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Musiktheater
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TIMESHIFT oder
die Zeit ist ein Vogel


Experimentelles Musiktheater von Susanne Blumenthal, Recha la Dous und Kerstin Ergenzinger   
Texteinrichtung von Recha la Dous und Susanne Blumenthal unter Verwendung von Texten der Komponisten
sowie von Emanuel Geibel, Johann Wilhelm Gleim, Rainer Maria Rilke und Friedrich Schiller
Musik von Sören Nils Eichberg, Niels Klein, Vassos Nicolaou und Steingrimur Rohloff

Aufführungsdauer: ca.1h 50' (keine Pause)

Uraufführung im Großen Haus der Städtischen Bühnen am 4. Dezember 2011

                    
Logo: Städtische Bühnen
                                Münster

Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
Panta Rhei oder die Zeit fliegt   
Experimentelles Musiktheater zum Thema Zeit 

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Hörnschemeyer

Lampenhimmel, Bienenkörbe im ersten Rang - wer das Große Haus der 1954 gebauten Städtischen Bühnen Münster neugierig betritt, glaubt - von heute aus gesehen vielleicht nostalgisch - den Mief, die Provinzialität der Entstehungszeit geradezu atmen zu können.

Szenenfotohängende Zick-Zack-Projektionsfläche im Zuschauerraum  

Kunstvoll der Entstehungszeit entrückt ist dieser Lampenhimmel das Erste, was dem Theaterbesucher der erstmals aufgeführten Musiktheaterproduktion  TIMESHIFT oder die Zeit ist ein Vogel begegnet. Zusammen mit Jazzklängen eines im Parkett spielenden Trio im Dialog mit zart aufspielenden Musikern aus dem Orchestergraben füllen diese Lampenschirme mehrfach zerteilt, vervielfacht, kunstvoll stilisiert und zu bewegten kreisenden und linearen Formen zusammengefügt, Bühne und Zuschauerraum gleichermaßen. Sie sind Hauptgegenstand der live zugespielten Videoprojektionen, einer der Kunstbereiche, die in Münster bei normalen Musiktheaterproduktionen eher selten anzutreffen sind.

Timeshift, was man mit "Zeitverschiebung" übersetzen könnte, ist das 9., vom Fond Experimentelles Musiktheater geförderte Projekt, für dessen Ausführung die Städtischen Bühnen den Zuschlag erhielten. Ausgehend von Alan Lightmans Buch Und immer wieder die Zeit (Einstein's Dreams) entwickelten die neue musikalische Leiterin des Studentenorchester Münster Susanne Blumenthal, die freischaffende Künstlerin Kerstin Ergenzinger, die Regisseurin Recha la Doux und die Komponisten Sören Nils Eichberg, Niels Klein, Vassos Nicolaou und Steingrimur Rohloff  sechs Einzelszenen mit instrumentalem Prolog, Epilog und Zwischenspielen zum Thema Zeit. Die von Vassos Nicolaou vertonte  Ereignislosigkeit kontrastiert mit den Multiplen Zeiten von Steingrimur Rohloff. Auf die Ortsgebundene Zeit von Sören Nils Eichberg folgt die Mechanische/ physische Zeit von Vassos Nicolaou. Die Unstete Zeit von Steingrimur Rohloff bildet die 5. Szene, während die Absolute Zeit von Sören Nils Eichberg, wo die Menschen von der Zeit beherrscht werden, den düsteren Abschluss bildet. Niels Klein komponierte Vor- und Nachspiel sowie die instrumentalen Zwischenspiele.

Szenenfoto
Impressionen aus der zweiten Szene

Zu den anregenden und für mich überzeugend wirkenden Leitgedanken dieses ästhetische Formprinzipien in den Vordergrund rückenden Projektes gehört die Idee, sich auf wenige Farben und Formen zu beschränken, diese zu verändern und zu verselbstständigen. Fließende, entrückte Illusionsräume entstehen dabei nicht nur in den Videoprojektionen. Die Schönheit paralleler Wirklichkeiten wird uns auch in der Personenregie vor Augen geführt mittels Schattenrisstechniken oder der begehbaren Lampe in der zweiten Szene, wo Licht, Projektion und Figurenbewegungen zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Entrückte Verwandlung und witzige, fantasievolle, aus unterschiedlichen Kulturen und historischen Epochen bestehende Kunstwelten sind auch Assoziationen, die die entweder orange oder türkis farbenen Kostüme der vier Solisten und des Chores wecken.

Szenenfotodas Diktat der Zeit  

Trotz allem bleibt die Gesamtwirkung in großen Teilen zu steril und emotionslos. Solisten oder Chor scheinen keine menschlichen Charaktere darzustellen. Die Stimm- und Textbehandlung der Komponisten orientiert sich an bekannten Instrumental- und Vokalkompositionstechniken des 20. Jahrhunderts, wo Sprachmaterial zergliedert, zerlegt, permutiert und variiert wird, Sinn und Bedeutung durch Klanggesten und verschiedene stimmliche und instrumentale Aktionen ersetzt werden. Immer wieder - z.B. wenn sich Jazzband und Orchester oder Solist und Orchester im Call-Response-Prinzip der Improvisation begegnen, Motive oder Klangmuster gegenseitig aufgreifen -  wird die im Ansatz entstehende Kommunikation unterbrochen, scheinen sich musikalische Muster, Zeichensysteme ohne Bedeutungsabsicht zu verselbstständigen. Hierzu gehört auch der witzige Dialog der beiden Body-, bzw. Tischperkussionisten  mit dem Orchester.

Spätestens in der 5. bzw. 6. Szene, wo - trotz nicht vorhandener Übertitelung - eine düstere Bedeutungsabsicht jenseits differenzierter Lichtregie und anderer Formexperimente erkennbar wird, überwiegt jedoch das Bedürfnis, sich mit den zugrunde liegenden Texten der Komponisten und ausgewählten Dichter auseinander zu setzen. Schade, dass man sich dieser inhaltlichen Ausrichtung nicht stellt. Auch im Programmheft kommt man diesem Bedürfnis nach Vertiefung nicht nach.


FAZIT

Ein in vielen ästhetischen Bereichen anregendes, fantasievolles Experiment, dessen Szenen jedoch eine intendierte dramatische Ausrichtung und inhaltliche Verknüpfung fehlt.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Susanne Blumenthal

Inszenierung
Recha la Dous 

Bühne
Manfred Kaderk  

Bühne und Kostüme
Kerstin Ergenzinger

Video
Kerstin Ergenzinger
Matthias Neuenhofer

Produktionsleitung und Dramaturgie
Rolf C. Hemke

Dramaturgie (Städtische Bühnen Münster)
Jens Ponath

Chorleitung
Donka Miteva
Karsten Sprenger  


Opernchor der
Städtischen Bühnen Münster

Sinfonieorchester Münster

Solisten

Sopran
Christine Graham

Alt
Lucie Ceralova

Tenor
Youn-Seong Shim

Bariton
Matteo Suk

Saxophon
Niels Klein

Bass
Robert Landfermann

Schlagzeug
Jonas Burgwinkel

Tisch-Perkussion
Thomas Witzmann
Jasper Ubben









Weitere Informationen

erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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