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Musiktheater
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Lohengrin

Romatische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Theater Koblenz am 21. April 2012
(rezensierte Aufführung: 8. Juni 2012)

Logo: Theater Koblenz

Theater Koblenz
(Homepage)

Schwierige Partnerwahl

Von Stefan Schmöe / Fotos: Matthias Baus für das Theater Koblenz

Ach, sie sehnt sich ja nur nach einem starken Mann, der sie gegen die ungerechten Vorwürfe verteidigt, wo doch alle gegen sie sind. Und als der tatsächlich kommt, sieht sie nicht einmal hin, gibt sich ihm quasi blinden Auges hin. Wer das eigentlich ist, dass will sie kurz darauf natürlich doch wissen. Und er? Ein bisschen flippig mit knallblauen Schuhen zum weißen Anzug, möchte gerne Held sein, ohne sich groß erklären zu müssen. Das führt, sozialpädagogisch gesprochen, unweigerlich zum Kommunikationszusammenbruch. Beide haben ihre Vorstellungen, an die sich die Wirklichkeit dann doch nicht so leicht anpassen lässt. Das traurige Ende ist bekannt.

Szenenfoto Zu schön um wahr zu sein: Ein Held erscheint, um die nette Elsa gegen falsche Vorwürfe zu verteidigen (Lohengrin: Jon Ketilsson, Elsa: Susanna Pütters).

Markus Dietze, Intendant des Koblenzer Theaters und Regisseur dieser Lohengrin-Produktion, holt Wagners romantische Oper in die Gegenwart. Wo Wagner sich ein idealisiertes Mittelalter zusammenträumte, haben Dietz und sein Team einen arg schnöden Mehrzweckraum der Gegenwart geschaffen, der als Foyer eines Konzerns wie auch als schmuckloser Festsaal durchgeht (Bühne: Bodo Demelius). Darin bewegen sich, gesellschaftskonform uniformiert, geschäftig wirkende Herren im Anzug und Damen in BdM-mäßigem Rock und weißer Bluse oder später im langen schwarzen Kleid (Kostüme: Claudia Caséra). Wagner lässt den Chor ja ohnehin ziemlich schnell demjenigen zujubeln, der gerade obenauf ist, das greift Dietze ganz geschickt auf - auch dadurch, dass er den Chor oft in fast schon antiquierter Manier choreographiert, die Frauen hinter Elsa zum Dreieck formiert, oder wie im Tanztheater mit immergleichen Betroffenheitsgesten an die rampe treten lässt. Volk, König, Heerufer, (letztere sind hier Manager oder Funktionäre) – das sind Versatzstücke der Operntradition; die Schablone, vor der das sehr viel interessantere Kammerspiel abläuft. Dabei geht es zeitlos um Macht und Intrige, und Dietze gelingt es recht gut, das zu zeigen, ohne die Oper deshalb völlig umzukrempeln.

Szenenfoto

Die Intrige nimmt ihren Lauf: Ortrud (Monica Mascus, unten) weckt bei Elsa (Susanna Pütters) Zweifel an Lohengrins Integrität

Im Gegenteil: Das Werk selbst ist weitgehend unangetastet, sogar das Schwert ist da (Lohengrin als Superheld braucht keines, er besiegt Telramund mit einer lässigen Handbewegung). Aber Dietze erzählt das nicht als Illusionstheater, sondern mit manchen Brechungen als Theater-Geschichte, die man ja sowieso kennt. Den Schwan gibt’s (wie auch die Skyline einer Metropole oder die Hochzeitsgesellschaft am Rhein) per Video (Georg Lendorff) quasi als Zitat. das Orchester ist auf die Hinterbühne gesetzt und wird oft zum keineswegs unwichtigen Teil des Bildes, dafür können die Sänger an der Rampe ganz nah an das Publikum herantreten. Das gibt in der Summe zwar eine nicht unbedingt neue Sichtweise, hat aber in der lakonischen Herangehensweise einigen Charme und ist in sich schlüssig.

Szenenfoto Unglücklicher Verlauf der Hochzeitsnacht: Elsa will zu viel Wissen

Der Musik bekommt das ebenfalls sehr gut. Michael Mrosek als blitzsauberer, stimmgewaltiger Telramund von gleichzeitig fast liedhafter Klarheit gewinnt der Partie mit exzellenter Diktion spannende Facetten ab – der (irgendwie vertraute) getriebene Karrierist, der sich leichtgläubig in den Intrigen verfängt und scheitert. Seine Gattin Ortrud ist ein Vamp mit tief ausgeschnittenem Hosenanzug und archaisch roten Handschuhen; Monica Mascus (bei der man leider kein Wort versteht) singt das mit großem Furor und gellender, im Timbre, vorsichtig gesagt, gewöhnungsbedürftiger Stimme. Elsa dagegen ist ein nettes, etwas verträumtes Mädchen, sehr brav. Susanna Pütters singt mit einer mädchenhaft klaren, dennoch jugendlich-dramatischen und nicht zu kleinen Stimme, die aufhorchen lässt. Nicht alles gelingt ganz sicher, manche (mitunter arg geschmierten) Aufschwünge landen in der Intonation knapp daneben, hier und da ist die Gestaltung noch ziemlich unrund. Dagegen stehen aber viele glutvoll zupackende Momente – und szenisch ist sie ohnehin eine Idealbesetzung. Jon Ketilsson, schauspielerisch leider arg unbeweglich, ist ein stimmlich vergleichsweise schwerer, heldischer Lohengrin mit etwas brüchiger Stimme, der es an Geschmeidigkeit, auch ein wenig an entrücktem Glanz für diese Partie fehlt – zumindest wenn man an den positiven Helden glauben möchte. Am Ende der hier besprochenen Vorstellung gingen ein paar Töne daneben, wohl eine plötzliche Indisposition, denn an sich verfügt er über beachtliche vokale Statur, im Charakter eben mehr Siegfried als Lohengrin.

Szenenfoto

Lohengrin, Elsa und vier brabantische Edelmänner mit dem toten Telramund (Michael Mrosek)

Jongmin Lim ist ein stimmgewaltiger König, der leider (völlig unnötig) dazu neigt, übermäßig zu forcieren; die nuancierten Zwischentöne waren seine Sache an diesem Abend nicht. Johannes Beck ist ein in der ersten Hälfte solider, dann aber zunehmend angestrengter Heerrufer. Ganz fabelhaft ist der von Bernhard Ott einstudierte Chor, der sich aus dem hauseigenen Chor, erweitert um den Extrachor, sowie den freien Opernchor „Choruso“ zusammensetzt. Ein derartiges ja nicht aufeinander eingespieltes Ensemble zu solcher Präzision und Homogenität zu führen, wie man sie im Theater selten hört, das ist eine wahrlich bewundernswerte Leistung. Dazu kommt ein prächtiger, sehr nuancierter Klang (und nicht zuletzt große Spielfreude). Ausgezeichnet singen auch die beiden Solistenquartette der brabantischen Edlen und Edelknaben.

Und dann sind da noch das ebenfalls ganz hervorragende Staatsorchester Rheinische Philharmonie und mit Enrico Delamboye ein Dirigent, der mit viel Gespür für Klangfarben aufs Ganze geht und es gerne auch einmal so richtig knallen lässt (was mitunter dann doch des Lauten zu viel wird), vor allem aber durchweg große Spannung entwickelt. Er hebt das Moderne, auf das zukünftige Musikdrama hindeutende dieses ja noch als „romantischen Oper“ bezeichneten Werkes hervor, macht die Nähe mancher Szenen zum Ring des Nibelungen deutlich (etwa im abgründig düsteren Dialog Ortrud – Telramund zu Beginn des zweiten Aufzugs). Das ist im kleinen Koblenzer Haus großes Theater. Ovationen für alle Beteiligten.


FAZIT

Eine szenisch wie musikalisch sehr achtbare Produktion.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Delamboye

Inszenierung
Marcus Dietze

Bühne
Bodo Demelius

Kostüme
Claudia Caséra

Video
Georg Lendorff

Chor
Andreas Klippert

Dramaturgie
Gabriele Wiesmüller


Chor und Extrachor
des Theaters Koblenz

Freier Opernchor "Coruso"

Staatsorchester Rheinische Philharmonie


Solisten

* Besetzung der rezensierten Vorstellung

Heinrich der Vogler
* Jongmin Lim /
Hans-Otto Weiß

Lohengrin
Jon Ketilsson

Elsa von Brabant
Susanna Pütters

Friedrich von Telramund
Michael Mrosek

Ortrud
Monica Mascus

Der Heerufer des Königs
Johannes Beck

Vier brabantische Edle
Martin Shalita
Alexander Kröner
Christoph Plessers
Kai Uwe Schöler

Vier Edelknaben
Hana Lee
Malwina Makala / Mikiko Sumida
Aurea Marston
Astrid von Feder


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Koblenz
(Homepage)





Da capo al Fine

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