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Zurück zum Ring
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Marco Borggreve
Mitte der neunziger Jahre trat Pierre Audi an, um zum ersten Mal Wagners Ring-Tetralogie in den Niederlanden zu inszenieren. Was für eine gute Idee, diese Produktion, die auch auf CD, DVD und SACD erschienen ist, im Zuge des Wagnerjahres noch einmal (und wohl zum letzten Mal) wiederaufzunehmen, anstatt in finanziell harten Zeiten den Markt mit einer (womöglich überflüssigen, grauenhaften) Neuproduktion zu überschwemmen. Und in der Tat hat Audis ganz auf Wesentliches konzentrierte, im besten Sinne werktreue Inszenierung ja auch keinen Staub angesetzt, sondern hebt sich in ihrer Dezenz und Zeitlosigkeit von manch ärgerlicher, eitel idiosynkratische Ideen verfolgender, auf enervierenden Aktionismus setzender, psychologisch oder ideologisch überfrachteter, durch Auswahl einer bestimmten historischen Epoche einengender oder allzu märchenhaft ohne Tiefgang nacherzählender Werksicht wohltuend ab, lässt der Musik ihren Raum - und jedem Zuschauer für eigene Assoziationen und Erkenntnisse. Alberich (Werner Van Mechelen) flirtet mit den Rheintöchtern (Lisette Bolle, Barbara Senator und Bettina Ranch).
Beeindruckend ist natürlich auch nach wie vor George Tsypins Bühnenbild mit den riesigen im Raum aufgehängten Glas- und Metallflächen, nicht zuletzt auch wegen des tollen Lichts und der Pyrotechnikeffekte, die ich hier nicht albern oder bemüht fand. Und auch die Kostüme von der bereits verstorbenen Eiko Ishioka sind nach wie vor bemerkenswert, besonders die Nibelungen mit ihren dicken Köpfen, Beinchen und Popos und die Götter in ihren weiten, ein wenig an römische Togen erinnernden Gewändern bleiben in Erinnerung. Alberich (Werner Van Mechelen) hat, was er wollte: das Rheingold. Welch gute Idee auch, hinsichtlich der musikalischen Leitung auf Kontinuität zu setzen, und so stand noch einmal der ehemalige Chefdirigent Hartmut Haenchen (dessen erhellende Werkeinführung - größtenteils in deutscher Sprache - auf CD erhältlich ist) am Pult des exzellent musizierenden Nederlands Philharmonisch Orkest, das in dieser Produktion in die Szene integriert ist. Der deutsche Dirigent hat es nicht nötig, durch bizarre Tempi und andere Mätzchen auf sich aufmerksam zu machen, auch keine Lautstärkenexzesse gibt es da, sondern kontrollierten, trotzdem stets spannungsgeladenen, farbenreichen Wagner, wie er sein soll. Thomas Johannes Mayer ist ein noch junger Göttervater mit einer Stimme, die noch nicht immer Heldenbaritonformat hat und noch mehr Farbe und Volumen haben dürfte. Immerhin, Dank seiner ersten Diktion überzeugte der Sänger doch über weite Strecken. Von Vladimir Baykov hätte man gern mehr gehört als die paar Phrasen des Donner, Marcel Reijans angenehmer lyrischer Tenor war mir schon öfter in der Amsterdamer Oper aufgefallen, diesmal war er ein guter Froh. Mime (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) und die Nibelungen (Statisterie der Nederlandse Opera).
Dagegen hinterließ Stefan Margita als Loge bei mir einen zwiespältigen Eindruck: So elegant er mit kaum verbrauchtem, tragfähigem lyrischen Tenor und darstellerisch differenziert eingesetzten Mitteln für sich einnahm, so undeutlich und schwach war die längste Zeit seine Aussprache des deutschen Textes. Dies war gerade die Stärke von Werner Van Mechelen, der als Alberich nicht nur hervorragend deklamierte und beklemmend spielte, sondern auch sehr markant und sehr seriös sang, was mancher Kollege brüllt oder spricht. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke sah mit seinen Beulen am Kopf und dem insekten-käferhaften Kostüm angemessen furchtbar aus als Mime und spielte ihn auch beeindruckend intensiv, ohne je zu übertreiben. Nicht nur überrumpelnde Phonstärke, sondern auch das Aufspüren von Zwischentönen zeichnete die Porträts der Riesen durch Stephen Milling (Fasolt) und Jan-Hendrik Rootering (Fafner) aus. Wie schon 2004 und 2005 gab Doris Soffel die Fricka; rein vokal hätte man damals schon gelegentlich beckmessern können (was ich auch bereits bei ihrer Interpretation im Kölner Ring getan habe), der Ton ist nicht mehr immer wirklich üppig, aber die interpretatorisch-deklamatorische Kraft ihres Singens und ihre Präsenz lassen immer noch fast jeden Einwand verstummen. Dagegen blieb Anna Gabler als ihre Bühnenschwester vokal wie darstellerisch blass, während Marina Prudenskaya sehr berührend und mit kraftvoller, auch in der Tiefe keine Grenzen kennender Stimme eine erstklassige Erda war, und auch an den Rheintöchtern gab es nichts auszusetzen. Donner (Vladimir Baykov), Froh (Marcel Reijans), Loge (Stefan Margita), Wotan (Thaoms Johannes Mayer) und Fricka (Doris Soffel) schwächeln ohne Freias Äpfel.
Der eindringliche Vorabend machte zweifellos Lust auf die Fortsetzung im April. Und auf einen der "adventure seats" hoch oben auf der Bühne, von denen man den Akteuren aus ungewohnter Perspektive zuschauen und den Dirigenten noch genauer bei seiner großartigen Arbeit beobachten kann und irgendwie selber Teil des Ring wird. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Video
Dramaturgie
Solisten
Wotan
Donner
Froh
Loge
Alberich
Mime
Fasolt
Fafner
Fricka
Freia
Erda
Woglinde
Wellgunde
Floßhilde
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