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Kostümrausch und Bühnenleere
Eros und
Thanatos. Verdis musikalische Inszenierung dieses
ewigen Opernthemas schuf in La Traviata eine
idealisiert strahlende, große Herzensbildung
auszeichnende Liebende. Grundlage der Oper, ebenso des
Verdi bekannten Schauspiels und des 1848 erstmals
erscheinenden Romans Die Kameliendame von Alexandre
Dumas d.J., Grundlage auch des berühmten
Porträts Edouard Vienots, ist die schonungslose
Lebenswirklichkeit der zur Edelprostituierten
aufsteigenden Marie Duplessis. Als "Königin" des
galanten Paris gefeiert, stirbt sie - schon früh
an Schwindsucht erkrankt - verlassen und verschuldet
im Alter von 23 Jahren. Regisseur Axel Kresin thematisiert in seiner münsterschen Neuinszenierung das dem Mythos zugrunde liegende romantisch-künstlerische, moralische Unbehagen des 19. Jahrhunderts. La Traviata - wörtlich "die vom Weg Abgekommene" - ist eine Unschuld in Weiß, deren Aufgabe darin besteht, die gesellschaftliche Widersprüchlichkeit zwischen sinnentleerter "Goia" (Freude) mit Liebeslust, Kalesche, Kostüm- und Champagnerrausch und "dolor" (Schmerz) aufzuzeigen. Manfred Kaderk hat für die geschlossene Luxusgesellschaft eine eindrucksvolle monumentale, nackte, halbrunde Wand kreiert, deren symbolträchtiger, im Verlauf der Oper größer werdender schwarzer Riss uns schließlich die Bühnenleere mit einer schwarzen, als Sarg und Bett gleichermaßen genutzten, rechteckigen Kiste vor Augen führt. Während des Beziehungsdramas im zweiten Akt wird die Bühne mit weiteren symbolischen Zeichen - einem roten Seidenvorhang, der an einer gigantischen Hutnadel aufgehängt ist - gefüllt.
Im Kontrast dazu erinnert der Kostüm- und
zwischen romantischer Tagesrandbeleuchtung, pink
angehauchtem Mädchentraum und Wirklichkeit
changierendem Beleuchtungsrausch auf den Festen eher
an die Ausstattungsoper. Es regnet gleich zu Beginn
weiße Rosen und Geld, während Violetta als
weiße Braut in ihrer Kalesche von zahlreichen
Verehrern umgeben auf die Bühne rauscht.
Geschickt reiht Kresin in den Ensembleszenen Bewegung
und statischen, an fotografische Aufstellung
erinnernde, plakative Bilder aneinander. Ihre absurd
komische Wirkung gelingt vor allem auf dem
Kostümfest bei Flora, als mit großen Nasen
ausgestattete Männer die weiblichen Röcke
beschnüffeln. Stellvertretend für die
wiederhergestellte moralische Ordnung wird im
Zeitlupentempo im Verlauf des 3. Aktes ein
gigantisches weißes Kreuz heruntergelassen.
Ein
wutentbrannter und verletzter Alfredo Die Personenregie vor allem in den intimen Momenten
bleibt jedoch vordergründig. An die Seite der an
Schwindsucht erkrankten Violetta ist ein
temperamentvoll aufbegehrender Alfredo gestellt, der
sich in jugendlich-hormonalem Überschwang auf
seine erschöpft am Boden liegende Angebetete
wirft. Der alte Germont dagegen erscheint -
ausgestattet mit einer überdimensionalen Bibel -
in der gesamten Schlüsselszene des 2. Aktes wie
eine zum moralischen Ankläger erstarrte
Vaterfigur, der versucht, Violetta als
Entschädigung Geld anzubieten. Plakativ treten sechs
' mal sich Violetta nähernde, 'mal
zurückweichende weiße Bräute auf.
FAZIT Verdis Musik
lässt sich nur schwer umdeuten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam Inszenierung Bühne Kostüme Dramaturgie Chorleitung
Solisten* Besetzung der rezensierten Vorstellung Violetta Alfredo Germont Flora Annina
Gaston Baron
Douphol Marquis
d'Obigny Doktor Grenvil Giuseppe Ein Diener Floras
Ein Bote
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- Fine -