew nun in der letzten Spielzeit seinen Ring-Zyklus beendet hat, widmet er sich in dieser Spielzeit, der vorletzten seiner Intendanz, noch einmal diesem monumentalen Werk, das mittlerweile als eines der großartigsten französischen Opern des 19. Jahrhunderts angesehen werden dürfte. Und wenn man eine Parallele zur Dortmunder Inszenierung ziehen möchte, lässt sich sicherlich bestätigen, dass Dews Ansatz das Darmstädter Publikum ebenso begeistert wie damals das Dortmunder.

Berlioz' Oper greift aus Vergils Aeneis zwei Episoden heraus, die im zweiten und vierten Buch des großen römischen Epos geschildert werden: den Untergang Trojas und die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Aeneas und Dido, der Königin von Karthago, die in der Antike als mythische Ursache für die Feindschaft zwischen Rom und Karthago betrachtet wurde, was letztendlich zu den drei Punischen Kriegen führte. Wie in der Aeneis fungiert zwar auch bei Berlioz der trojanische Held Aeneas als Bindeglied zwischen den beiden Episoden, ins Zentrum rücken in der Oper allerdings zwei Frauengestalten: die trojanische Prophetin Kassandra, deren Warnungen von ihrem Volk nicht verstanden werden, und die Königin Dido, die an der Liebe zu Aeneas zerbricht und den Freitod wählt. Diese Zweiteilung führte dazu, dass das Werk zunächst aufgeteilt wurde, da die Pariser Oper, für die Berlioz das Werk in den Jahren 1856 bis 1858 komponiert hatte, nach dem großen Misserfolg von Benvenuto Cellini 20 Jahre die Ansicht vertrat, dass diese Oper in ihrer ganzen Monumentalität unaufführbar sei. So gelangten zunächst die letzten drei Akte unter dem Titel Les Troyens à Carthage am wesentlich kleineren Théâtre-lyrique zur Uraufführung. Die Uraufführung der ersten beiden Akte unter dem Titel La prise de Troie erlebte Berlioz genauso wenig wie die erste vollständige Aufführung der Oper 1890 in Karlsruhe, die an zwei Abenden stattfand. Die Einheit des Werkes wurde erst 1957 bei einer Aufführung in Covent Garden wiederhergestellt.

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Die Trojaner (Chorund Extrachor) ziehen das hölzerne Pferd in die Stadt.

Heinz Balthes hat für die ersten beiden Akte ein recht archaisches Bühnenbild entworfen, das mit den hohen aufgerichteten Steinen im Hintergrund und den Felsbrocken auf der Vorderseite der Bühne andeutet, dass Troja von der langen Belagerung durch die Griechen enorm in Mitleidenschaft gezogen worden ist. In diesem Ambiente treten die Trojaner in dunklen Kostümen (José-Manuel Vázquez) auf und stimmen direkt zu Beginn der Oper einen Jubelchor auf den vermeintlichen Abzug der Griechen an, der nur von den Holzbläsern begleitet wird. Erst mit Kassandras Auftreten setzen die Streicher ein und malen die düsteren Vorahnungen der Prophetin aus. Katrin Gerstenberger macht als Kassandra mit großem dramatischen Sopran das Leid der unverstandenen Seherin spürbar. Großartig gelingt auch das Duett mit Choroebus, ihrem Verlobten, den Oleksandr Prytolyuk mit fulminantem Bariton ausstattet. Auch das hölzerne Pferd darf natürlich nicht fehlen. Das Gefährt, das der Chor am Ende des ersten Aktes über die Bühne zieht, ist in seiner Größe beachtlich. Darin könnten sich wahrscheinlich wirklich griechische Soldaten verstecken.

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Nach der Einnahme der Stadt durch die Griechen fordert Kassandra (Katrin Gerstenberger, vorne) die Trojanerinnen zum kollektiven Selbstmord auf.

Wieso Dew im zweiten Akt einen riesigen Tisch auf die linke Seite der Bühne gestellt hat, an dem Aeneas, Priamus und Choroebus die Taktik der Trojaner zu besprechen scheinen, und um drei Schreibtische mit trojanischen Sekretärinnen auf der rechten Seite ergänzt, bleibt unverständlich. Laut Libretto soll Aeneas eigentlich von dem Schatten Hektors aus dem Schlaf gerissen und aufgefordert werden, die mittlerweile brennende Stadt zu verlassen. Den Auftritt Hektors setzt Dew gekonnt in Szene, indem er ihn in einem weißen Lichtkegel aus dem Tisch emporfahren lässt. Der Rest des Aktes ist dann wieder recht librettonah gehalten. Erschütternd gelingt Gerstenberger mit den Damen des Chors der kollektive Selbstmord, der die Frauen vor der drohenden Sklaverei bewahrt und den Berlioz wahrscheinlich in Abänderung der Version bei Vergil eingefügt hat, um die Figur der Kassandra, die bei Vergil eigentlich nur eine Nebenrolle spielt, stärker ins Zentrum der Handlung zu rücken.

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Die Karthager (Chor und Extrachor) feiern ihre Königin Dido (Erica Brookhyser, Mitte).

Nach der Pause geht es an den Hof der Königin Dido. Auch dieser Teil beginnt mit einem großartigen Chorstück, in dem die Karthager ein Hohelied auf ihre Königin anstimmen. Dabei ist die Melodie wesentlich getragener als bei den Trojanern im ersten Teil. Hier sieht man aber auch eine blühende Stadt, die floriert und nicht von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert ist. Im Bühnenbild von Balthes drückt sich das in hohen quaderförmigen Bühnenelementen aus, die in ihrer marmornen Bemalung für einen gewissen Luxus stehen. Die Damen des Chors treten in bunten Gewändern auf, die orientalisch wirken, während Dido wie die Herren des Chors in Weiß gekleidet ist. Die Hosen machen dabei deutlich, dass sie die Geschicke des Staates leitet. Erst später, wenn sie als liebende Frau ihren Pflichten nicht mehr in dem gleichen Bewusstsein nachkommt, wie ihr Minister Narbal es von ihr zuvor gewohnt war, trägt sie ein Kleid.

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Kurzer Moment des Glücks für Dido (Erica Brookhyser) und Aeneas (Hugh Kash Smith)

Obwohl auch das Tanztheater des Staatstheaters Darmstadt an dieser Produktion beteiligt ist, verzichtet Dew auf eine Bebilderung der "Chasse royale", dem Zwischenstück zwischen dritten und vierten Akt, in dem Dido und Aeneas nach dem Sieg über den Numider-Fürsten Iarbas sich die Zeit mit einer Jagd vertreiben, wobei ein Unwetter Dido und Aeneas in einer Höhle Unterschlupf suchen lässt und es zur ersten Liebesvereinigung kommt. Die Musik malt hier wunderbar aus, was in dieser Höhle alles passiert, so dass dieses großartige Orchesterstück ohne visuellen Verlust für den Umbau vom dritten zum vierten Akt genutzt werden kann. Hier kommt nun das Ballett-Ensemble mit diversen Tänzen zum Einsatz, die von Mei Hong Lin liebevoll choreographiert sind und nicht nur die Trojaner und Karthager gut unterhalten. Aeneas trägt mittlerweile ebenfalls ein weißes Gewand, womit angedeutet wird, dass er Dido die Herrschaft aus der Hand genommen hat. Zu erwähnen ist auch Lasse Penttinen als Iopas, der mit lyrischem Tenor ein Hohelied auf Ceres anstimmt und dessen Stimme auch in den extrem hohen Tönen geschmeidig bleibt. Absoluter Höhepunkt des vierten Aktes bleibt natürlich das große Liebesduett zwischen Dido und Aeneas, "Nuit d'ivresse", das Erica Brookhyser als Dido und Hugh Kash Smith in betörender Innigkeit präsentieren. Der Bruch durch den Auftritt des Gottes Merkur wird nur durch ein Lichtspiel erzeugt. Smith taumelt in die Mitte der Bühne und wird durch einen flimmernden Lichtschein von Dido getrennt, wobei Oleksandr Prytolyuks "Italie" - Rufe als Merkur nur aus dem Off ertönen.

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Dido (Erica Brookhyser) verflucht die Trojaner und wählt den Freitod.

Den letzten Akt eröffnet Lasse Penttinen als Hylas mit einer wunderschönen Arie, die er in schwindelerregender Höhe in der Takelage eines Schiffes im Bühnenhintergrund singt. Stanislav Kirov und Daniel Dropulja sorgen als trojanische Wachtposten, die eigentlich gar nichts dagegen hätten, in Karthago zu bleiben, für einige komische Momente und machen Berlioz' Nähe zu den Dramen Shakespeares deutlich. Smith wächst als Aeneas im fünften Akt regelrecht über sich hinaus und präsentiert die große Arie des Aeneas vor seiner Abreise mit tenoralem Heldenglanz, bei dem wirklich jeder Ton präzise sitzt. Zu Recht erntet er dafür frenetischen Szenenapplaus. Für den Schluss sind nun alle acht quaderförmigen Bühnenelemente im Hintergrund aufgebaut und zeigen große Statuen, bei denen aber nur die Gesichter ausgestaltet sind. Didos Scheiterhaufen ist ein Lichtkreis auf der Bühne, in dem Brookhyser als Dido dramatischen Abschied von ihrem Volk nimmt und Aeneas und seine Nachkommen verflucht. Zu erwähnen sind neben dem großartigen Chor und Extrachor unter der Leitung von Markus Baisch vor allem noch Ninon Dann, die Didos Schwester Anna mit warmem Mezzo und bewegenden Spiel gestaltet, und Wilfried Zelinka, der Narbal und den Schatten Hektors mit markantem Bariton ausstattet. Martin Lukas Meister rundet mit dem Staatsorchester Darmstadt die Aufführung stimmig ab, so dass es für alle Beteiligten lang anhaltenden Applaus gibt.

FAZIT

Wer diese Oper kennt, sollte sich die Darmstädter Produktion nicht entgehen lassen. Wer sie noch nicht kennt, hat hier die beste Möglichkeit, sie kennen und lieben zu lernen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Martin Lukas Meister

Inszenierung
John Dew

Choreographie
Mei Hong Lin

Bühne
Heinz Balthes

Kostüme
José-Manuel Vázquez

Choreinstudierung
Markus Baisch

 

Chor und Extrachor des
Staatstheaters Darmstadt

Tanztheater des
Staatstheaters Darmstadt

Staatsorchester Darmstadt


Solisten

*rezensierte Aufführung

Aeneas, trojanischer Held,
Sohn der Venus und des Anchises

Arturo Martín /
*Hugh Kash Smith

Choroebus, junger Fürst aus Asien
und Verlobter der Kassandra

Oleksandr Prytolyuk

Pantheus, trojanischer Priester und
Freund des Aeneas

Thomas Mehnert

Narbal, Minister der Dido
Wilfried Zelinka

Iopas, tyrischer Dichter am Hof der Dido
Lasse Penttinen

Ascanius, Sohn des Aeneas
Aki Hashimoto

Kassandra, trojanische Prophetin und
Tochter des Priamus

Katrin Gerstenberger

Dido, Königin von Karthago und Witwe
des Fürsten Sychaeus von Tyros

Erica Brookhyser

Anna, Didos Schwester
Ninon Dann

Hylas, junger phrygischer Matrose
Lasse Penttinen

Priamus, König von Troja
Stephan Bootz

Ein griechischer Anführer / ein trojanischer Soldat
Werner Volker Meyer /
*Tom Schmidt

Der Schatten Hektors, trojanischer Held und
Sohn des Priamus
Wilfried Zelinka

Helenus, trojanischer Priester und Sohn
des Priamus

Radoslav Damianov

Trojanischer Wachtposten 1
Malte Godglück /
*Stanislav Kirov

Trojanischer Wachtposten 2
Daniel Dropulja

Der Gott Merkur
Oleksandr Prytolyuk

Ein Priester des Pluto
Daniel Dropulja

Hekuba, Königin von Troja
Anja Vincken

Andromache, Witwe Hektors
Andressa Miyazato /
*Ana Sánchez Martínez

Astyanax, ihr Sohn
Felix Mayer /
*Marco Schreibweiss

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Darmstadt
(Homepage)



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