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Musiktheater
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Der Mikado oder Die Stadt Titipu

Operette in zwei Akten
Libretto von William Schwenck Gilbert
Deutsche Fassung von Walter Brandin und Arno Assmann
Musik von Arthur Sullivan

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater am Gärtnerplatz in München am 19. November 2011



Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)

Flirten verboten

Von Thomas Molke / Fotos von Jochen Quast

Nachdem das Staatstheater am Gärtnerplatz 2009 mit Die Piraten von Penzance bereits eine Operette des auf deutschen Bühnen sträflich vernachlässigten britischen Duos Gilbert & Sullivan in einer von Presse und Publikum gefeierten Inszenierung auf die Bühne gebracht hatte (siehe auch unsere Rezension der Dernière vom 23.07.2011), hat man sich in dieser Spielzeit mit Der Mikado oder Die Stadt Titipu dem wohl erfolgreichsten Werk des Duos gewidmet, das nach seiner Uraufführung 1885 insgesamt 672 Folgevorstellungen nach sich zog und im Bereich der Operette einen regelrechten Boom von Fernost-Operetten nach sich zog. Um an den Erfolg der vorherigen Produktion anzuknüpfen, wurde erneut Holger Seitz für die Regie verpflichtet. Des Weiteren kann man die Auswahl dieser Operette am Gärtnerplatz als ein kleines Jubiläum betrachten, da  hier vor 125 Jahren, also ein Jahr nach der Uraufführung, dieses Werk zum ersten Mal in Deutschland präsentiert wurde.

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Der Prinz Nanki-Poo (Robert Sellier, links) träumt von Yam-Yam (rechts: Thomas Peters als Erzähler).

Die Geschichte erzählt von einem fiktiven Japan, in dem der Mikado mit recht rigorosen Methoden sein Volk beherrscht. So steht zum Beispiel auf Flirten mit einer fremden Frau die Todesstrafe, die der zum Scharfrichter von Titipu ernannte Co-Co bis jetzt noch niemals ausgeführt hat, da er kein Blut sehen kann. Da der Sohn des Mikado, Nanki-Poo, die ihm bestimmte Katisha nicht heiraten will, flieht er als Musiker getarnt nach Titipu und verliebt sich dort in die schöne Yam-Yam, ein Mündel des Scharfrichters, die Co-Co aber selbst zu ehelichen gedenkt. Da Co-Co aber auf Anweisung des Mikado eine Hinrichtung nachweisen muss, um nicht selbst getötet zu werden, lässt er sich auf einen Deal mit Nanki-Poo ein: Nanki-Poo will Yam-Yam heiraten und sich im Gegenzug nach vier Wochen dafür von Co-Co hinrichten lassen. Doch als herauskommt, dass Yam-Yam dann in vier Wochen als Witwe lebendig begraben werden müsste, verwerfen sie diesen Plan. Co-Co weist Nanki-Poo an, mit Yam-Yam zu fliehen, und plant gemeinsam mit dem bestechlichen Beamten Pooh-Bah, dem Mikado ein Schriftstück vorzulegen, das beurkundet, dass die Hinrichtung bereits vollzogen sei. Als der Mikado jedoch auf diesem Schriftstück den Namen seines Sohnes liest, verurteilt er Co-Co zu Tode. Dieser kann sich nur retten, indem er Katisha heiratet, damit Nanki-Poo mit seiner frisch vermählten Yam-Yam zurückkehrt und dem Vater beweist, dass er noch unter den Lebenden weilt, die Todesstrafe für Co-Co somit wieder aufgehoben wird.

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Erste Annäherung zwischen Yam-Yam (Frances Lucey) und Nanki-Poo (Robert Sellier) (im Hintergrund: Thomas Peters als Erzähler).

Das Regieteam um Holger Seitz macht in der Inszenierung deutlich, dass der exotische ferne Osten bei Gilbert & Sullivan nur eine fiktive Welt ist, die in fremdländischem Ambiente die Prüderie und Korrumpierbarkeit einer doch sehr westlichen Gesellschaft widerspiegelt. So deutet zwar das Bühnenbild von Peter Engel mit einem Berg im Hintergrund, der wohl den Fuji darstellen soll, einem an einen Bonsai erinnernden Baum und japanisch anmutenden Lampions, die vom Schnürboden herabhängen, den fernöstlichen Ort des Geschehens an, bleibt aber mit den restlichen Bühnenelementen geographisch eher neutral. Bei den Figuren erinnert größtenteils nur die blasse Schminke an fremde Länder. Ansonsten wirken die Figuren in den Kostümen von Sandra Münchow sehr westlich. Wenn Yam-Yam und ihre Schwestern aus dem Internat zurückkehren, tragen sie beispielsweise kurze Tennisröcke in Blau und Weiß. Katishas knallrotes Kostüm unterstreicht mit der darunter befindlichen Bluse im Leopardenmuster und schwarzen Strapsen, die zum Vorschein kommen, nachdem sie Co-Cos Werben am Ende erhört hat, zum einen ihre Leidenschaft, zum anderen aber auch ihre Blutrünstigkeit. Im Gegensatz dazu zeigt Co-Cos weißer Anzug und sein blasses rosafarbenes Hemd, dass er als Scharfrichter viel zu weich ist, das Amt den Anforderungen gemäß auszuführen.

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Yam-Yam (Frances Lucey, Mitte) wird von ihren Schwestern Pitti-Sing (Franziska Rabl, rechts) und Peep-Bo (Milica Jovanovic, links) auf die bevorstehende Hochzeit vorbereitet.

Holger Seitz führt in die Handlung einen Erzähler (Thomas Peters) ein, der das Geschehen kommentiert. Mit einem großen japanischen Clownskopf, der nur den Mund freilässt, und einer Handpuppe, die als Alter Ego in Miniatur wirkt, stellt Peters die Personen vor und greift bisweilen in die Handlung ein. So werden mit seinen Einschüben die Liebesdialoge zwischen Nanki-Poo und Yam-Yam im ersten Akt beziehungsweise Co-Co und Katisha im zweiten Akt herrlich überzeichnet, die Ernsthaftigkeit der Gefühle in Frage gestellt und damit die Liebesbeteuerungen ironisiert. Am Ende des Stückes ist es auch der Erzähler, der Co-Co die rettenden Worte einflüstert, um doch noch der Todesstrafe zu entgehen. Peters stattet den Erzähler mit beweglichem Spiel und großer Komik aus.

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Der Mikado (Stefan Sevenich) mit Katisha (Rita Kapfhammer) (im Hintergrund: Chor).

Auch das restliche Ensemble überzeugt durch große Spielfreude. Fiona Copley kreiert gelungene Choreographien für die Ensembles, die von den Solisten und dem Chor sehr beweglich umgesetzt werden. Besonders komisch gelingt der Auftritt der Titelfigur im zweiten Akt. Für Stefan Sevenich als Mikado öffnet sich der Berg im Hintergrund und ein roter Teppich, der fast wie ein Hindernis-Parcours wirkt, führt in die Mitte der Bühne. Über diesen Teppich schwebt Sevenich, dicht gefolgt von Rita Kapfhammer als Katisha, die ihm als zukünftige Schwiegertochter stets versucht, die Schau zu stehlen. In seiner Auftrittsarie wirkt Sevenich als Mikado nun gar nicht wie ein blutrünstiger Despot, als er ja zuvor von den anderen stets gefürchtet wurde. In einem witzigen Patter song betont er seine Menschlichkeit, mit der er sein Volk als großer Philosoph und Denker lenkt, und verzichtet dabei auch nicht auf eine grandiose Tanzeinlage. Auch Holger Ohlmann als Pooh-Bah, der nahezu alle Ämter des Staates ausübt, überzeugt mit fundiertem Bass und komödiantischem Spiel. Gleiches gilt für Daniel Fiolka, der den Edelmann Pish-Tush mit einem kräftigen Bariton ausstattet. Franziska Rabl gefällt als Pitti-Sing mit warmem Mezzo und starker Bühnenpräsenz.

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Co-Co (Gunter Sonneson) hat in Katisha (Rita Kapfhammer) das Feuer der Leidenschaft entfacht.

Robert Sellier begeistert als Prinz Nanki-Poo mit einem strahlenden Tenor, der stets sehr textverständlich bleibt, was bei Frances Lucey als Yam-Yam leider nicht immer der Fall ist. Während sie spielerisch ein sehr niedliches Mündel abgibt und auch in den komischen Szenen überzeugen kann, wird ihr recht weicher Sopran an einzelnen Stellen vom Orchester überdeckt oder bleibt in der Diktion etwas unverständlich. Der Scharfrichter Co-Co ist erneut eine Paraderolle für den Spieltenor Gunter Sonneson. Ein Höhepunkt ist seine Arie im ersten Akt, in der er aufzählt, welche Personen man zur Exekution vorschlagen könne, ohne dabei Gefahr zu laufen, die Massen gegen sich aufzubringen. An dieser Stelle bekommen nicht nur korrupte Politiker, sondern auch Theaterregisseure und harsche Kritiker sehr zum Gefallen des Publikums ihr Fett ab. Gerade an dieser Stelle fällt die gelungene Übertragung ins Deutsche auf. Rita Kapfhammer punktet als ältliche Katisha mit komödiantischem Spiel und großem Mezzo.

Abgerundet wird dieser in jeder Hinsicht gelungene Abend durch das forsch aufspielende Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Benjamin Reiners, der die Vielfalt der Musik Sullivans sehr nuanciert herausarbeitet. So gibt es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Mit dieser Inszenierung ist Holger Seitz ein würdiger Nachfolger für die in der letzten Spielzeit abgespielten Piraten von Penzance gelungen. Es lohnt sich, nach München zu fahren, um ein weiteres Werk des in Deutschland leider vernachlässigten Erfolgs-Duos Gilbert & Sullivan zu erleben.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Benjamin Reiners / Guido Klaus /
Henning Kussel

Regie
Holger Seitz

Bühnenbild
Peter Engel

Kostüme
Sandra Münchow

Licht
Hans Guba

Choreographie
Fiona Copley

Chor
Inna Batyuk

Dramaturgie
Maria Schemm-Andresen



Orchester, Chor und Statisterie des
Staatstheaters am Gärtnerplatz


Solisten

*rezensierte Aufführung

Der Erzähler
Thomas Peters

Der Mikado, Kaiser von Japan
Derrick Ballard / *Stefan Sevenich

Nanki-Poo, sein Sohn
Mario Podre
čnik / *Robert Sellier

Katisha, ein älteres Hoffräulein
Snejinka Avramova / *Rita Kapfhammer 

Co-Co, Scharfrichter von Titipu
Hardy Rudolz / *Gunter Sonneson

Yam-Yam, Co-Cos Mündel
*Frances Lucey / Thérèse Wincent

Pitti-Sing, Co-Cos Mündel
Carolin Neukamm / *Franziska Rabl

Peep-Bo, Co-Cos Mündel
Ulrike Dostal / *Milica Jovanovic

Pooh-Bah, ein hoher Herr mit vielen Ämtern
Sebastian Campione / *Holger Ohlmann

Pish-Tush, ein Edelmann
Gregor Dalal / *Daniel Fiolka

 Internatsschülerinnen, Japanerinnen,
Japaner, Diener
Chor

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)





Da capo al Fine

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