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Musiktheater
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Der Sieg der Schönheit 

Singspiel in drei Akten
nach einem Libretto von Christian Heinrich Postel 
Text und Musik von Georg Philipp Telemann    


In deutscher Sprache mit deutschen Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 9. Juni 2012

Logo: Theater Osnabrück

Theater Osnabrück
(Homepage)

Amor vincit omnia   

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Georg Philipp Telemann. Er war belesen, weltgewandt und zu Lebzeiten der berühmteste deutsche Komponist. 1721 übernimmt er die Leitung der Hamburger Oper am Gänsemarkt. Das Angebot, als Thomaskantor in Leipzig zu wirken, lehnt er ab. Er bleibt Hamburg als Opernchef bis zu deren Schließung 1738 erhalten. Die Einen beziffern sein Opernschaffen auf ca. 50 Werke, die Anderen auf 40. Ulrich Schreiber hebt seine besondere Begabung für das komische Musiktheater hervor. Telemann führt bei Amtsantritt eine schon vorher in Hamburg gepflegte Tradition der heiteren Spieloper fort, die sich in zahlreichen Begriffsvarianten wie "musikalisches Lustspiel", "scherzhaftes Singspiel" etc. zeigt.

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Satyr und Amor in einvernehmlichem Beisammensein

Eines der vielen, für die Bühne wieder zu entdeckenden Werke ist Der Sieg der Schönheit, Telemanns erstes Werk für die Oper am Gänsemarkt. 1722 "für ein hochadeliges Pächtergremium herausgebracht" und erfolgreich uraufgeführt, stand das Singspiel in deutscher Sprache bis 1735 immer wieder auf dem Spielplan. Überliefert ist allerdings nur eine ab 1725 in Braunschweig aufgeführte Bearbeitung, eine Zusammenstellung aus Arien, Ensemblesätzen, neu komponierten Rezitativen und hinzugefügten Tänzen. In Klangfarbenreichtum, "spektakulärer Handlung und eingängiger, fast schlagerartiger Musik" greift Telemann hier die Anregungen von Händels Londoner Opern auf.

Historischer Hintergrund der Handlung ist die Einnahme Roms durch die Wenden im Jahre 455. Gensericus und die Seinen treffen auf die römische Kaiserin Eudoxia, ihre Töchter, deren  Kammerzofe und den Aristokraten Olybrius. Besiegt, aber auch befreit von Tyrannei und Ehe zeigt das barocke Singspiel ein konfliktreiches Spiel von gesellschaftlicher Erwartung und eigenem Empfinden. Gensericus will die sich zunächst weigernde Kaiserwitwe Eudoxia heiraten. Sein Sohn Honoricus meint, er sei ein Frauenfeind, bis die listenreiche Tochter Pulcheria sich als Mann verkleidet und Honoricus verwirrt feststellen muss, das das von ihm geliebte Venusbild die Gesichtszüge Pulcherias darstellt. Placidia deutet das zögerliche Verhalten ihres Verlobten Olybrius als Untreue und will sich mit Helmiges rächen.

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Helmiges und Olybrius müssen büßen

Im Zentrum der Osnabrücker Erstaufführung nach der Neuausgabe stehen der Liebesgott Amor und der Satyr Turpino. Angereichert mit Venusabbildungen prangt Caravaggios "Amor vincit omnia" - der berühmte, sich wie im Lauf, Sprung oder Tanz über Kunst, Wissenschaft, Macht und Ehre hinwegsetzende nackte, dunkel geflügelte, lachende Cupido - dem Zuschauer zu Beginn überlebensgroß entgegen. Es ist eine Mauer aus Pappkartons, die nach Orchestereinleitung und festlichem Chor-Intro mit den Worten "Drauf ihr tapferen Helden. Heute müsst ihr siegen!" demonstrativ zusammenbricht. Im weiteren Verlauf werden die Mauerelemente dann geschickt und vielfältig für Requisitenverstecke, kleine Szenenandeutungen z. B. das Gefängnis umfunktioniert und ermöglichen so einen wunderbar schnellen, reibungslosen Ablauf ohne große Umbaupausen.

Regisseur Markus Bothe setzt an den Anfang der Handlung plakative Bilder von plündernden, mordenden Siegern. Barockes Lustspiel, Leichtigkeit und Komik finden sich in dieser Inszenierung eher in den spielerisch eingesetzten Elementen des Bühnenbilds bzw. dem sinnreichen Wortspiel von Amor und Roma. Schillernde, prächtige Beleuchtung unterstützt die folgende, revueartige Aneinanderreihung von Rezitativen, kontrastiven Arien, vielfältigen Ensembles sowie instrumentalen Tanzeinlagen. Ausgestellt auf einer Drehbühne finden Alle im Schlusschor "Amor, all deine Plagen machen doch zuletzt vergnügt" zu rotem Herzchenregen und einem Feuerwerk aus Wunderkerzen zusammen. Eine Personenregie, die in den Namen angedeutete barocke Stilisierungen oder musikalische Affektüberzeichnung aufgreift, sucht man jedoch vergeblich.  Auch die gewählten Kostüme geben hier wenig Anregung und Bothes dramaturgische Akzentuierung des seelischen Spektrums der handelnden Figuren beschränkt sich oft auf gezielt die Figur herausleuchtendes Scheinwerferlicht. Zu selten wird das kontrastreiche Affektspiel geistreich, witzig geschweige denn grotesk übertrieben.

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Auf der Bühne: die Eroberung Roms mit Eudoxia im Vordergrund. Vor der Bühne: das Orchester

Musikalisch ist die Einstudierung Michael Schneiders ein Genuss: ein u. a. mit Basso Continuo-Gruppe, Cembalo, deutscher Barocklaute, fellbespannten Dreh- bzw. Kesselpauken und zahlreichen Holz- und Blechbläsern angereichertes doppelchöriges Orchesterensemble, das  akzentbetont und leicht schwingend eine affektbetonte, dramatisch lebendige Klangrede vor Augen führt. Hinzu kommt ein passend ausgewähltes Solistenensemble.  Arien und Duette erklingen in verschiedensten farblichen Schattierungen. Wie sich barocke Komik stimmlich interpretieren lässt, zeigen besonders gelungen Eva Schneidereit als Honoricus und Astrid Kessler als Placidia, die in atemlosen Tontrauben, schneidend und dramatisch meckernd ihr "Ich will dich verfolgen mit wütenden Trieben" schmettert.

FAZIT

Eine vor allem musikalisch überzeugende Barockrevue.       



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Schneider

Inszenierung
Markus Bothe   

Bühnenbild und Kostüme
Alexandre Corazzola    

Chor
Markus Lafleur
   

Dramaturgie
Kathrin Liebhäuser,
Alexander Wunderlich

 

Basso continuo-Gruppe
Chor des Theaters Osnabrück
Osnabrücker Symphonieorchester


Solisten

*Besetzung der Premiere

Eudoxia
Lina Liu

Placidia
Astrid Kessler

Pulcheria
Marie-Christine Haase

Melite
Kathrin Brauer

Olybrius
Jan-Friedrich Eggers

Maximus
Peter Strate

Gensericus:
Daniel Moon

Honoricus
Eva Schneidereit

Helmiges
Daniel Wagner

Trasimundus
Mark Sampson

Turpino
Grenadijus Bergorulko

Amor (stumme Rolle)
Jonathan Schramm*/
Stefan Leer




Weitere Informationen
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Theater Osnabrück
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