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Kunst gewährt Frieden
Von
Christoph
Wurzel / Fotos von Hans Jörg Michel
Hoffnungslos im Kirchenschiff: Rolf Romei Bieito hat Brittens Oratorium genau in diesem Sinne in bildlichen Assoziationen inszeniert und als Hülle einen sakral anmutenden Raum gewählt, in dem sich Aktionen kriegerischen Alltags abspielen. Nicht einen konkreten Krieg meint die Inszenierung, sondern es sind Bilder von Grundsituationen des menschlichen Elends in allen Kriegen – Verfolgung und Flucht, Totschlag und Mord, verlassene und gemetzelte Kinder, geschändete Frauen, Wahnsinnige, Kriegskrüppel, wie sie regelmäßig in allen medialen Varianten die Welt umrunden. Irrwitzige Heldenposen, menschliche Verrohung, größte Verzweiflung werden durch Akteure zu lebenden Bildern, die im Tiefsten berühren und nach dem verklungenen letzten Akkord das Publikum in einer langen Stille ergriffenen Nachdenkens bannen, ehe der Beifall einsetzt. „...und schlachtete seinen Sohn und die halbe Saat Europas“: Thomas Bauer (Bariton) und Rolf Romei (Tenor) Susanne Gschwender hat einen Kirchenraum auf die Bühne gestellt, der nach vorne offen ist, das strenge Gestühl ragt fast bis in den Zuschauerraum, schon beim Eintritt des Publikums sitzt der Chor wie zu einer Andacht versammelt schwarz gekleidet auf den Bänken. Diese Kathedrale ist renovierungsbedürftig, denn ein Stahlgerüst beherrscht den Raum, Symbol für den historischen Kontext der Uraufführung, die 1962 anlässlich der Einweihung der wiedererrichteten Kathedrale von Coventry stattfand. 1940 hatte die deutsche Luftwaffe den Kirchenraum in Schutt und Asche gelegt. Hinten sind große Kirchenfenster zu sehen. Diese werden zum libera me herunterstürzen, so wie im Verlauf des Oratoriums das gesamte Innere des sakralen Raums in Trümmer fällt, im selben Maße wie das menschliche Leid kumuliert. Bieitos Kunst szenische Situationen pointiert zu stellen und die Figuren zu größter Ausdruckskraft zu führen, steht dieser Produktion in perfekter Weise zu Diensten. Höhepunkt ist das Bild zu Owens Gedicht inmitten des Offertoriums, wo von der Opferung Isaaks berichtet wird, die hier entgegen der biblischen Überlieferung nicht durch göttliche Gnade abgewendet wird und wo es stattdessen heißt: „Der alte Mann schlachtete seinen Sohn und die halbe Saat Europas, einen nach dem anderen“. Die Sänger, Rolf Romei (Tenor) und Thomas Bauer (Bariton), legen in diese bewegende Szene höchste vokale Expressivität. Auch die Sopranistin Svetlana Ignatovic singt und spielt mit großer Intensität. Britten konzipierte sein War Requiem als künstlerisches Versöhnungswerk zwischen den Völkern, indem er die Gesangspartien für Galina Wischnewskaja, Dietrich Fischer-Dieskau und Peter Pears vorsah. Dieser Grund ist in heutiger Zeit entfallen, aber das Werk hat als kompromisslose Anklage an die Entmenschlichung durch den Krieg auch in der Gegenwart nichts von seiner kathartischen Wirkung verloren. Die Inszenierung am Basler Theater hat die Radikalität der von Britten intendierten Aussage sogar noch gesteigert. "Dies irae“: Svetlana Ignatovic (Sopran) und Rolf Romei (Tenor) Britten hat für sein Werk zwei Orchester vorgesehen, die entsprechend der antagonistischen Textteilung in Liturgie und Lyrik jeweils die begleitende Musik beisteuern. Das große Orchester ist im Graben platziert, während ein Kammerorchester vom Stahlgerüst aus die lyrischen Texte begleitet. Gabriel Feltz führt die beiden Orchesterteile subtil und präzise. Die zahlreichen solistischen Passagen gelingen dem Sinfonieorchester Basel exzellent. Vor allem auch die Chöre, die selbst auch agieren, sind bestens disponiert, besonders die Mädchen- und Knabenkantorei beweisen eine ausgezeichnete Klangkultur. FAZIT Nicht allein Coventry, auch
Guernica, Stalingrad, Dresden oder Hiroshima mögen Benjamin
Britten vor Augen gestanden haben, als er 16 Jahre nach dem Zweiten
Weltkrieg dieses Auftragswerk konzipierte. Als Symbole für die
Widerwärtigkeit des Krieges, für staatlich befohlenes Morden
und zwischenmenschliche Verrohung müssten heute auch Srebenica
oder Aleppo in dieser Reihe stehen, in einer Reihe, die
nach hinten in die Geschichte betrachtet endlos zu sein scheint und die
im Bewusstsein des Pazifisten Benjamin Britten in der Gegenwart beendet
werden muss. „All a poet can do today is warn“ stellte er mit den
Worten Wilfred Owens dem War Requiem
als Motto voran. Diese Aufforderung des Werks wird mit der Basler
Produktion auf eindrücklichste Weise erfüllt. |
ProduktionsteamMusikalische
Leitung Giulianao Betta Inszenierung Calixto Bieito Bühne Susanne Gschwender Kostüme Ingo Krügler Licht Roland Edrich Chorleitung Henryk Polus Einstudierung Knabenkantorei Marcus Teutschbein Einstudierung Mädchenkantorei Cordula Bürgi Dramaturgie Ute Vollmar
Solisten
Sopran |
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E-Mail: oper@omm.de
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