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Musiktheater
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Im weißen Rössl

Singspiel in drei Akten
Libretto von Hans Müller und Erik Charell
frei nach dem Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg
Musik von Ralph Benatzky
Gesangstexte von Robert Gilbert


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 12. November 2011
(rezensierte Aufführung: 24.11.2011)


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Musiktheater im Revier
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Rössl mit Revuecharakter

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Ralph Benatzkys weißes Rössl assoziieren heutzutage viele mit rührseligen Heimatfilmen der 50er und 60er Jahre, von denen man sich trotz netter Musikeinlagen gerne distanziert. Dass dieses Singspiel ursprünglich als freche Revue konzipiert war, die neben den seligen Walzerklängen auch neue musikalische Einflüsse offenbarte, geriet dabei völlig in Vergessenheit. Ein Grund dafür mag die "Arisierung" des Stückes durch die Nationalsozialisten gewesen sein, die die großteilig amerikanisch geprägten Rhythmen aus der Operette verbannten und dem Rest durch klassische Opernsänger zu einer neuen Seriosität verhelfen wollten. Warum man in den Verfilmungen nach dem Krieg ebenfalls an dieser weichgespülten Fassung festhielt, ist schwer nachzuvollziehen. Erst 1994  gelang es Christoph Marti in einer bahnbrechenden Inszenierung in der Berliner "Bar jeder Vernunft" den ursprünglichen Charakter des Werkes freizulegen. Durch längst verschollen geglaubtes Orchestermaterial erlebte das weiße Rössl dann am 19. Juni 2009 an der Staatsoperette Dresden eine Wiederbelebung in der ursprünglich frechen und jazzigen Originalfassung. Das Musiktheater im Revier präsentiert nun als vierte deutschsprachige Bühne diese rekonstruierte Version.

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Rüdiger Frank als Piccolo.

Dabei gelingt es Etienne Pluss, mit einem vielseitigen Bühnenbild zum einen den Revuecharakter, zum anderen aber auch das leicht kitschige Flair des deutschen Heimatfilms einzufangen. So wird auf dem Vorhang ein pittoreskes Alpenpanorama präsentiert, und die rechts und links auf der Bühne aufgestellten Berge zeigen Bilder die in längst vergangenen Zeiten für dieses Bergidyll wohl Werbung gemacht haben. Ein silberner Fadenvorhang auf der rechten Seite und die Glühlämpchen, die die Berge einrahmen, zeigen jedoch, dass hier nur in einer Revue das Klischee der heilen Bergwelt heraufbeschworen wird, so wie es sich der Großstädter wohl in seinen Träumen ausgemalt hat. Das Rössl-Gasthaus sieht hingegen schon ein bisschen heruntergewirtschaftet aus. So weist die Fassade einige Schäden auf, die andeuten, dass der Tourismus in einer Wirtschaftskrise nicht den benötigten Aufschwung bringt. Dennoch versprüht dieses recht marode Gebäude mit dem Rössl-Emblem und einem einzigen Balkonzimmer einen Hauch von Nostalgie. Die Hausfassade des Gasthauses zeigt sich als sehr vielseitig, da sie sich durch Öffnen in den Kuhstall verwandeln lässt, in dem Ottilie ihr erstes Treffen mit Dr. Siedler hat, und durch Drehung einen Wechsel zu den Strandkabinen am Wolfgangssee ermöglicht.

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"Zuschauen mag ich nicht": Kellner Leopold (Thomas Weber-Schallauer).

Die Kostüme von Uta Meinen sind sehr bunt und bedienen ebenfalls das Klischee des Urlaubsparadieses Salzkammergut. Da dürfen natürlich die farbenfrohen Dirndl und die Lederhosen nicht fehlen. Allerdings betonen die Kostüme gerade beim Ballett den leicht frivolen Charakter der Uraufführung, indem sie bei den Tänzerinnen viel nackte Haut präsentieren und bei den Tänzern in knappen Leder- oder Badehosen muskulöse Körper zeigen. Dazu hat Kati Farkas stimmige Choreographien entwickelt. Besonders amüsant ist das Kuhballett, zu dem Ottilie und Dr. Siedler im Kuhstall "Die ganze Welt ist himmelblau" singen. Einen weiteren Höhepunkt stellt der Schuhplattler in Dirndln und Lederhosen zu "Im Salzkammergut" dar. Neben dem spielfreudigen Ballett finden sich aber auch der Chor und die Solisten hervorragend in diese Choreographien hinein.

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Ottilie (Anke Sieloff) und Dr. Siedler (Michael Dahmen).

Die Inszenierung von Peter Hailer vertraut der Vorlage des Librettos und verzichtet darauf, das Stück in eine andere Zeit zu verlegen, was vom Publikum im selbst an einem Donnerstag fast ausverkauften Haus mit großer Begeisterung aufgenommen wird. Die einzige Besonderheit ist vielleicht, die Rolle des Piccolo mit Rüdiger Frank zu besetzen, wobei der Name der Figur in diesem Fall wohl eher auf die Größe als auf das Alter anspielen dürfte. Mit großer Bühnenpräsenz interpretiert Frank diesen Lehrbuben nicht als naiven Grünschnabel, sondern vermag es eher, mit einem gewissen Zynismus von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten, und sorgt für zahlreiche komische Momente. Auch der Chor unter der Leitung von Christian Jeub wächst in dieser Inszenierung wieder einmal über sich hinaus. Mit großer Spielfreude wirft er sich einerseits ständig in neue Kostüme, um einmal die ankommenden Touristen, dann wieder die Kellner und Zimmermädchen oder die einheimische Bevölkerung des Salzkammerguts darzustellen, überzeugt andererseits mit homogenem Klang und gibt dazu auch einzelnen Chormitgliedern wieder die Möglichkeit, in kleineren Rollen solistisch zu glänzen. An dieser Stelle seien Patricia Pallmer, die als aufgemotzte Touristin in hochhackigen Schuhen ständig auf Männerfang zu sein scheint, Birgit Brusselmans, die als Jodlerin den Berliner Fabrikanten Giesecke bezirzt, und Franziska Hackl, die als Postbotin Kathi die Briefe ständig mit einem kessen Kommentar verteilt, genannt.

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Für wen soll sich Josepha (Christa Platzer) entscheiden: Dr. Siedler oder Leopold?

Christa Platzer gibt darstellerisch eine überzeugende Rössl-Wirtin, die sich ihrem Zahlkellner gegenüber widerspenstig verhält, während sie ihren Stammgast, den Rechtsanwalt Dr. Siedler anhimmelt. Gesanglich wirkt ihr Sopran lediglich in den Höhen ein bisschen eng. Gleiches gilt für Thomas Weber-Schallauer, der den verliebten Zahlkellner Leopold mit großem Charme anlegt. Auch bei ihm sind in den Höhen leichte Abstriche zu machen. Aber schließlich geht es in einer Revue-Operette nicht um seriösen Operettengesang, sondern um eine Form der Unterhaltung, die eher einen singenden Schauspieler als einen schauspielernden Sänger verlangt. Joachim G. Maass, der für seine herausragenden Leistungen in der letzten Spielzeit mit dem Gelsenkirchener Theaterpreis ausgezeichnet worden ist, beweist als eher schüchterner Prof. Dr. Hinzelmann, dass er neben einem gewitzten Tevje und einem egozentrischen Professor Higgins auch leise und bescheidene Töne anschlagen kann, ohne dabei von den restlichen Darstellern an die Wand gespielt zu werden. Auch Irina Simmes als seine lispelnde Tochter Klärchen und E. Mark Murphy als schöner Sigismund Sülzheimer geben stimmlich und darstellerisch ein schönes Paar ab.

Ein Traumpaar der besonderen Art bilden Michael Dahmen als Dr. Erich Siedler und Anke Sieloff als Gieseckes Tochter Ottilie. Sieloff, die in letzter Zeit leider viel zu selten in Gelsenkirchen zu sehen ist, kann in der Rolle der Fabrikantentochter endlich einmal wieder zeigen, welches tänzerische, schauspielerische und gesangliche Talent in ihr steckt. Mit großer Eleganz passt sie sich grandios in die Balletteinlage im Kuhstall ein. Auch Dahmen versteht es, elegant das Tanzbein zu schwingen und dabei mit jugendlichem Bariton seinen Charme zu versprühen. Zum Publikumsliebling avanciert jedoch Uwe Schönbeck als Berliner Fabrikant Wilhelm Giesecke, der mit herrlich frecher Berliner Schnauze den ständig grantelnden Großstädter gibt. Dass er bei "Im Salzkammergut" die Vorzüge Ahlbecks den Alpen gegenüber preist und dabei den Schuhplattler tanzt, wird vom Publikum mit großem Beifall goutiert. Bernhard Stengel führt die Neue Philharmonie Westfalen leichtfüßig und beschwingt durch die Partitur, wobei einige Passagen nur von Askan Geisler am Klavier begleitet werden, was die Melancholie der jeweiligen Szene unterstreicht und vielleicht ebenfalls den Revue-Charakter des Werkes betonen soll. So gibt es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Es ist schön, dass man sich nach längerer Zeit in Gelsenkirchen auch mal wieder der Operette widmet und der Qualität des Rössls vertraut, ohne ihm ein Konzept des modernen Regietheaters überzustülpen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Stengel

Inszenierung
Peter Hailer

Bühne
Etienne Pluss

Kostüme
Uta Meenen

Choreographie
Kati Farkas

Choreinstudierung
Christian Jeub

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Opernchor und Statisterie
des Musiktheater im Revier

Ballett im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen



Solisten

*rezensierte Aufführung

Josepha Vogelhuber, Wirtin
Christa Platzer

Leopold Brandmeyer, Zahlkellner
Thomas Weber-Schallauer

Dr. Erich Siedler, Rechtsanwalt
Michael Dahmen

Wilhelm Giesecke, Berliner Fabrikant
Uwe Schönbeck

Ottilie, seine Tochter
Anke Sieloff

Sigismund Sülzheimer, Sohn des Konkurrenten
E. Mark Murphy

Prof. Dr. Hinzelmann, Urlauber
Joachim G. Maass

Klärchen, seine Tochter
Dorin Rahardja /
*Irina Simmes

Der Piccolo
Rüdiger Frank

Kaiser Franz Joseph I.
Tomas Möwes

Reiseführer
Ralf Rhiel /
*Carsten Kirchmeier

Der lange Kellner Franz
Wolf-Rüdiger Klimm

Der Klavierspieler
Salvador Caro /
*Askan Geisler

Kathi
Franziska Hackl

Zwei Urlaubsgäste
Sabina Detmer
Patricia Pallmer

Zwei Kofferträger
Sergey Fomenko
Jerzy Kwika

Jodlerin
Birgit Brusselmans

Bürgermeister
Oliver Aigner

Oberförster
Dieter Salje

Zenzi
Heike Einhorn

 

 

 

 

 


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