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Heut geh'n wir ins Savoy
Von Joachim Lange / Fotos von Iko Frese/drama-berlin.de Madeleine de Faublas (Dagmar Manzel) und Daisy Darlington (Katharine Mehrling) Wenn man Barrie Kosky ein verrücktes Huhn nennt, ist das kein bisschen despektierlich. Der quirlige Australier hat in seinem ersten Jahr auf dem Chefsessel der Komischen Oper die Berliner Opernlandschaft tatsächlich spürbar aufgemischt. Immer ein wenig aufgescheucht flatternd, dabei kreativ und hemmungslos schräg. Vor allem aber: erfolgreich. Als Intendant, mit seinem Programm und dem sympathisch neben der Spur liegenden englischen Deutsch, wenn er zum Mikrophon greift. Als Regisseur, wenn er mit seiner opulenten, lustvoll überdrehten Bühnenästhetik selbst inszeniert. Ensemble Wie jetzt den Ball im Savoy. Von Paul Abraham (1892-1960 ). Versucht man Es ist so schön, am Abend bummeln zu geh'n vor sich hinzusummen, dann suchen sich diese Worte von selbst Abrahams Melodie. Diese Jazz-Operette ist also nicht wirklich eine Ausgrabung, aber eher selten zu sehen ist sie schon. Dabei war sie 1932 ein großer Erfolg. Brachte sie doch die Weltoffenheit und das sprichwörtliche Tempo der 20er-Jahre in Berlin kurz vor dem Absturz noch einmal frech, frivol, mit Schwung und einem Händchen für schlagertaugliche Hits auf den Punkt. Der Wechsel zwischen verschiedenen Stilen, vor allem das Experimentieren mit den (gemäßigten) Jazzeinlangen klingt auch heute noch, mit Adam Benzwi am Pult der lustvoll mitziehenden Kapelle im Graben, eher modern als operettig angestaubt. Mustafa Bey (Helmut Baumann) und EnsembleBei ihrem Libretto hatten Alfred Grünwald und Fritz Lohner-Beda offenbar die gute alte Fledermaus vor Augen. Da kommt ein mondänes Ehepaar gerade von der Hochzeit(welt)reise zurück. Der Ball im Savoy (in Nizza) ist die erste Gelegenheit für eine amouröse Pause von der ausgiebig gepriesenen ehelichen Treue. Der Marquis (Christoph Späth) sucht sie, weil er eine alte Forderung seiner verflossenen argentinischen Flamme Tangolita einlösen muss. Die wird hier dank Agnes Zwierko zur mezzosatt auftrumpfenden Operndiva. Die selbstbewusste Gattin Madeleine will sich, als sie Wind davon bekommt, vor Ort mit der erst besten männlichen Sahneschnitte rächen. Für Temperament-Zunder und Komödienschmiss sorgen daneben Daisy Darlington. Sie ist unter Pseudonym ein berühmter Jazzkomponist. Und sie lässt sich von jenem Mustafa Bey angeln, den Herrmann Baumann als türkischer Attaché und Botschafter aller osmanischen 20er-Jahre Klischees mit wunderbarem Altherrencharme ausstattet. Die Katerstimmung vor dem happy end wird davon angeheizt, dass Madeleine sich offen zu ihrem (natürlich nur vermeintlichen) Treuebruch aus Rache bekennt . Madeleine de Faublas (Dagmar Manzel) und Ensemble Den Nazis passte weder der Komponist noch dieses Stück. Über Kuba floh er ins amerikanische Exil und kehrte von dort nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Freilich schwer gezeichnet von den Folgen einer Syphilis. Es war eine besinnlich ergreifende Erinnerung an Abraham, als Kosky nach dem gut platzierten Rausschmeißer, den das ganze zwischen bunt und halbnackt ausstaffierte 100köpfige Personal von der Rampe in den Saal geschmettert hatte, daran erinnerte, wie Abraham im Wahn auf einer New Yorker Kreuzung den Autoverkehr dirigierte. Das von allen ergreifend gesungene Reich mir noch einmal zum Abschied die Hände war dann der besinnliche Ausklang für einen wunderbar überdrehten, schmissigen Operettenabend. Trotz oder gerade wegen seiner politischen Inkorrektheiten (zwischen Hottentotten und Mohamed). Dass sich Bühnenbildner Klaus Grünberg beim Drumherum auf den Platz vorm Fahrstuhl im 7. Stock des Savoy und auf Silbervorhänge und Auftrittstreppen beschränkt, ansonsten aber auf Esther Bilas Kostüme verlässt, ist in Ordnung. Dass eine Dagmar Manzel ihre Madeleine als erfahrende selbstbewusste gleichwohl attraktive Diva hinlegt, war zu erwarten. Der Witz und die Power mit der Musicalstar Katharine Mehrling ihre Daisy aufs Parkett legt, ist die Überraschung des Abends. Nicht wirklich überzeugend funktionierende Mikropots sind der einzige Tropfen Wasser im Operetten-Champagner. Auf in Koskys Savoy!
Barrie Kosky lädt in Berlin das erste Mal nach 80 Jahren wieder zu einem Ball im Savoy und landet damit einen vollen Erfolg. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Ausstattung
Bühnenbild und Licht
Kostüme
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Solisten
Marquis Aristide de Faublas
Madeleine de Faublas, seine Frau
Mustafa Bey
Daisy Darlington, Jazzkomponistin
Tangolita, Argentinische Tänzerin
Archibald | Pomerol
Bébé, Zofe Madeleines
Tänzer
René
Monsieur Albert
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