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Musiktheater
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b.15

„We were right here!!" (Uraufführung)

Ballett von Martin Chaix
Musik von Alfred Schnittke (1. Satz aus dem Konzert für Chor)

Rebound - Topple - Splash (Uraufführung)

Ballett von Antoine Jully
Musik von Igor Strawinsky (Concerto in Es Dumbarton Oaks)

Pond Way

Ballett von Merce Cunningham
Musik von Brian Eno (New Ikebukkuro für drei CD-Player)

Crop (Uraufführung)

Ballett von Amanda Miller
Musik von Fred Frith

Inclination (Uraufführung)

Ballett von Regina van Berkel
Musik von Alan Hovhaness (Streichquartett Nr. 4 The Ancient Tree)

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (zwei Pausen)

Premiere am 12. April 2013 im Opernhaus Düsseldorf
(rezensierte Aufführung: 14. April 2013)


Homepage

Ballett am Rhein / Rheinoper
(Homepage)
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Von Stefan Schmöe / Fotos von Gert Weigelt


Vergrößerung Pond Way

Es hat etwas fernöstlich Meditatives: Aus den Lautsprechern tropfen die Klänge von Brian Enos New Ikebukuro für drei CD-Player; im Hintergrund sieht man im Riesenformat Roy Lichtensteins grob gerasterter Landscape with Boat, davor die Tänzer in bauchfreien, weit geschnittenen und an den Knöcheln eng gebundenen, weißen Gewändern. Merce Cunningham, 1998 verstorbener Grenzgänger unter den Choreographen, hebt in seiner entspannten Choreographie Pond Way (1998 für die Pariser Oper entstanden) das Zeitgefühl auf. Statt einer Entwicklung gibt es wie zufällig auftretende Ereignisse, Gruppierungen und Auflösungen bis hin zum Solo, fließend frei und doch wie von einer geheimnisvollen höheren Ordnung. Es liegt etwas bezwingend Schönes in diesem erstmals von einer anderen als Cunninghams eigener Compagnie getanzten Choreographie, mit der Düsseldorfs Ballettchef Martin Schläpfer zum ersten Mal ein Werk dieses Choreographen in einen seiner Ballettabende an der Rheinoper integriert.

Pond Way steht im Zentrum eines Ballettabends ganz ohne eine eigene Arbeit von Martin Schläpfer, dafür mit gleich vier Uraufführungen von jeweils etwa 20 Minuten Dauer (auch Pon Way hat in etwa diese Länge). Cunninghams meisterhaft lässige Arbeit bildet die Achse, um die sich die anderen Werke gruppieren, und es gehört zu den Rätseln dieses faszinierenden Abends, dass diese fünf Arbeiten keineswegs nebeneinander stehen, sondern auf merkwürdige Weise aufeinander bezogen scheinen.


Vergrößerung

„We were right here!!"

Den Anfang macht Martin Chaix, seit 2009 Tänzer des Ballett am Rhein und bereits seit 2006 auch als Choreograph tätig. Die Sätze „We are right here! At the right time!" fand er, von einem Unbekannten geschrieben, in einem Düsseldorfer Probenraum der Compagnie. Die Flüchtigkeit des Augenblicks ist das Thema der in aphoristisch kurze Szenen gegliederten Choreographie geworden, die unversehens bei Saallicht beginnt und in Dunkelheit endet. Die Bühne ist mit schwarzen Folien ausgekleidet (Bühnenbild: Felix Aarts), über der Bühne schwebt eine Skulptur aus transparenter Folie, deren Größe im Kontrast zu ihrer Leichtigkeit und Flüchtigkeit steht. Auch die Kostüme (Catherine Voeffrey) greifen diese Elemente auf: Die sehr knappen Trikots sind von einem ebenfalls schwebend leichten, glänzenden Stoff umhüllt. Die Gruppe aus acht Tänzerinnen und vier Tänzern fällt immer wieder wie ein Vogelschwarm auseinander und kommt neu zusammen. Es gibt keine Soli, keine hervorgehobenen „Nummern" - We were right here!! ist durchgängig ein Ensemblestück, bei dem sich die Individuen zwar gelegentlich aus der Gruppe lösen, aber auch dorthin zurück kehren. Zu der weitgehend vorherrschenden Leichtigkeit will die ziemlich pathetische Musik (der erste Satz aus Schnittkes Konzert für Chor, leider in sehr mäßiger Tonqualität vom Band eingespielt) nicht recht passen. An manchen Stellen greift Chaix das Religiöse dieser Musik auf, lässt die Tänzer fast andächtig verharren, spielt in den (sehr akrobatischen) Hebefiguren auf eine Pietá an. Meist aber scheint die trotz dieser Einschränkung durchgehend fesselnde Choreographie gegen die wuchtig-erdenschwere Musik anzukämpfen.


Vergrößerung Rebound - Topple - Splash

Auch Antoine Jully ist Tänzer der Compagnie, mit Inside als Teil des Ballettabends b.12 ist er dem Düsseldorf-Duisburger Publikum auch schon als Choreograph bekannt. Zu Strawinskys neoklassizistischem Konzert Dumbarton Oaks sieht man zunächst vier Paare, die ganz neoklassizistisch zu tanzen beginnen, auch auf Spitze – wobei einem schnell der Atem stockt, wenn Schritte daneben gehen, sogar Stürze eingebaut sind. Mit viel Humor und Lust an parodistischen Momenten spielt Jully mit der Tradition, lässt die Tänzer dabei immer wieder wie Puppen agieren. Tragen die vier Paare zunächst hautenge Trikots und zeigen viel Bein, so betritt bald eine weitere Tänzerin mit langem, schwarzen Rock die Bühne, agiert im Gestus einer bösen Fee oder Königin – und nach und nach werden alle, auch die Herren, einen solchen Rock anziehen. Rebound – topple – flash (der Titel bezieht sich auf drei Bewegungsmuster) kann man auch wie ein Handlungsballett mit unbekannter Handlung auffassen, ein brillantes und sehr unterhaltsames, dabei keineswegs zu leichtes Spiel nicht nur mit der musikalischen Form, sondern auch mit der Ballett-Tradition.


Vergrößerung

Crop

Das lässigste, freieste, am stärksten zum Tanztheater tendierende Stück des Abends ist Crops von Amanda Miller. Die fast leere Bühne ist nur im mittleren Bereich ausgeleuchtet, Seiten und Rückwand verlieren sich in Dunkelheit. Die Eulenrufe, die Bühnenbildner Seth Tillett aufgenommen und an mehreren Stellen über die Musik (Allegory für Streichquartett des 1947 geborenen Amerikaners Fred Frith) gelegt hat, und einige Würfel mit Blumenmotiven lassen einen nächtlichen Garten assoziieren. Die Kostüme (ebenfalls von Amanda Miller) der insgesamt 19 Tänzerinnen und Tänzer könnte man im weiteren Sinne als „bequeme Freizeitkleidung“ bezeichnen – hippig geschnittene Röcke und Kleider für die Damen, weite Hosen für die Herren. Nicht immer sind alle aktiv, immer wieder setzen sich manche an den Rand und beobachten das mitunter improvisatorisch ungeordnete Treiben. Zwischendurch setzen sich einige in Mediationshaltung auf den Boden, gelegentlich hört man auch Lachen und Gemurmel – das erinnert ein wenig an ein Hippie-Treff in einer warmen Nacht, ohne freilich konkret zu werden. Amanda Miller hält das durchaus in der Schwebe zwischen Tanz (zwischendurch gibt es mitten im Geschehen so etwas wie einen fast klassisch anmutenden pas de deux) und einem freieren Theater mit eigenen Regeln und pantomimischen Elementen. Ganz bannen kann sie die Gefahr einer allzu großen Beliebigkeit allerdings nicht. Crops ist daher auch das schwächste Stück des Abends.


Vergrößerung Inclination

Und dann wird noch einmal richtig getanzt. Inclination von Regina van Berkel beginnt mit einem übermütigen pas de deux eines Liebespaars , ganz vorne an der Rampe. Dann ein weiterer für zwei Tänzer, wobei es weniger um Liebe geht, mehr ein Abtasten, Erinnern, mit einer gewissen würdevollen Distanz. Mit drei Tänzerinnen und vier Tänzern ist das Ensemble sehr kompakt, die Choreographie konzentriert. Als Musik verwendet die Choreographin das Streichquartett Nr.4 des amerikanischen Komponisten Alan Hovhaness (1911 – 2000), komponiert im Jahr 1970 und mit dem Untertitel The ancient tree versehen – ein vom Blitz getroffener Ahorn inspirierte den Komponisten zu dem tonalen und fest im 19. Jahrhundert verwurzelten Werk. Dieses, gelinde gesagt, wenig avantgardistische musikalische Programm greifen van Berkel und Bühnenbildner Dietmar Janeck nicht nur mit dem beschriebenen „erzählenden“ Beginn auf, sondern mit einer großformatigen Drahtskulptur, die schwerelos den Baum nachzuzeichnen scheint und raffiniert ausgeleuchtet ein Ereignis für sich ist (und noch dazu bildnerisch den Spannungsbogen zur Raumgestaltung von We were right there!! schlägt. Weil die Beleuchtungsbrücke in der Höhe verschoben wird, wandern die zarten Schatten über die Bühne und geben der Szenerie etwas Flüchtiges. Auch hier ist die Bühne schwarz, das Licht kühl weiß – auch eine Nachtstimmung, wenn auch weniger konkret, dafür freundlicher als bei Crops.

Die (mit einer Ausnahme) ärmellosen Seidentrikots der Tänzerinnen und Tänzer sind mit Rokoko-artigen Ornamenten verziert und maßvoll bunt (die Choreographin selbst hat die Kostüme entworfen), und die rhythmisch klar strukturierte Musik schlägt sich choreographisch in einem beschwingten Kehraus nieder. So ist Inclination ein Werk passend zum Frühling, der am Tag dieser (zweiten) Aufführung in Düsseldorf Einzug hielt: Ein doch sehr dynamischer und durchaus fröhklicher Abschluss für b.15.


FAZIT

Es gehört zu den Aufgaben eines funktionierenden Ballettbetriebs, jungen Choreographen und insbesondere auch Tänzerinnen und Tänzern der eigenen Compagnie die Möglichkeit zu geben, eigene Arbeiten zu entwickeln – hier ist das ganz hervorragend gelungen. Vier Uraufführungen und ein etabliertes Meisterwerk fügen sich zu einem faszinierenden Tanzabend zusammen.


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Produktionsteam

Rebound - Topple - Splash

Choreographie und Ausstattung
Antoine Jully

Licht
Volker Weinhardt

Tänzerinnen und Tänzer

Camille Andriot
Doris Becker
Wun Sze Chan
Mariana Dias
Cristina Garcia Fonseca
Feline van Dijken
So-Yeon Kim
Nicole Morel
Jackson Carroll
Sonny Locsin
Alexandre Simões
Bruno Narnhammer



"We were right here!"

Choreographie
Martin Chaix

Bühne
Felix Aarts

Kostüme
Catherine Voeffray

Licht
Volker Weinhardt


Tänzerinen und Tänzer

Ann-Kathrin Adam
Marlúcia do Amaral
Carolina Francisco Sorg
Virginia Segarra Vidal
Julie Thirault
Christian Bloßfeld
Paul Calderone
Marcos Menha
Chidozie Nzerem
Remus Sucheana



Pond Way

Choreographie
Merce Cunningham

Einstudierung
Andrea Weber

Bühne
Roy Lichtenstein

Kostüme
Suzanne Gallo

Licht
David Covey

Tänzerinnen und Tänzer

Ann-Kathrin Adam
Camille Andriot
Wun Sze Chan
Mariana Dias
Feline van Dijken
Nicole Morel
Louisa Rachedi
Virginia Segarra Vidal
Paul Calderone
Marquet K. Lee
Sonny Locsin
Bruno Narnhammer
Bogdan Nicula



Crop

Choreographie und Kostüme
Amanda Miller

Bühne und Licht
Seth Tillett


Tänzerinnen und Tänzer

Camille Andriot
Wun Sze Chan
Feline van Dijken
Cristina Garcia Fonseca
Carolina Francisco Sorg
Christine Jaroszewski
Yuko Kato
Anne Marchand
Nicole Morel
Claudine Schoch
Virginia Segarra Vidal
Jackson Carroll
Florent Cheymol
Philip Handschin
Marquet K. Lee
Sonny Locsin
Boris Randzio
Remus Sucheana
Pontus Sundset



Inclination

Choreographie und Kostüme
Regina van Berkel

Bühne und Licht
Dietmar Janeck


Tänzerinnen und Tänzer

Ann-Kathrin Adam
Doris Becker
Louisa Rachedi
Paul Calderone
Marcos Menha
Alexandre Simões
Maksat Sydykov



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Ballett am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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