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Musiktheater
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Elektra

Tragödie in einem Aufzug
Text nach dem Drama Elektra von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 31.3.2012


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Staatstheater Nürnberg
(Homepage)

Die schön-schaurige Fassade des Bürgertums

Von Stefan Schmöe / Fotos von Ludwig Olah


Bei der Elektra, da ist Richard Strauss noch ein letztes Mal der Bürgerschreck, der mit großem und reichlich dissonantem Getöse dem Establishment den Marsch (oder besser: den Abschiedswalzer) bläst. Was ein paar Jahre zuvor bei der Salome prächtig und erfolgreich beim Publikum eingeschlagen hatte, das wird hier wiederholt, wobei natürlich alles eine Spur effektvoller, noch "neutönerischer" ablaufen muss. Strauss selbst hat dieses Problem bemerkt – und ebenso, dass eine weitere Steigerung in dieser Form nicht möglich sein konnte. Bekanntlich hat er sich unmittelbar danach dem sanft-nostalgischen Rosenkavalier zugewendet und sich vom Bürgerschreck zum Bürgerliebling gewandelt. Aber in der vom Blutgeruch nur so dampfenden Elektra, da darf es noch wild sein.

Szenenfoto

Die Damen im Hintergrund deuten an, worum es an diesem Abend geht: Nämlich um das Beil. Notwendig wäre diese szenische Nachhilfe nicht, denn die übel gelaunte Elektra (Rachel Tovey) macht uns das sowieso eindrucksvoll klar.

Das sind die Vorzeichen, unter denen die Nürnberger Neuinszenierung steht, die ganz programmatisch mit einem doppelten Knalleffekt beginnt: Nicht nur setzen schrill und schneidend die Blechbläser überrumpelnd mit der Agamemnon-Fanfare ein, gleichzeitig dazu (bei der Premiere allerdings den über die Wirkung entscheidenden Sekundenbruchteil zu spät) wird das Publikum von einer Wand aus Scheinwerfern geblendet – ein im wahrsten Sinne des Wortes greller Effekt. Im übertragenen Sinne grell bleibt es den ganzen Abend über. Das betrifft Szene wie Musik; GMD Marcus Bosch dirigiert reichlich plakativ, erreicht allzu schnell sehr große Lautstärken, die lyrischen Passagen neigen zur Süßlichkeit, die Klangeffekte sind oft überreizt. Der Staatsphilharmonie Nürnberg hört man an, dass sie ein gutes Orchester ist, aber eben auch, dass die Elektra ein sehr schweres Stück ist. Es gibt einige sehr schön gestaltete Passagen, aber auch manches, das noch unausgegoren und nicht zu Ende gestaltet ist. Der Gefahr allerdings, eine allzu „kulinarische“ Elektra aus der Rosenkavalier-Rückblende zu gestalten, entgeht Bosch mit seiner auf den Knalleffekt ausgerichteten Interpretation – wie gesagt: Es lebe der Bürgerschreck Strauss.

Szenenfoto

Klytämnestra (Daniela Denschlag) träumt schlecht und sucht Rat an Elektras Erinnerungsort

Die Regie unterstreicht das noch. Regisseur Georg Schmiedleitner präsentiert, auch wenn das nach mehr aussehen möchte, im Wesentlichen ziemlich konventionelles Rampentheater (bei dem die Personen schnell und pathetisch zu Boden gehen), das nur in wenigen Momenten psychologische Spannung entwickelt - am ehesten noch in der Erkennungsszene zwischen Elektra und Orest. Das Bühnenbild von Stefan Brandtmayr mit einem Autowrack als Elektras Erinnerungs- und Trauerstätte in einem gefängnisartigen Hinterhof fängt recht gut die klaustrophobische Stimmung der Oper ein. Die Regie bemüht immer wieder die Statisterie auf die Bühne, um dann theatralisch Beile zu schwingen (aus denen auch schon 'mal Flammen empor schießen dürfen) oder im Schlussbild eine figurale Skulptur aus blutüberströmten Körpern bilden. Das bekommt der Oper nicht gut, denn so driftet das Werk ins hübsch Dekorative, aber eben auch sehr unverbindliche ab, zumal die Szene die musikalischen Effekte doppelt, anstatt ihnen etwas Eigenständiges entgegen zu setzen.

Szenenfoto

Elektra (Rachel Tovay) und Schwester Chrysothemis (Mardi Byers) mit dem einzig richtigen Beil, das freilich eher nach solider Baumarktqualität aussieht denn nach archaischem Racheinstrument

Das ist im Ansatz zwar nicht ganz falsch und wäre akzeptabel, wenn dem gegenüber eine wirklich überzeugende Personenregie stünde – die aber beschränkt sich zu oft auf ein paar Allerweltsgesten. Das allein an der sehr hölzern agierenden Rachel Tovey in der Titelrolle festzumachen, wäre verfehlt – ein guter Regisseur müsste auch aus unbeweglichen Darstellern mehr herausholen. Stimmlich allerdings hat Rachel Tovey großes Format: Die Stimme ist voluminös, in der Höhe strahlend und durchsetzungsfähig, in der tiefen Lage mit sattem Fundament (dass sie da oft in Sprechgesang übergeht, liegt auch an der Partitur). Die etwas farblose Mittellage ist da zu verschmerzen. Dazu verfügt die Sängerin über ein fantastisches Pianissimo in der hohen Lage, das auch substanzvoll ein sattes Orchester-Forte überstrahlen kann. Ziemlich ungeschlacht ist die Phrasierung (wobei natürlich gerade die Elektra keine Schönsängerin sein muss), da bleibt einiger Spielraum für Ausgestaltung – auf der anderen Seite ist kein Ton unbeteiligt gesungen, sondern vieles zwar etwas holprig, aber immer mit großer Emotion.

Szenenfoto

Es dauert eineWeile, bis Elektra (Rachel Tovey) in diesem coolen Typen ihren Bruder Orest (Jochen Kupfer) erkennt

Mardi Byers hat für die Chrysothemis ein etwas pauschales Vibrato, aber eine jugendlich leuchtende, tragfähige (wenn auch nicht ganz große) Stimme. Sie muss in dieser Partie an die Grenzen ihrer vokalen Möglichkeiten gehen, macht das aber geschickt und klangschön, ohne übermäßig zu forcieren. Der Rolle bekommt das gar nicht schlecht, wird doch dadurch die große Anspannung und Verzweiflung der Figur deutlich. Daniela Denschlag ist eine angenehm unprätentiöse Klytemnästra, nicht unbedingt stimmlich überragend, aber sie singt die Partie sauber aus. Einen sehr starken Eindruck hinterlässt der junge, aber stimmgewaltige und genau phrasierende Jochen Kupfer als Orest. Die Sänger der kleineren Partien tun sich durchweg schwer, gegen die Orchestergewalten anzusingen – zwar schlägt sich das Nürnberger Ensemble recht wacker, aber es ist naturgemäß nicht jeder vom hochdramatischen Fach. Die „Orest“-Rufe des Chores werden ziemlich scheppernd per Lautsprecher eingespielt.


FAZIT

Vieles in dieser zweifelsohne ambitionierten und engagierten Produktion zielt allzu sehr auf den vordergründigen Effekt, und so bleibt diese Elektra trotz der großformatigen Sängerbesetzung recht oberflächlich.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Bosch

Inszenierung
Georg Schmiedleitner

Bühne
Stefan Brandtmayr

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Choreinstudierung
Tarmo Vaask

Dramaturgie
Kai Weßler


Statisterie und Chor des
Staatstheater Nürnberg

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

* Besetzung der Premiere

Elektra
Rachael Tovey

Chrysothemis
Mardi Byers

Klytämnestra
Daniela Denschlag

Aegisth
Richard Kindley

Orest
Jochen Kupfer

Pfleger des Orest
Taehyun Jun

DieVertraute
Irène Lepetit-Mscisz

DieSchleppträgerin
Joanna Limanska-Pajak

Ein junger Diener
Martin Platz

Ein alter Diener
Michael Kunze

Die Aufseherin
Isabel Blechschmidt

1. Magd
Teresa Erbe

2. Magd
Eleonora Vacchi

3. Magd
Leila Pfister

4.Magd
Leah Gordon

5.Magd
Heidi Elisabeth Meier



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



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