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Der Barbier von Bagdad

Komische Oper in zwei Aufzügen
nach einer Erzählung aus Tausendundeiner Nacht
Musik und Libretto von
Peter Cornelius

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h  (eine Pause)

Premiere im Landestheater am 27. April 2013

Logo: Landestheater Coburg
Landestheater Coburg
(Homepage)

Der andere Barbier


Von Thomas Molke / Fotos von
Andrea Kremper

Wenn ein Opernhaus den Barbier auf den Spielplan stellt, denkt man unweigerlich an Rossini. Doch Rossinis Meisterwerk hat nicht nur die früheren Vertonungen der Beaumarchais-Vorlage von den Spielplänen verdrängt. Auch ein ganz anderer Barbier konnte sich neben seinem Namensvetter aus Sevilla nicht im Repertoire durchsetzen. Die Rede ist von Peter Cornelius' Der Barbier von Bagdad, der neben Wagners Meistersingern zu den bedeutendsten komischen Opern des 19. Jahrhunderts zählt und in der durchkomponierten Struktur einen Übergang vom deutschen Singspiel zum hehren Stil Richard Wagners markiert. Dabei hat sich dieses Werk erst in den letzten Jahrzehnten auf den deutschen Bühnen so rar gemacht, zählte doch vor allem die Tenorpartie des Nureddin lange zu den Paraderollen namhafter Tenöre wie Rudolf Schock und Fritz Wunderlich. Das Landestheater Coburg unternimmt nun den löblichen Versuch, diese deutsche Spieloper dem Vergessen zu entreißen, und demonstriert, dass es neben Lortzing und Nicolai auch noch andere hörenswerte Werke dieses oft stiefmütterlich behandelten Genres gibt.

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Nureddin (Thomas Volle) fantasiert von Margiana (im Hintergrund: Herrenchor).

Cornelius, der auch das Libretto selbst verfasst hat, wählt für seine Oper eine Erzählung aus Tausendundeiner Nacht: "Die Geschichte des Schneiders". Nureddin, ein junger Mann, ist an schwerem Liebeskummer erkrankt. Er hat nämlich Margiana, die schöne Tochter des Kadi Baba Mustapha, beim Blumengießen am Fenster gesehen und verzehrt sich seitdem in Liebe zu ihr. Sein Zustand bessert sich sofort, als Margianas Vertraute Bostana erscheint und ihm ein Rendezvous mit der Angebeteten in Aussicht stellt, ihm jedoch rät, sich vorher rasieren zu lassen. Der herbeigerufene Barbier Abul Hassan Ali Ebn Bekar ist allerdings nicht nur ein einfacher Barbier, sondern auch als Wahrsager tätig und rät Nureddin dringend davon ab, das Haus zu verlassen. Da Nureddin dem Gerede des Barbiers keinen Glauben schenkt, folgt Abul Hassan dem jungen Mann, um ihn vor seinem Unglück zu bewahren. Im Hause des Kadis herrscht derweil große Freude. Mustapha wartet auf seinen Jugendfreund Selim, der Margiana heiraten möchte und bereits eine große Schatzkiste für seine zukünftige Braut geschickt hat. Margiana fiebert dem Treffen mit Nureddin entgegen, der zu ihr kommen soll, wenn der Kadi sich in die Moschee begeben hat. Es kommt zu einem Liebestreffen, das aber von der frühzeitigen und unerwarteten Rückkehr Mustaphas jäh unterbrochen wird. Nureddin versteckt sich in der Schatzkiste. Da der Barbier jedoch glaubt, dass Mustapha den jungen Mann getötet und in die Schatzkiste gesteckt habe, dringt er mit allerlei Volk in das Haus des Kadis ein, um die Schatzkiste mitzunehmen. Die Aufregung ruft schließlich auch den Kalifen auf den Plan,der eine Aufklärung verlangt. Als Margiana die Kiste öffnet und man dort einen scheinbar leblosen Nureddin vorfindet, der vom Barbier auf wundersame Art wieder zum Leben erweckt wird, ordnet der Kalif an, dass Margiana mit Nureddin vermählt werden soll, und nimmt den Barbier als Geschichtenerzähler in seine Dienste.

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Abul Hassan (Michael Lion, links) verabreicht Nureddin (Thomas Volle, rechts) nicht nur eine Rasur.

Für den jungen Regisseur Alessandro Talevi handelt es sich bereits um seine zweite Auseinandersetzung mit dieser selten gespielten Oper. Während er für das Buxton Festival in Derbyshire einen rein märchenhaften Ansatz gewählt hat, fügt er in Coburg eine Rahmenhandlung ein, die die Geschichte glaubhafter machen soll. So befindet sich Nureddin zu Beginn der Oper in einem Lazarett und fantasiert von Margiana. Dass seine körperliche Verwundung im Bereich des Herzens liegt, mag dabei im übertragenen Sinne zu verstehen sein. Weiße Paravents trennen das Bett von den anderen Verwundeten, die sich in diesem Lazarett befinden. Eine verabreichte Spritze lässt Nureddin in eine Traumwelt abtauchen. Zunächst ist es nur eine Krankenschwester, die ihren Kittel auszieht und sich in einem orientalischen Gewand als Bostana entpuppt, die Nureddin zu einem Treffen mit Margiana verhelfen will. Dann erwacht ein scheinbar Verstorbener, an dessen Fuß bereits ein kleiner Zettel zu Identifikationszwecken haftet, zu neuem Leben und stellt sich als Barbier Abul Hassan Ali Ebn Bekar vor. Mit der anschließend auftretenden Dienerschaft, die den geschwätzigen Barbier aus dem Haus jagen soll, befindet man sich dann mitten im orientalischen Märchen, wobei nur noch das weiße Bett und die Paravents an das Lazarett erinnern.

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Unterschiedliche Erwartungen im Hause des Kadis: Baba Mustapha (Karsten Münster) erwartet seinen Jugendfreund Selim, während Margiana (Julia Klein, Mitte) und Bostana (Gabriela Künzler, links) dem Treffen mit Nureddin entgegenfiebern.

Im zweiten Aufzug verschwindet auch dieser Bezug. Die weißen Paravents werden umgedreht und verbreiten mit den diversen Bildern eine Postkartenidylle. Wieso dort allerdings eher ägyptische Motive gewählt werden, obwohl die Geschichte doch in Persien spielt, bleibt rätselhaft. Im Hintergrund wird ein schwarzer Vorhang emporgezogen und offenbart den Blick auf eine projizierte Moschee. Die bunten Kostüme von Tobias Hoheisel unterstreichen den orientalischen und märchenhaften Charakter des Stückes. Das Bett wird durch ein großes darüber ausgebreitetes buntes Tuch zu der Schatztruhe, die Mustaphas Freund Selim seiner zukünftigen Braut geschickt hat. Dass Nureddin nun also, wenn er sich in der Truhe versteckt, erneut in seinem Krankenbett liegt, entbehrt folglich nicht einer gewissen Doppelbödigkeit. Auch dass der Barbier, der sich bei seinem ersten Auftritt aus einem Leichenbett erhoben hat, den scheinbar toten Nureddin ins Leben zurückführt, ist ein interessanter Ansatz. Das Ende lässt Talevi dann in gewisser Weise offen. Nach dem finalen "Salem Aleikum", das der Barbier, der nun als Geschichtenerzähler im Dienste des Kalifen steht, mit dem Chor zur Feier anstimmt, werden die Paravents wieder umgedreht, und die Bühne verwandelt sich wieder in das Lazarett. Nureddin steht jetzt jedoch mit dem Rücken zum Publikum vor der Moschee im Hintergrund, die erneut hinter dem schwarzen Vorhang verschwindet. Die Paravents werden geschlossen und verbergen damit auch Nureddin. So sieht man nur noch sein leeres Bett. Ist er geheilt oder seinen Wunden erlegen? Die Frage kann jeder für sich selbst beantworten.

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Die große Liebe: Margiana (Julia Klein) und Nureddin (Thomas Volle)

Auch musikalisch kann die Produktion im Großen und Ganzen überzeugen. Thomas Volle hat das darstellerische und stimmliche Potenzial für die Partie des Nureddin und kann mit seinem auch in den Höhen sicheren Tenor die Verliebtheit des jungen Mannes glaubhaft vermitteln. Julia Klein stattet Margiana mit jugendlichem Sopran aus und gefällt vor allem im Duett mit Volle. Karsten Münster klingt als Baba Mustapha in den Höhen ein wenig angestrengt, verfügt aber über eine markante Tiefe. Falko Hönisch gefällt als Kalif mit dunklem Bass. Star des Abends ist Michael Lion in der Titelpartie, der mit kräftigem Bass und komödiantischem Spiel das Publikum begeistert. Charakterlich ist diese Figur Rossinis Barbier gar nicht so unähnlich, was vor allem in seiner großen Arie des ersten Aufzuges deutlich wird, wenn er sich als Alleskönner, eben als eine Art Faktotum, präsentiert. Witzig gelingen Lion auch die Reminiszenzen an seine sechs verstorbenen Brüder, die alle der Liebe zum Opfer gefallen sein sollen. Der Chor unter der Leitung von Lorenzo Da Rio entwickelt große Spielfreude, ist aber stellenweise schlecht zu verstehen, so dass eine Übertitelung hilfreich gewesen wäre. Das Philharmonische Orchester präsentiert unter der Leitung von Anne Sophie Brüning einen frischen Sound, der dem Spieloperncharakter des Stückes mehr als gerecht wird. So gibt es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Es muss nicht immer Lortzing oder Nicolai sein. Auch Peter Cornelius' Barbier würde es verdienen, wieder einen festen Platz im Repertoire zu erhalten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Anna Sophie Brüning

Inszenierung
Alessandro Talevi

Bühnenbild und Kostüme
Tobias Hoheisel

Lichtgestaltung
Thilo Schneider

Choreinstudierung
Lorenzo Da Rio

Dramaturgie
Susanne von Tobien

 

Chor und Extrachor des
Landestheaters Coburg

Herren vom Chor Choruso

Statisterie

Philharmonisches Orchester
Landestheater Coburg


Solisten

*rezensierte Aufführung

Abul Hassan Ali Ebn Bekar, Barbier
Michael Lion

Nureddin
Thomas Volle

Baba Mustapha, ein Kadi
Karsten Münster

Margiana, dessen Tochter
Julia Klein

Bostana, Margianas Vertraute
Gabriela Künzler

Kalif
*Falko Hönisch /
Nicholas Cannon

Drei Muezzin
Jae Han Bae
Tae Kwon Chu
Simon van Rensburg

Stimme eines Sklaven
Jan Korbas


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater
Coburg
(Homepage)



Da capo al Fine

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