Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
Heldensammeln auf dem LaufstegVon Joachim Lange / Fotos von Gert Kiermeyer
Denkt man an die landesweit grassierenden Versuche, Richard Wagners Nibelungen-Ring zu schmieden, um 2013 mit einem würdigen Beitrag zum 200. Geburtstag des Großkomponisten zur Stelle zu sein, dann wären einem bis vor kurzem weder das Opernhaus in Halle noch das Theater im Pfalzbau Ludwigshafen auf Anhieb eingefallen. Und schon gar nicht als Kooperationspartner. Aber wenn ein Dirigent zwei Orchester leitet, entsprechenden Ehrgeiz entfaltet und eine Art Politikum daraus zu machen versteht, dann lässt sich ein solches Großprojekt auch in Zeiten notorischer Spardiskussionen mit dem entsprechenden Rückenwind in beiden Städten durchsetzten. Karl-Heinz Steffens stand so beim Rheingold zuerst in Ludwigshafen am Pult der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und dann in Halle an dem der Staatskapelle. Bei der Walküre ist jetzt Halle zuerst dran. Im Wagner-Jubeljahr kann sich Ludwigshafen dann, eine Straßenbahnfahrt entfernt, mit Mannheim messen (wo Achim Freyer in Kürze loslegt) und Halle mit Dessau, wo Intendant Andre Bücker mit der Götterdämmerung beginnt. Dresden ist versorgt und Leipzig zieht nun wohl auch nach. Sieglinde und Siegmund, Carola Höhn und Thomas Mohr im Wagnerwohlklang vereint
Zugegeben: Man kann diesen Doppel-Ring für überkandidelt halten, noch dazu, wenn man ihn als eine Art innerdeutsches Projekt verkauft. Aber Skepsis schärft ja die Aufmerksamkeit. Nach der Walküre aber muss man unumwunden zugeben, dass sich dieses Unternehmen zunehmend selbst legitimiert. (Da die Bürgermeisterin aus Ludwigshafen angereist war, kam diesmal auch ihre Hallesche, nicht gerade als opernaffin bekannte Amtsschwester nicht umhin, ihr Opernhaus zu beehren.) Und ganz gleich, welche Motive Karl-Heinz Steffens bewogen haben mögen, dieses Ringprojekt anzuschieben er kann es! Wotan
Und zwar in einer Weise, die selbst optimistische Erwartungen übertrifft. Man hat zwar Mühe, die große Wagnerbesetzung in den Graben zu stopfen, die Harfen wurden sogar in die Seitenlogen ausgelagert und der Boden soweit abgesenkt, wie es nur irgend geht. Aber das Resultat dieses akustischen Drahtseilaktes überzeugt restlos. So konzentriert, geschlossen und in großen Bögen, dabei überraschend transparent und in einer so mustergültigen Abstimmung mit den Sängern hört man das auch an größeren Häusern selten. Auch die viel beschworene, und in Bayreuth in diesem Sommer mit etlichen Beispielen belegbare Krise des Wagnergesangs, scheint (wie schon um das Rheingold) um diese Walküre (oder kürzlich auch in Weimar und Mainz um die dortigen Tristan-Produktionen - unsere Rezension) einen Bogen zu machen. Der Vater und seine Töchter
In Halle ist ein Protagonisten-Ensemble ohne Schwachstelle beisammen, dem man mit ungebrochenem Vergnügen zuhört. Das fängt beim markant jugendlichen Hunding von Christoph Stegemann und dem konditionsstarken Wotan von Gérard Kim an, geht über eine betont lyrische Sieglinde von Carola Höhn und die zwar vibratoreich lodernde, aber überzeugend gestaltete Brünnhilde von Lisa Livingston bis zur erstklassigen Fricka von Julia Faylenbogen. Eine kleine Sensation ist Thomas Mohr, der nicht nur schier endlos gehaltene Wälse Rufe heraus trompetet, sondern vor allem wohlartikuliert, mit Verstand und Gefühl singt. Ein Siegmund, der jedem Ensemble zur Ehre gereicht und in die natürliche Bayreuth-Reserve gehören müsste. Auch die Walküren-Truppe ist mit Sorgfalt besetzt und kommt bei Regiealtmeister Hansgünther Heyme als ein Ensemble von Solistinnen obendrein bestens zur Geltung. In seiner stets auf dem narrativen Pfad dieser besonderen Beziehungsgeschichte durch ein gemäßigt in die Gegenwart und eine konzeptionelle Theaterbehauptung geöffneten Inszenierung sind sie die szenisch Privilegierten. Wotans Abschied
Sie präsentieren einzeln oder in Gruppen auf einem Laufsteg ihre Beute. Nicht als Statisten oder ausgestopfte Leichen, sondern schon im Format jener Kästchen, die sich in der großen, mit unzähligen Zeichenkombinationen versehen Rückwand, wie in einem Riesenarchiv einsortieren lassen, die wie eine Asservatenkammer der Geschichte ein metaphorisches Kontinuum bietet. Mancher Einfall, wie die ins Vorspiel knatternden Motorräder der Wölfing- und der Hunding-Gang (mit Wolfs- und Hunde-Logo auf den Mänteln), oder die zwei Lack- und Leder-Miezen hinter der Bar in der Spielhalle, in der sich der Zocker Wotan die Generalabrechnung seiner schicken, blonden Gattin im hochgeschlitzten grauen Chefinnenkostüm anhören muss, sind verzichtbar. Ansonsten behält Heyme als sein eigener Ausstatter die offene Bühnen-Ästhetik bei, deponiert Nothung in einem Leitungsmasten und möbliert im ersten Akt bei Hundings knapp. Bei den Walküren gibt es noch verpackte Designer-Sessel, und zur Todesverkündigung steigt Brünnhilde von einer der beiden Flughafentreppen unter der Abflugtafel nach unten zum abreise- bzw. fluchtwilligen Paar Siegmund und Sieglinde, die da natürlich mit Koffer angerückt sind. Am Ende wird Brünnhilde hinten zwischen den Regalen deponiert und die Flammen züngeln. Da kommt dann wohl erst Mal keiner ran, bis Siegfried auftaucht. Demnächst in diesen Theatern.
Bislang ist das gegenwartsoffene Regiekonzept von Hansgünther Heyme tragfähig, wobei der Ehrgeiz, die Geschichte zu erzählen, die konzeptionellen Ambitionen im Zaum hält. Musikalisch erweisen sich Karls-Heinz Steffens, die Staatskapelle und das exzellente Protagonisten-Ensemble als beglückender Leistungsnachweis für ein Haus, dem man solche Wagnerkompetenz nicht ohne weiteres zugegetraut hätte! Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Ausstattung
Licht
Solisten
Siegmund
Hunding
Wotan
Sieglinde
Brünnhilde
Fricka
Gerhilde
Ortlinde
Waltraute
Schwertleite
Helmwige
Siegrune
Grimgerde
Rossweiße
Zwei Barmädchen
|
- Fine -