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Musiktheater
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L'Africaine
(Die Afrikanerin - Vasco de Gama)


Opéra in fünf Akten von Eugène Scribe und Charlotte Birch-Pfeiffer
Musik von Giacomo Meyerbeer


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 50' (eine Pause)

Premiere am 25. September 2011 im Mainfranken Theater Würzburg
(besuchte Aufführung: 6. November 2011)


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Mainfranken Theater Würzburg
(Homepage)

Ästhetisch stilisiert

Von Bernd Stopka / Fotos von Falk von Traubenberg

Giacomo Meyerbeers Werke werden immer wieder gern belächelt - zumeist von den Opernfreunden, die sie noch nie gehört haben. Glücklicherweise gibt es immer wieder Produktionen, sowohl an großen wie an kleineren Häusern, die beweisen, dass Meyerbeer viel zu oft und viel zu sehr verkannt wird. Sicher sind die Libretti zuweilen wirr und überladen, die musikalischen Stilmittel manchmal beliebig und Effekt heischend eingesetzt, die Dimensionen ausufernd... Aber es finden sich so viele musikalische Perlen, dass eine normale Halskette nicht reicht, um sie aufzunehmen – und das liegt nicht nur am üppigen Umfang der Partituren.

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Inès (Nathalie de Montmollin), Don Diego (Paolo Ruggiero)

Das Mainfrankentheater Würzburg hat seine neue Spielzeit mit Meyerbeers letzter Oper, „L’Africaine (Die Afrikanerin – Vasco de Gama)“, eröffnet und mit dieser Produktion viele Perlen zum Glänzen gebracht. Bühnen- und Kostümbildner Jan Bammes hat mit verschieb- und drehbaren schrägen Wänden ein stilisiertes Bühnenbild geschaffen, das konkret genug die Orte der Handlung (Ratssaal, Schiffsinneres…) andeutet, der Phantasie des Zuschauers aber immer noch viel Raum für Assoziationen und eigene Bilder lässt. Dazu gehören auch die kleinen Papierschiffchen im rechten vorderen Teil der Bühne.

Mit eindrucksvollen, aber nicht üppigen Kostümen umschifft Bammes nicht nur das Kliff des Ausstattungsschinkens, sondern entwickelt auch unaufdringlich aktualisierende Hinweise, ohne dabei plump oder unästhetisch zu werden. So sieht man neben Duttenkragen moderne dunkle Anzüge; bronzefarbene, glatzköpfige Priester tragen in Lilatönen gehaltene Gewänder, Sélika einen neuzeitlichen Leopardenfellmantel und die Eingeborenen stecken in Trikots, die wie Ganzkörpertätowierungen wirken.

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Priester (Chor), Don Pédro (Johan F. Kirsten)

Nach dem Kentern und Entern des Schiffes im vierten Akt benutzen die Eingeborenenfrauen die weißen Sonnenschirme der mitgereisten Portugiesinnen. So dringt die Zivilisation einerseits dezent ein – andererseits überdeutlich, indem das wunderbare Land, das Paradies, wie es Vasco besingt, als Erdölreservoir mit Ölpumpe und effektvoll brennenden Ölfässern erscheint. Eine Wasserfläche auf der Bühne, deren Tropfkreise sich an den Wänden widerspiegeln, auf die Erd- oder Gesteinsebenen projiziert sind, erzeugt eine Ästhetik, die gleichzeitig unheimlich wirkt.

Das Stilmittel der Stilisierung greift auch Regisseur Gregor Horres auf. Seine Personenregie hat sehr intensive und starke Momente, wirkt aber nie überzogen – bei Sélikas Wiegenlied für Vasco im zweiten Akt vielleicht etwas zu unerotisch, nach ihrer Hochzeit im vierten Akt dafür umso gewollt leidenschaftlicher. Gut durchdachte Details sprechen für die Qualität einer konzentrierten und nicht überladenen Personenführung. Nachdem Inés aus dem zunächst berauschenden und dann tötenden Duftbereich des Manzanillobaumes fliehen konnte, kratzt sie sich an den Armen und zeigt deutliche Hautirritationen. Das ist botanisch begründet, denn der Saft des Baumes verursacht bei Berührung eine Ablösung der Haut. Der Duft ist eher ungefährlich und schon gar nicht tödlich – die Geschichte so aber operngeeigneter.

Aber wenn es angesagt ist, dann gibt der Regisseur dem Kaiser, was des Kaisers ist, stellt die Sänger an die Rampe und lässt die grandiose Musik einer „Großen Oper“  für sich sprechen und vor allem klingen! Da sei als bestes Beispiel das fulminante Finale des zweiten Aktes genannt.

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Nélusko (Adam Kim), Sélika (Karin Leiber)

Das Konzept geht auch deshalb so wundervoll auf, weil in Würzburg Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stehen, die eine geschlossen eindrucksvolle Ensembleleistung bieten. Nicht nur librettobedingt, auch in der Gestaltung ihrer Partie wird Karen Leiber im Laufe des Abends von der Titel- zur musikalischen Hauptfigur. Bei ihrer farben- und ausdrucksreichen Gestaltung kann sie sich immer auf ihren bruchlosen Mezzosopran mit samtener Tiefe und seidiger Mittellage verlassen, geht mit warmen und, wo es angemessen ist, auch dramatischen Tönen tief unter die Haut.  Trotz angesagter, aber kaum hörbarer Indisposition konnte auch Nathalie de Montmollin in der hier besprochenen Aufführung als Inés mit ihrem substanzreichen, innig-eindringlichen Sopran für sich gewinnen. Bei den Männerstimmen steht Adam Kim in der ersten Reihe. Mit seinem angenehm timbrierten Bariton lässt er als Nélusko sehnsuchtsvolle Liebe ebenso überzeugend klingen wie bösartige Schwärze in maßloser Wut – und viele Schattierungen dazwischen. Er hat reiche stimmliche Mittel und geht geschmackvoll mit ihnen um.

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Sélika (Karin Leiber)

Don Pédro  ist eher schablonenhaft als giftiger, aber nicht ganz ernst zu nehmender Bösewicht gezeichnet.  Johan F. Kirsten verleiht der Figur eine entsprechend angemessene musikalische Umsetzung. Paolo Ruggiero kann sowohl als Don  Diégo wie auch als Oberpriester seinen kernigen, klangschönen Bass strömen lassen. Paul McNamara hat Schmelz und Glanz in der Stimme, beeindruckt vor allem in den ersten beiden Akten, kann sich auf dieser stimmlichen Höhe aber nicht bis zum Schluss halten. Da ist es besonders schade, dass Vasco de Gama die Paradies-Arie erst im vierten Akt singt.

GMD Enrico Calesso ist ein elanvoller musikalischer Motor, der auch Momente der Unsicherheit zwischen Bühne und Graben nicht nur souverän meistert, sondern dabei auch den musikalischen Bogen nicht verliert. Ein durch und durch leidenschaftliches, packendes Dirigat. Der große Chor singt prachtvoll, könnte aber an der einen oder anderen Stelle etwas präziser sein. Das tut dem großartigen Gesamteindruck des Abends aber keinen Abbruch.



FAZIT

Hinfahren und genießen!







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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Calesso

Inszenierung
Gregor Horres

Bühnenbild und Kostüme
Jan Bammes

Choreinstudierung
Markus Popp

Dramaturgie
Christoph Blitt


Philharmonische Orchester
Würzburg

Opernchor, Extrachor und
Komparserie des
Mainfranken Theaters
Würzburg


Solisten

Don Pédro,
Ratspräsident
Johan F. Kirsten

Don Diego,
Admiral
Paolo Ruggiero

Inès,
seine Tochter
Nathalie de Montmollin

Vasco da Gama,
Marineoffizier
Paul McNamara

Don Alvar,
Ratsmitglied
Yong Bae Shin

Großinquisitor
Jörn E. Werner

Nélusko,
Sklave
Adam Kim

Sélica,
Sklavin
Karen Leiber

Oberpriester des
Brahma
Paolo Ruggiero

Anna, Begleiterin
der Inès

Sonja Koppelhuber

Ein Ratsdiener
Kenneth Beal

Ein Matrose
David Hieronimi

Ein Priester
Deuk-Young Lee


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Mainfranken Theater
(Homepage)






Da capo al Fine

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