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Gespenstische KaufmannsgeschichtenVon Stefan Schmöe / Fotos: Paul LeclaireIn Köln wird derzeit ganz große Oper geboten, (auch) hinter den Kulissen, das aber sehr öffentlich. Da streiten Intendant Eric-Uwe Laufenberg, Kulturdezernent Georg Quander und Theater-Geschäftsführer Patrick Wasserbauer, das es nur so kracht. In der eigentlichen Sache geht es, natürlich, um Geld, das, je nach Sichtweise, dem Theater fehlt oder von diesem im Übermaß verbraucht wird. Inzwischen ist aber so viel Porzellan mutwillig zerschlagen, dass die wechselseitigen Animositäten und persönlichen Befindlichkeiten die dringend klärungsbedürftigen Sachfragen bedenklich überlagern. Premierentage (an denen sich der Fokus doch eigentlich auf einen erfolgreichen Abend drehen sollte) scheinen den Protagonisten offenbar besonders geeignet für das öffentlichkeitswirksame Austragen von Schlammschlachten. So erklärte vor dem Fliegenden Holländer die Stadt Köln per Pressemitteilung das Pochen auf Einhaltung des bis 2016 laufenden Vertrags mit Laufenberg, weil dieser den angekündigten Rückzug 2013 "ohne Bedingungen" nicht aufrecht erhalten wolle - worauf postwendend, ebenfalls per Pressemitteilung, das Dementi Laufenbergs folgte, weil die Darstellung der Stadt "falsch" sei. Das gäbe, wäre nicht die Oper das Opfer, den Stoff zu einer hinreißenden Posse ab. Der Holländer links: Samuel Youn) und Daland (Lars Woldt)Unbestritten ist, dass Laufenberg die zuvor auf bescheidenes Provinzniveau abgesunkene Kölner Oper innerhalb kürzester Zeit in die, wie man so schön sagt, erste Liga gebracht hat. Mit der aufwendigen Uraufführung von Stockhausens Sonntag aus Licht (unsere Rezension) gelang sogar ein Stück Theatergeschichte, allerdings ein ziemlich teures (was letztendlich ein Auslöser des Etatstreits war). Da stellt sich natürlich die Frage, wie viel der Stadt das angestrebte Niveau wert ist und angesichts der klammen städtischen Haushaltslage wert sein darf. Mit der Premiere von Wagners Fliegendem Holländer, der letzten Premiere im Opernhaus vor der Generalsanierung (2015 soll das Haus dann wieder bespielbar sein, bis dahin zieht die Oper in das Theaterzelt am Hauptbahnhof), demonstriert Laufenberg jedenfalls noch einmal nachdrücklich, welche Qualität die Kölner Oper unter seiner Ägide erreicht hat und setzt vor allem musikalisch hohe Maßstäbe. An der Spitze eines ganz ausgezeichneten Sängerensembles steht Samuel Youn als relativ hell timbrierter, ungemein durchschlagskräftiger Holländer. Das Fehlen der schwarzen" Klangfarben mag man vermissen, die differenzierte, zupackend heldische" Gestaltung verleiht der Figur aber auch so dämonische Züge. Erika Sunnegårdh ist eine immer klangschöne, lyrische Senta, deren Stimme auch in den dramatischen Abschnitten trägt und sich unangestrengt gegen das Orchester behaupten kann. Mit Thomas Piffka ist geradezu die Idealbesetzung für den Erik gefunden, nicht zu leicht und nicht zu schwer, ebenfalls immer klangschön und mit ausgesprochen nuancierter, sehr intelligenter Textausgestaltung, was ihn zum ernst zu nehmenden Protagonisten macht. Großformatig und dabei sehr kultiviert ist der Daland von Lars Woldt, der sich zudem stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen romatischer Spieloper und aufklingendem Musikdrama bewegt. Dazu kommen die grundsoliden Jeongki Cho als Steuermann und Diane Pilcher als Mary. Klangprächtig zeigt sich der Opernchor, an der rhythmischen Präzision lässt sich hier und da sicher noch arbeiten. Senta (Erika Sunnagårdh, vorne) und Mary (Diane Pilcher) Am Pult des Gürzenich-Orchesters, das sich neben vielen gelungenen Passagen auch manchen Wackler und ungenauen Einsatz erlaubt, steht der Bremer Generalmusikdirektor Markus Poschner, der die Overtüre zwar schneidend scharf beginnen lässt, ansonsten aber eher moderaten Zugang eher aus dem Geist der romantischen Oper als des Musikdramas wählt. Die Stilbrüche im Stück verdeckt er nicht, hebt sie aber auch nicht hervor. Poschner versteht sich als Begleiter der Sänger, deckt diese nicht zu (wobei er sich auf deren vokale Kraft verlassen und es ruhig einmal orchestral krachen" lassen kann). Holländer und Senta vor Holländer-PortraitRegisseur Dietrich Hilsdorf verankert die Geschichte im Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts und damit in der Nähe der Spieloper Lortzings und der zeittypischen Gespensteropern. Das elegante Bühnenbild (Dieter Richter) zeigt einen klassizistisch-bürgerlichen Raum, der gleichzeitig Salon, Werkstatt und Produktionsraum ist (eine per Fahhrad betriebene Phantasiemaschine mit etlichen Zahnrädern verweist auf die industrielle Revolution). Hinter dieser geordneten Bürgerfassade lauert die abgründige Natur, hier in Gestalt des diffus gemalten, aufbrausenden Meeres. Der Holländer und seine Mannschaft sind zerlumpte, gespenstische Gestalten (Kostüme: Renate Schmitzer) und damit ein Gegenpol zur bürgerlichen Lebensweise. Auf der einen Seite der Frühkapitalismus mit seinen gesellschaftlichen Reglementierungen, auf der Rückseite die unbestimmten romantischen Sehnsüchte, das umreißt das Spannungsfeld, in dem sich die Oper bewegt. Das ist natürlich ein alles andere als neuer Regieansatz, sondern bereits in etlichen Variationen durchgespielt worden, in Hilsdorfs sehr solide gearbeiteter und durchdachter Regie aber natürlich nicht falsch. Erik (Thomas Piffka) und Senta Hinzugefügt hat Hilsdorf eine janusköpfige Frauengestalt, die trotz fortgeschrittenen Alters die Brust entblößt man muss schon im Programmheft nachlesen, um darauf zu kommen, dass der Regisseur hier eine Parallele zum Tannhäuser und Lohengrinzeigen möchte, wo es jeweils ein Paar antagonistischer Frauen gibt, eine rote und eine weiße, wie Hilsdorf das nennt, nämlich Venus / Elisabeth und Ortrud / Elsa. Im fliegenden Holländer wäre dieser Antagonismus demnach noch nicht ausformuliert, die rote Frau noch nicht bewusst dargestellt. Diese Gestalt als Reminiszens an Webers Freischütz Samiel zu nennen, bekräftigt die historische Einordnung des Fliegenden Holländers in die Tradition der deutschen romantischen Oper. Das kann man als These so formulieren, die Handlung wirklich voran bringt es nicht. Weitreichender für die Deutung ist Hilsdorfs Entscheidung, auf jegliche Erlösung zu verzichten (auch musikalisch, es wird der düstere Schluss der ersten Fassung gespielt). So endet dieser Holländer als bürgerliches Trauerspiel. Das ist wenig radikales, aber kluges Theater, das in seiner Bildsprache gleichzeitig versöhnlich ein breites Publikum anspricht. Viel Applaus, auch für demonstrativ für den Intendanten (der verlegen-majestätisch vom Balkon herab grüßt).
Vor allem sängerisch imponiert dieser Holländer, der szenisch atmosphärisch dicht und handwerklich solide gearbeitet ist, dabei bei allen Ideen aber vergleichsweise konventionell bleibt. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Daland
Senta
Erik
Mary
Der Steuermann Dalands
Der Holländer
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- Fine -