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Poetischer kultureller Brückenschlag
Von Stefan Schmöe / Fotos © Wuppertaler Bühnen und National Theatre of Korea NTOK
Von Achim Freyer hinzuerfunden: Madame Pansori, die Erzählerin
Nur die Leber des Hasen kann den kranken Drachenkönig gesunden lassen, und so macht sich Buchhalter Sumpfschildkröte auf, den Hasen mit einer List in den Palast des Königs zu locken scheinbar mit Erfolg, denn der nicht uneitle Hase lässt sich überreden. Erst als ihm sein Schicksal dämmert, kann er, ebenfalls mit einer List, wieder entkommen. Diese alte koreanische Geschichte mit ihren der europäischen Kultur ja keineswegs unvertrauten Motiven von List und Gegenlist, von Krankheit und Heilmittel, vom ungleichen Duell zwischen dem Mächtigen und dem scheinbar zwangläufig Unterlegenen, der aber dennoch triumphiert, hat es dem Theatermacher und Bilderschaffer Achim Freyer angetan, und für das südkoreanische Nationaltheater Seoul hat er daraus ein Theaterstück geschaffen, das Elemente des koreanischen Pansori und Changgeuk sowie alter koreanischer Musik mit der westeuropäischen Oper verknüpft. Mr. Rabbit and the dragon king ist nach der erfolgreichen Premiere in Seoul derzeit auf Tour und war einziges Gastspiel in Deutschland an drei Tagen im Opernhaus Wuppertal zu bewundern. ![]() Der Drachenkönig
Als Pansori bezeichnet man eine Form des koreanischen Straßentheaters, bei der ein (sehr langes) Epos auf Marktplätzen von einem einzelnen, nur von einer Trommel begleiteten Sänger erzählt und gesungen wird. Die Tradition dieses Genres scheint unklar, reicht möglicherweise bis ins 10. Jahrhundert zurück. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich unter dem Einfluss des europäischen Theaters sowie der Peking-Oper und des japanischen Kabuki-Theaters eine auf mehrere Personen verteilte Theaterform mit der Bezeichnung Changgeuk, bei der auch verschiedene Instrumente zum Einsatz kommen. Aktuellen Versuchen, die Genres in Richtung Musical zu erweitern, hat Freyer sich vehement widersetzt und statt dessen alte koreanische Musik herangezogen. Das Ergebnis ist ein aus europäischer Sicht formal konventionelles Erzähltheater mit verschiedenen Rollen und einem Orchester (bestehend aus traditionellen koreanischen Instrumenten) mit Dirigenten. Der Trommler, direkt an der Rampe platziert, nimmt eine Sonderposition zwischen Orchester und Bühne ein (ebenso wie ein Zitherspieler). Die Musik ist für Opernbesucher natürlich erst einmal fremdartig, nimmt aber schnell gefangen und entwickelt ihren ganz eigenen Sog. Seine besondere Liebe für stilisierte Kostüme, für überdimensionierte, archaisch anmutende Masken hat Freyer ja an vielen anderen Stellen schon gezeigt. Er steht in erster Linie für ein ritualisiertes, entpsychologisiertes Theater, zuletzt etwa im zwiespältig aufgenommenen Mannheimer Rheingold (unsere Rezension). Die scheinbar naive Pansori-Erzählung dagegen ermöglicht ihm, seinen Bühnenzauber auf das Allerschönste zu entfalten. Als Regisseur, Ausstatter und Lichtgestalter hat Freyer alle Fäden in der Hand und gestaltet das Stück in der Art eines groß dimensioniertes Puppenspiels. Die Wirkung ist frappierend; drei kurzweilige Stunden lang nehmen Freyers Bildwelten und das virtuose Spiel des koreanischen Ensembles gefangen. ![]() Der König wird therapiert
Nie entsteht der Eindruck, hier solle dokumentarisch oder gar museal eine asiatische Kunstform vorgeführt werden. Der (traditionell mündlich überlieferte) Text ist behutsam auf den asiatisch-europäischen Brückenschlag hin modernisiert worden und ruft, wenn die Künstler gefragt sind, Dürer und Warhol ebenso herbei wie den chinesischen Dissidenten Ai Weiwei. Mit etlichen Kunststoff-Flaschen, die vom Bühnenhimmel herab hängen, ist unsere Gegenwart auch ästhetisch präsent, und das kann man als ironischen Seitenhieb auf Völker und Kulturen verbindenden Konsum deuten (Stichwort Wegwerfgesellschaft), aber eine so einseitige Interpretation griffe viel zu kurz. Auch und gerade mit diesen Mitteln schafft Freyer eine ungeheuer poetische Atmosphäre und gleichzeitig eine Distanz zu historisierenden Theaterformen. So ist Mr. Rabbit and the dragon king ein sehr eigenständiges, modernes und oft witziges Theaterstück geworden. ![]() Hase und Sumpfschildkröte
Dass ausgerechnet die kleinen Wuppertaler Bühnen als Gastgeber der Produktion auftreten, hat (auch) seinen Grund in der Freundschaft zwischen Achim Freyer und dem Wuppertaler Opernintendanten Johannes Weigand, einst Assistent Freyers. Darüber hinaus erarbeitet das NRW Kultursekretariat derzeit einen Transfer Korea NRW, bei dem (Süd-)Korea eben nicht nur als Handelspartner, sondern als Kulturland erlebbar sein soll. So ehrenwert der Einsatz der Wuppertaler Bühnen ist (Freyer wies am Premierenabend explizit auf die hochprofessionelle Arbeit der Wuppertaler Licht- und Bühnentechnik hin, die den reibungslosen Ablauf erst ermöglicht haben), so bedauerlich ist es, dass dieses hochkarätige Gastspiel überregional kaum Resonanz hervorgerufen hat.
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Produktionsteam
Inszenierung, Ausstattung, Lichtkonzept
Komposition
Dramaturgie
Choreographie
Licht
Art Director Solisten
Madame Pansori
Hase
Sumpfschildkröte
Drachenkönig
Affe
Tiger / Tigerhai
Tiger Hinterteil
Medizinmann / Henker / Picasso
Stier / Flusskrebs
Rabe / Goildbarsch
Wildschwein / Alse
Hirsch / Muschel
Fuchs / Wels
Wildschweins Frau /
Frosch
Wildschaf / Alse / Ai Weiwei
Große Augen / Oktopus / Warhol
Wiesel / Makrele / Dürer
Katze / Rochen / Kim Hong-do
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