Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

Musik mit Bildern von Helmut Lachenmann
Libretto von Helmut Lachenmann nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen und Texten von Leonardo da Vinci und Gudrun Ensslin

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h (keine Pause)

Premiere am 15. September 2012 an der Deutschen Oper Berlin


Homepage

Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Der Klang von Kälte und Einsamkeit

Von Joachim Lange / Fotos: © Bernd Uhlig

In der Berliner Opernszene sind die Karten neu gemischt. Während sich Daniel Barenboim und sein Intendant Jürgen Flimm weiter im Provisorium Schillertheater bemühen, ihren Staatsopernanspruch durchzuhalten, und Barrie Kosky der Komischen Oper eine Extradosis Eventcharme verpassen will, setzt Dietmar Schwarz an der Deutschen Oper Helmut Lachenmanns Das Mädchen mit den Schwefelhölzern an den Anfang seiner Intendanz. Was an sich schon ein starkes, geradezu programmatisches Statement ist. Für ein singuläres (immer noch fast) zeitgenössisches Werk und die Aufgeschlossenheit seines Publikums. Die musikalische Akkuratesse garantierte am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Lothar Zagrosek, der 1997 schon die von Achim Freyer inszenierte Uraufführung in Hamburg und dann die Peter-Mussbach-Inszenierung in Stuttgart dirigierte. Mit der Wiener Erstaufführung hatte 2003 die Neue Oper Wien im Gasometer geglänzt.

Vergrößerung in neuem Fenster

Für Zagrosek war es denn auch keine Hürde, in einem der größten deutschen Opernhäuser die über dem abgedeckten Graben bis hinauf in den Rang verteilten Orchestermassen zusammenzuhalten und einen Raumklang zu imaginieren, der all die Grenzerforschungen und –überschreitungen, mit denen Lachenmann den Orchesterklang in neue Dimensionen der Geräuscherzeugung erweitert hat, wie selbstverständlich zu integrieren, den Raum zu erfüllen und die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Töne, die sich aus dem Nichts anschleichen, ein plötzliches Aufatmen, ein Blubbern, kleine Tuttiexplosionen, das Aneinander-Reiben von Händen oder Styroporplatten. Dazwischen geschnitten immer wieder unverständliche Wortfetzen, die auch Texte von Gudrun Ensslin und Leonardo da Vinci als Grundlage haben, und einige klar gesprochene Passagen. Wobei das Orchester und die Musiker stets auf ihrer tragenden Rolle bestehen.

In Berlin haben sich Regisseur David Hermann und sein Ausstatter Christof Hetzer weit von der Märchenvorlage von Hans Christian Andersen entfernt, der die traurige Geschichte eines armen Mädchens erzählt, das in der Kälte der Nacht erfriert, vorher aber die Schwefelhölzer, die es nicht verkaufen konnte, verbrennt und dabei Halluzinationen von Ofen- und menschlicher Wärme hat. Bei Hermann geht es um die metaphorische Kälte der Einsamkeit, die auch eine kleinbürgerliche Familienhaushölle erfüllen kann.

Foto

Vor dem Eisernen beherrscht eine eindrucksvolle Groß-Installation aus übereinandergestapelten Zimmern den Raum. Mit Musikzimmer in der Mitte für die Mädchen, die von Hulkar Sabirova und Yoko Kakuta mit so stattlicher wie beweglicher Sopranpracht ausgestattet werden. Darüber mit einem Zimmer, in dem in einem Regal Filmrollen aufbewahrt werden und der Cineast auf einem Großbildschirm Erinnerungsfilme anschaut. Das Mädchen (Bini Lee) kriecht immer wieder durch den geräumigen Lüftungsschacht, der dieses Haus vom Keller bis zum Dach durchzieht. Sie wird am Ende von der Großmutter, die aussieht wie der Tod (Florian Bilbao) ins All geworfen. Ein anderes Mädchen in einem geflammten Trikot erwacht in dem Regal mit den Filmrollen.

Die synchron und autonom laufenden Handlungspartikel erzählen jeweils eine eigene Geschichte von Einsamkeit und Erinnerung. Wenn der nasse Onkel (Benjamin Block) Sektflaschen für die Silvester-Feuerwerkskörper herbei schafft, ist das ursprüngliche Märchen in Sichtweite. Wenn in den Lüftungsschächten Suche und Flucht zelebriert werden, oder der Cineast idyllische Erinnerungsfilme abspielt, dann nutzt die Szene die Deutungsoffenheit der musikalischen Vorlage. Wenn dann allerdings das Mädchen in Weiten des Alls zu fliegen scheint, oder das Mädchen aus dem Regal mit dem Kopf im Kühlschrank endet, markieren diese Kalauer die wohl eingeborene Schwierigkeit Lachenmanns „Musik mit Bildern“ wirklich in stringente Theaterbilder zu übersetzen. Der Jubel war gleichwohl groß und blieb ohne Widerspruch. Der erste Opern-Neustart in Berlin ist damit gelungen.


FAZIT

Der Deutschen Oper Berlin ist mit Helmut Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern ein ambitionierter Auftakt der Spielzeit und der neue Intendanz von Dietmar Schwarz gelungen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lothar Zagrosek

Inszenierung
David Hermann

Bühne und Kostüme
Christof Hetzer

Choreographie
Sommer Ulrickson

Video
Martin Eidenbergerr

Licht
Ulrich Niepel

Chor
William Spaulding

Dramaturgie
Dorothea Hartmann



Der Chor der
Deutschen Oper Berlin

Das Orchester der
Deutschen Oper Berlin


Solisten

Solosopran 1
Hulkar Sabirova

Solosopran 2
Yuko Kakuta

Das Mädchen
Bini Lee

Der Cineast
Steffen Scheumann

Das Mädchen im Regal
Jennie Gerdes

Der Mann im Schacht
Ahmed Soura

Der nasse Onkel
Benjamin Block

Die Großmutter
Florian Bilbao

Solopianistin
Yukiko Sugawara

Solopianistin
Tomoko Hemmi

Shô
Mayumi Miyata







Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Deutschen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -